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Syrien: Rakka und das Tauziehen um Einfluss

YpG-Kämpfer. Foto: Kurdishstruggle / CC BY 2.0

Der SDF und der nordsyrischen Föderation stehen schwierige Zeiten bevor. Russland und die syrische Regierung ändern offenbar ihren Kurs

Die Tage des Islamischen Staates scheinen gezählt. Die SDF (Syrian Democratic Forces) haben Rakka (Raqqa) umzingelt. Unterstützt werden sie durch Luftangriffe der Anti-IS-Koalition. Unterdessen sind in der Sheba-Region um Al-Bab und Azaz heftige Kämpfe zwischen den von der Türkei unterstützten Milizen ausgebrochen. Die Angriffe gegen den Kanton Afrin der "Demokratischen Föderation Nordsyrien" (die Rojava miteinschließt) durch türkische Proxytruppen gehen trotzdem weiter.

Durch den neu intensivierten sunnitisch-schiitischen Konflikt um Einfluss in Syrien stehen der nordsyrischen Föderation schwierige Zeiten bevor. Schon wird ihnen eine Allianz mit Saudi Arabien unterstellt, um sie zu diskreditieren. Auch Russland versucht neuerdings, die nordsyrische Föderation unter Druck zu setzen. Russland und die USA verwandeln mit ihren regionalen Partnern im Tauziehen um Macht und Einfluss Syrien wieder mal in einen unübersichtlichen Sumpf. Die Aktionen und Intentionen der Türkei geraten gleichzeitig aus dem Blickfeld.

Zentausende flüchten in die Gebiete der nordsyrischen Föderation

Erst kamen nur einige Hunderte Zivilisten aus Rakka in die sicheren Gebiete der nordsyrischen Föderation, jetzt sind es Zehntausende. Die Soldaten und Soldatinnen der SDF sorgen dafür, dass die Menschen sicher in die bereitgestellten Flüchtlingscamps oder temporären Schutzzentren gelangen.

"Die Leute sind sehr glücklich. Sie sind froh, dass sie Rakka entkommen sind. Sie sagen uns, wir sollen auch die Zurückgebliebenen retten", berichtet [1] einer der Kämpfer der YPG, während er Hände schüttelt und die Menschen mit Wasser und dem Nötigsten versorgt. Immer wieder gibt es Angriffe vom IS, die erfolgreich abgewehrt werden können.

Die Zahl der getöteten Islamisten [2] steigt täglich und zermürbt die noch in Rakka verbliebenen IS-Mitglieder. In Ost-Rakka ergaben sich zahlreiche IS-Kämpfer, nachdem Rakka von den SDF komplett umzingelt [3] wurde.

Neuerdings treten Russland und die syrische Armee (SAA) rund um Rakka wieder auf die Bühne. Das russische Verteidigungsministerium meldete in den letzten Tagen, der IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi sei höchst wahrscheinlich bei einem russischen Luftangriff getötet worden.

Am 28. Mai habe es einen Luftangriff gegen ein Treffen der IS-Spitze in Rakka gegeben. Auf dem Treffen sollten die Fluchtrouten aus der Stadt geplant werden, berichtete die BBC [4]. Diese Meldung konnte bislang nicht bestätigt werden. Lediglich der Tod einiger ranghoher IS-Funktionäre wurde bestätigt (siehe: Ist al-Baghdadi tot und der IS enthauptet? [5]).

Russland billigt Angriffe der syrischen Armee auf SDF

Aber der Wind scheint sich in Russland und bei der syrischen Regierung gedreht zu haben. Während Russland die SDF bis vor kurzem noch unterstützt hat und sich bspw. im Kanton Afrin als Beobachter zwischen die SDF und den türkischen Truppen geschoben hatte, billigt Russland im Moment die syrischen Angriffe auf die SDF bei Rakka und Tabqa.

Bisher koexistierten das syrische Militär und die SDF meist an den Stellen, wo sie im Zuge ihres jeweiligen Vormarsches gegen den IS aufeinander trafen. Die Regimetruppen SAA bestreiten Angriffe auf die SDF. Ihr Luftangriff hätte einem IS-Standort gegolten. Die russlandfreundliche Presse nahm dies unhinterfragt auf, obwohl der Pressesprecher der SDF Angriffe auf ihre Truppen von Seiten der syrischen Armee bestätigte.

Die SAA hätte versucht, die SDF aus schon befreiten Dörfern zu vertreiben. Sah es kürzlich noch so aus, als ob Russland versuchen würde, Assad von einem föderalen Syrien zu überzeugen, scheint es jetzt aus unterschiedlichen Interessen heraus ein Bündnis zwischen Syrien, Russland, Türkei und Iran zu geben, mit dem Ziel, eine demokratische nordsyrische Föderation zu verhindern. Dass mit diesen Aktionen der Kampf gegen die IS-Hauptstadt Rakka gefährdet wird, scheint zweitrangig.

Droht im Nahen Osten der Weltkrieg auszubrechen?

Davor warnte die Vorsitzende der Linken, Sarah Wagenknecht nach dem Abschuss [6] eines syrischen Kampfjets durch die USA. Die Situation drohe zu eskalieren, sagte Wagenknecht und forderte Bundeskanzlerin Merkel auf, die deutschen Soldaten sofort aus der Konfliktregion zu evakuieren [7].

Die Gefahr eines großen Krieges in der Region wächst in der Tat täglich. Es seien nur einige Konfliktfelder genannt, welche die Gesamtlage verzwickt und unübersichtlich machen: Es fing mit Trumps Besuch in Saudi-Arabien an. Dieser hatte die Isolation Katars seitens einer Reihe von arabischen Staaten zur Folge. Ziel ist es, die pro-iranischen, arabischen Länder und die Moslembrüder in Amerikas Sinne zu isolieren.

Das wiederum brachte die Türkei auf die Bühne, die Katar mit Truppenverstärkungen und Lebensmittelhilfen beispringt. Erdogan, der den Moslembrüdern ideologisch nahesteht, fürchtet das Ausbleiben katarischer Finanzspritzen für seine schwächelnde Ökonomie.

Zudem finanzierte Katar die sunnitisch-arabischen Proxytruppen der Türkei in Syrien. Der Emir von Katar, Sheikh Tamim bin Hamad Al Thani, bot Erdogan in der Nacht des Putschversuches am 15. Juli 2016 ein Flugzeug und Exil [8] an, das stärkte Erdogans Bindung an Katar noch zusätzlich.

Die Golfstaaten fordern ihrerseits Katar auf, die militärischen Beziehungen mit der Türkei zu kappen und den türkischen Militärstützpunkt zu schließen [9]. Iran wiederum unterstützt die irakisch-schiitische Miliz Hashd al-Shaabi, die es südlich der ezidischen Siedlungsgebiete im Shengal bis an die syrische Grenze geschafft hat. Iran erhofft sich dadurch einen Landkorridor bis nach Syrien.

Zeichen einer Eskalation

Die USA reagierte an der syrisch-irakischen Grenze bei al-Tanf mit dem Abschuss einer iranischen Drohne [10]. Auf gar keinen Fall soll Iran dem syrischen Regime zu Hilfe kommen können. Dazu unterstützen die USA und Großbritannien in Syrien in der Nähe der jordanischen Grenze die FSA (Freie Syrische Armee), von denen gesagt wird, sie würden den IS, bzw. al-Qaida unterstützen (siehe Al Tanf: Schlacht um syrisch-irakischen Grenzübergang in der Wüste [11]).

Die syrische Armee betrachtet die FSA als Islamisten und bekämpft sie. Ein weiterer Konfliktpunkt könnte Deir el-Zor sein. In der unwirtlichen Wüste gibt es einige Ölquellen, die Begehren wecken. Deir el-Zor ist auch der Knotenpunkt eines Landkorridors von Iran zum Mittelmeer. Die syrische Armee ist dort eingeschlossen, aber syrische Truppen rücken langsam vor und verdrängen den IS aus der Region [12].

Möglich wäre auch, dass die SDF von Nordwesten Richtung Deir el-Zor vorrücken. Dies wäre im Interesse der USA, da sie so mit Hilfe der nordsyrischen Föderation ihr Einflussgebiet ausweiten könnten. Für die nordsyrische Föderation könnte dies allerdings ebenfalls von Vorteil sein, weil sie dadurch eine weitere Verbindung zur irakischen Grenze hätten.

Es existiert zwar neuerdings eine Landverbindung südöstlich von Hasaka, nachdem die irakisch-schiitischen Hashd al Shabi-Milizen die Region südlich von Shengal eingenommen haben. Aber es ist noch unklar, ob es bei der Koexistenz zwischen SDF und Hashd al Shabi bleibt [13].

Mit den Grenzübergängen in diesem Gebiet könnte das Embargo der kurdischen Autonomieregion im Irak gegenüber der nordsyrischen Föderation umgangen werden. Dies ist wichtig um die vielen Binnen-Flüchtlinge aus den syrischen IS-Gebieten zu versorgen. Viele Syrer flüchten nämlich in die nordsyrische Föderation, weil sie sich dort sicherer und freier fühlen. Das "Modell Rojava" [14] macht Schule in ganz Syrien und das ist nicht im Interesse von Assads Regierungsapparat.

Damaskus auf Konfrontationskurs gegen nordsyrische Föderation

Daher setzt die Regierung nicht mehr allein auf friedliche Koexistenz, sondern geht wieder auf Konfrontationskurs. Der syrische Experte für bewaffnete Gruppen, Husma Shaib, bezeichnete die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in einem Interview [15] mit Sputnik als Ableger von Terrororganisationen und stellte sie mit al-Nusra und dem IS gleich.

Nun wurde das vor einiger Zeit gelockerte Embargo für die Region wieder verstärkt und man versucht die SDF bei Rakka auf die Gebiete nördlich und östlich des Euphrat zurückzudrängen. Ihnen wird vorgeworfen, ihr Gebiet ausdehnen zu wollen.

Dabei übergeben die SDF die von ihnen befreiten Gebiete an die lokale Bevölkerung, die dann entscheidet, ob sie sich mit eigenen Rätestrukturen der Föderation anschließen will, oder ob sie unter der Herrschaft der syrischen Zentralregierung verbleiben will. Immer wieder gibt es Dialog-Angebote an die Assad-Regierung über eine strukturelle Machtveränderung der Macht: weg von einem autoritären Zentralregime hin zu einem demokratischen föderalen System.

Dass sich die Mehrheit der von den SDF befreiten Dörfer und Städte für das föderale System entscheidet zeigt, dass es unter der nordsyrischen Bevölkerung wenig Vertrauen in das Assad-Regime gibt. Diese Gemengelage wird sowohl von Russland, wie auch von den USA ausgenutzt. Russland stärkt Assad den Rücken, um seine eigenen territorialen Interessen zu sichern. Die nordsyrische Bevölkerung interessiert da nicht wirklich.

Unterstützt wird die Miliz, die gerade nützlich ist. Das dürfen dann auch mal die von der Türkei unterstützten Proxytruppen in der Sheba-Region sein. Die USA dagegen wollen nach wie vor Assad stürzen und durch ein ihnen genehmeres Regime ersetzen, oder, wie auch vielfach fabuliert, Syrien in verschiedene Einflusssphären aufteilen.

Das "Dreiländereck" zum Irak und Jordanien

Die syrische Armee hingegen will möglichst große Teile des ölreichen Hinterlandes unter ihre Kontrolle bringen und einen Landkorridor zum Irak herstellen. Dazu wurden Einheiten aus Aleppo sowie Hisbollah-Kämpfer aus der Umgebung von Damaskus nach Osten in die Region um die Wüstenstädte Deir el Zor, Mayadin und al-Bukamal herum verlegt.

Für die syrische Regierung ist das enorm wichtig, denn wer das Dreiländereck zum Irak und Jordanien entlang des Euphrats als erster erobert, der kontrolliert künftig den Osten Syriens und hat nach dem Zusammenbruch des IS beste Ausgangspositionen für künftige Einflussgebiete.

Idlib und Afrin

Im Westen, rund um die Provinz Idlib, braut sich ein weiterer Konflikt zusammen. Syrische und russische Truppen verdrängen auch dort die Islamisten. Die unmittelbare Nachbarschaft zum Kanton Afrin der nordsyrischen Föderation wirft jedoch Probleme auf: Der Kanton Afrin beherbergt mittlerweile 50-60.000 arabische Flüchtlinge aus dem türkisch besetzten Gebiet Al-Bab und aus Aleppo.

Die Bevölkerung von Afrin umfasst ca. 800.000 bis eine Million Einwohner, die YPG/YPJ-Armee umfasst mehr als 20.000 Mitglieder. Etwa 80 Prozent der überwiegend kurdischen Bevölkerung unterstützen die SDF und die Föderation. Das ruft wiederum die türkische Regierung auf den Plan. Erdogan hat große Sorgen wegen der Rojava gegenüber überwiegend freundlich gesonnenen Bevölkerung jenseits der Grenze im türkischen Hatay.

Hinzu kommt, dass sich die von der Türkei ausgebildeten und finanzierten islamistischen Milizen im Dreieck Azaz-Jarablus-Al-Bab im Moment gegenseitig bekriegen und massenhaft Menschen aus diesen türkisch besetzten Gebieten fliehen. Die nordsyrische Föderation hat allein in Manbij 170.000 Flüchtlinge aus Gebieten des IS und den türkisch besetzten Gebieten aufgenommen.

Die syrische Regierung hat nun überraschend die wichtigste Handelsstraße, die "Aleppo-Afrin-Straße", sperren lassen. Dadurch können wichtige Waren wie Arzneimittel oder Lebensmittel nicht mehr den isolierten Kanton gebracht werden. Es wird berichtet [16], dass alle festgenommen werden, die versuchen, über diese Straße in das kurdische Gebiet zu gelangen.

Türkei verstärkt Präsenz in Sheba-Region

In den letzten Tagen verlegte die Türkei weitere Truppen und Kriegsgerät in die von ihr kontrollierten Gebiete in der Sheba-Region. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete [17], die Truppen seien auf dem Weg in die von der kurdischen YPG und den SDF kontrollierte Region südlich der Stadt Azaz.

Es wird ein bevorstehender Angriff auf Afrin befürchtet. Der YPG-Sprecher Nuri Mehmud sagte [18] in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Sputnik: "Die Türkei zieht ihre Kräfte bei Mare und Azaz zusammen. Wir können zwar nicht sagen, wie viele Einheiten insgesamt verlegt wurden, jedoch kann man davon ausgehen, dass es sich um große Mengen handelt. Es gibt bereits jetzt täglich Angriffe auf Afrin, diese könnten sich verstärken."

Am vergangenen Wochenende griffen [19] die Islamisten von Ahrar al-Sham mit Unterstützung der türkischen Truppen die Dörfer Iska und Basufane im Kanton Afrin mit Mörsern und weiteren schweren Waffen an. Ob es eine Absprache zwischen der Türkei und der syrischen Regierung gab oder ob die zeitgleichen Aktionen zufällig stattfanden, lässt sich nicht verifizieren.

Es stimmt allerdings nachdenklich, dass Russland zu dieser Entwicklung schweigt. Noch vor kurzem schoben sich russische Einheiten in Afrin an der Grenze zur Türkei zwischen YPG und türkische Truppen jenseits der Grenze, um den Beschuss des Kantons durch die Türkei zu unterbinden.

Die Bewohner Afrins und der Sheba-Region vermuten, dass es sich um einen gemeinsamen Plan der Türkei, Russlands und des syrischen Regimes handeln könnte, denn es sei unwahrscheinlich, dass sich türkische Truppen ohne Zustimmung Russlands Richtung Afrin bewegen.

Ziel dieses Planes könnte sein, das türkisch kontrollierte Gebiet auf die Provinz Idlib auszuweiten. Der türkische Regierungssprecher Ibrahim Kalin erklärte, die Türkei, Iran und Russland würden an einer De-Eskalationszone im Norden Syriens arbeiten. Die Türkei und Russland könnten Truppen in die Provinz Idlib entsenden, die von der Al-Qaida-nahen Organisation Ahrar al-Sham kontrolliert wird. Dies würde den Druck auf den Kanton Afrin weiter verschärfen.

Seit Monaten steht der Kanton sowohl von türkischer Seite als auch von syrischer Seite durch die türkischen Proxytruppen unter Beschuss [20]. Die USA betonten, sie würden in diesen Gebieten nicht intervenieren. Sie appellierten an alle Parteien, sich auf den Kampf gegen den IS zu konzentrieren. Schon seit längerem ist eine Intensivierung der Kontakte zwischen der Türkei und Iran in der Sheba-Region zu beobachten.

Denkbar ist, dass die Türkei sich über iranische Vermittler mit der syrischen Regierung über die Bekämpfung der syrischen Kurden und ihrer Verbündeten verständigt. Assad war ja bereits einmal vor 2011 "best friend" von Erdogan. Beide verbrachten sogar gemeinsame Urlaubstage. Erst wegen Erdogans Unterstützung islamistischer Gruppen in Syrien wie der FSA verwandelte sich die Freundschaft in offene Feindschaft.

Ethnische Säuberungen in der Sheba-Region

Haci Ahmed, der Kommandant der zu der SDF gehörenden Armee der Revolutionäre (Jaysh al-Thuwar), berichtet [21], dass die von der Türkei unterstützten islamistischen Milizen al-Nusra, Ahrar al-Sham und die Sultan-Murad- und Yavuz-Sultan-Selim-Brigaden die angestammte Bevölkerung der Sheba-Region zwischen Jarablus und Azaz gezielt vertreiben.

Sie würden die Menschen, die nicht fliehen, entführen, foltern und ermorden sowie das Eigentum der Geflohenen beschlagnahmen. Nur durch Lösegeldzahlungen könnten sie sich freikaufen und fliehen. Die Häuser und das Eigentum der Vertriebenen würden an Turkmenen übergeben, um so eine Rückkehr der Bewohner zu verhindern.

Die dort angesiedelten Turkmenen sollen dann das Gebiet kontrollieren. Dies sei die Politik der Türkei, um die Demographie zu Ungunsten der kurdischen Stammbevölkerung zu verändern.

Der Kommandant berichtet über Ansiedlungen von Arabern aus Damaskus, Hama und Homs sowie von Turkmenen aus Turkmendağı und Idlib. Auch er weist auf eine Zusammenarbeit mit Iran und der syrischen Regierung hin. Die turkmenischen Brigaden seien allesamt in militärischen Ausbildungszentren in der Türkei ausgebildet worden, berichtet Ahmed.

Zudem würden die türkischen Truppen und ihre Milizen alle historischen Gebäude in den Städten zerstören und überall Fotographien von Atatürk aufstellen. Bei al-Bab hätten sie eine Militärbasis im Scheich Akil Hügel gebaut, um die militärische Kontrolle über die Region zu halten.

Mitte Juni überfielen die Proxytruppen unter Befehl des türkischen Offiziers Ramazan Osmanoğlu mehrere Dörfer in der Shehba-Region, darunter Til Circî, Sosinbat, Numan, Qibşîh und Kelben. 100 Kurden wurden entführt. Sie entwendeten die Autos, die Handys und das Geld der Dorfbewohner. Sie schlugen die Frauen und Kinder und drohten [22]: "Du wirst Zeuge sein für etwas, das schlimmer ist als der IS, wir werden das tun, was sie nicht mit dir gemacht haben" und "Du Kurde hast keinen Platz in diesen Dörfern. Was zum Teufel machst du hier und warum gehst du nicht?" Im Dorf Zulud wurden 40 neue Familien angesiedelt und dafür 20 kurdische Familien vertrieben [23].

Machtkampf zwischen den islamistischen Gruppen in al-Bab

Mitte Juni brachen in der nordsyrischen Stadt heftige Kämpfe zwischen den türkischen Proxytruppen aus. Die Hamza-Brigade geriet mit der Faylq al-Sham-Division, Ahrar al-Sham und dem 1. Regiment der FSA aneinander. Dabei attackierte [24] die Hamza Brigade das Hauptquartier der FSA und exekutierte 15 Mitglieder, Dutzende wurden verletzt.

Die Gründe für die Zusammenstöße blieben im Unklaren. Wahrscheinlich ging es um Einflussgebiete der Warlords, um Waffen und Geld. Lokale Quellen berichteten, dass der Konflikt wegen dem zunehmenden Einfluss von Tahrir al-Sham, einer Miliz, die unter dem Dach von al-Nusra operiert, auf die türkisch kontrollierten Gebiete ausgebrochen war.

Im Februar übernahmen die von der Türkei unterstützten Milizen die Stadt vom IS und teilten sie in diverse Einflusszonen auf. Die Türkei sandte Kriegsflugzeuge, Panzer und Artillerie, um die sunnitischen, arabischen Einheiten zu unterstützen. Sie sollten den weiteren Vormarsch der Armee der Nordsyrischen Föderation verhindern.

In der Stadt Maarat al in der nordwestlichen Provinz von Idlib brachen ebenfalls Kämpfe [25] zwischen Tahrir al-Sham, der Abspaltung von al-Qaida, und einer vom Westen unterstützten Gruppe der FSA aus.

Der Kommandant der Manbij-Brigade und alle seine Kämpfer verließen Mitte Juni das Bündnis des türkischen "Euphrat-Schild". In der Begründung [26] hieß es, die Operation Euphrat-Schild stelle eine türkische Invasion und eine Besetzung ihres Heimatlandes dar. Auch 60 Kämpfer der Sultan-Murat-Brigade verließen das Bündnis und liefen entweder zu den Regierungstruppen oder zu den SDF über.

Wachsende Besorgnisse in China

Ein Reporter des Al Aan TV aus Dubai berichtete über die Ansiedlung von 10-20.000 islamistischen chinesischen Uiguren in der Provinz Idlib. Auch hier gebe es einen massiven Eingriff in die Demographie der Provinz. Die chinesische Regierung ist beunruhigt. Seit 2012 beobachtet sie die zunehmende Ausreise islamistischer Uiguren nach Syrien. Generalmajor Jin Yinan warnte, chinesische Militante der Ostturkestanischen Islamischen Bewegung (ETIM) /Turkistanische Islamische Partei (TIPP) würden sich den Islamisten in Syrien anschließen.

TIPP strebt die Einrichtung eines islamischen Kalifats in Xinjiang in China an. Die chinesische Regierung warf 2015 der Türkei vor, über die türkischen Botschaften falsche Pässe für die Uiguren auszustellen, damit sie über die Türkei nach Syrien einreisen können, um sich dem Dschihad anzuschließen.

Uigurische Flüchtlinge bestätigten, dass sie von der türkischen Botschaft in Malaysia mit den nötigen Papieren versehen worden waren. Ein israelischer Geheimdienstbericht brachte ans Licht, dass es in den Reihen von Ahrar al-Sham um die 5.000 chinesische militante Uiguren gibt [27].


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[1] https://anfenglish.com/news/we-were-waiting-for-you-we-knew-you-would-save-us-20498
[2] https://anfenglish.com/news/22-isis-members-killed-in-raqqa-since-yesterday-20494
[3] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1254524204670158&set=pcb.1254524991336746&type=3&theater
[4] http://www.rojavanews.net/syrien/item/538-russland-is-fuehrer-baghdadi-getoetet
[5] https://www.heise.de/tp/features/Ist-al-Baghdadi-tot-und-der-IS-enthauptet-3755328.html
[6] https://www.heise.de/tp/features/Kollektive-Selbstverteidigung-F-A-18E-Super-Hornet-schiesst-syrische-Suchoi-Su-22-ab-3746838.html
[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article165767842/Wagenknecht-warnt-vor-Weltkrieg-zwischen-USA-und-Russland.html
[8] http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/06/five-arab-states-sever-qatar-turkey-worried.html
[9] https://www.heise.de/tp/features/Machtkampf-im-Nahen-Osten-Katar-soll-sich-gefuegig-zeigen-3754624.html,http://www.tagesschau.de/ausland/katar-forderungen-101.html
[10] https://www.heise.de/tp/features/Eskalation-in-Syrien-3750279.html
[11] https://www.heise.de/tp/features/Al-Tanf-Schlacht-um-syrisch-irakischen-Grenzuebergang-in-der-Wueste-3751696.html
[12] http://www.rojavanews.net/syrien/item/568-aktivisten-syrische-armee-dringt-in-vom-is-gehaltene-provinz-deir-essor-vor
[13] https://www.heise.de/tp/features/Irak-Shengal-als-geopolitisches-Schachbrett-3736706.html
[14] https://www.heise.de/tp/features/Das-Modell-Rojava-3367894.html
[15] https://de.sputniknews.com/panorama/20170607316063626-demokratische-kraefte-syriens-auch-terroristen/
[16] http://www.rojavanews.net/kurdistan/item/561-eilmeldung-assad-regime-startet-embargo-gegen-rojava
[17] http://uk.reuters.com/article/uk-mideast-crisis-syria-turkey-idUKKBN19C2IJ
[18] http://www.rojavanews.net/kurdistan/item/563-ypg-sprecher-tuerkei-bereitet-sich-auf-einen-angriff-vor
[19] http://www.rojavanews.net/kurdistan/item/570-jihadisten-attackieren-afrin
[20] http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/06/turkey-sends-reinforcements-northern-syria.html
[21] https://anfenglish.com/rojava/turkish-persian-cooperation-in-shehba-20337
[22] https://anfenglish.com/rojava/turkish-persian-cooperation-in-shehba-20337
[23] https://www.heise.de/tp/features/Syrien-Warum-Rojava-entscheidend-ist-3695738.html
[24] https://anfenglish.com/news/fight-among-turkey-allied-gangs-15-dead-20425
[25] https://komnews.org/fighting-breaks-amongst-syrian-rebels-city-al-bab/
[26] http://syriancivilwarmap.com/rebel-group-manbij-brigade-defected-reached-government-areas/
[27] http://blogs.timesofisrael.com/chinese-uyghur-colonies-in-syria-a-challenge-for-beijing/