Syrisch-kurdische Selbstverwaltung fordert Rücknahme von IS-Terroristen
Bundestag erkennt Genozid an Eziden an. Auch deutsche Staatsbürger sind in Nord- und Ostsyrien wegen IS-Kriegsverbrechen inhaftiert. Das bereitet der Region Probleme.
Der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) schlossen sich, als sie erfolgreich war, Islamisten aus aller Welt an – darunter auch deutschstämmige Konvertiten und deutsche Staatsbürger, deren Familien vor längerer Zeit in die Bundesrepublik eingewandert waren und keiner fundamentalistischen Strömung angehörten.
Bereits im Dezember 2013 hatte eine Gruppe türkischstämmiger Väter in Berlin deutsche Sicherheitsbehörden vor der Agitation der Dschihadisten und deren Rekrutierungsversuchen unter hier aufgewachsenen Jugendlichen gewarnt. Mit einem Betätigungsverbot für den IS ließ sich das Bundesinnenministerium aber noch mehr als ein Dreivierteljahr Zeit.
Für die deutschen Staatsbürger unter den IS-Kriegsverbrechern, die zur Zeit in Nord- und Ostsyrien inhaftiert sind, soll nun auch die deutsche Justiz Verantwortung übernehmen – das forderte an diesem Donnerstag die Vertretung der dortigem Selbstverwaltung. Aktueller Anlass war die Bundestagsabstimmung über die Anerkennung der IS-Massaker an der ezidischen Bevölkerung im Nordirak vom August 2014 als Völkermord. Die Abgeordneten votierten einstimmig für die von der Ampel und der Union vorgelegte Resolution.
Der IS hatte mit der Ermordung vor allem von Männern sowie mit der Versklavung von Frauen und Kindern auf die Auslöschung der Eziden als Gruppe abgezielt. Durch die Volksverteidigungskräfte der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die Verstärkung durch die syrisch-kurdischen Volks- und Frauenverteidigungskräfte (YPG und YPJ) aus Rojava wurde der Genozid gestoppt.
Mehr als 1.000 relevante Ausreisen
Die Vertretung der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) in Deutschland erinnerte in einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung daran, dass unter den Tätern auch deutsche Dschihadisten gewesen seien. Die Vertretung wies darauf hin, dass laut Verfassungsschutz seit 2012 mehr als 1.000 Ausreisen deutscher Staatsangehöriger zum IS registriert wurden – darunter allerdings auch inzwischen Gefallene.
In den Gefängnissen der AANES sollen sich insgesamt noch mehr als 12.000 IS-Dschihadisten aus 50 Staaten befinden – und in den Internierungslagern Zehntausende Familienangehörige. Dabei handle es sich zu großen Teilen um nach wie vor überzeugte IS-Anhänger, die den Terror in den Lagern fortzusetzen versuchen.
Im interfraktionellen, von SPD, Grünen, FDP und der Union unterzeichneten Antrag zur Anerkennung des Genozids wurde gefordert, "die juristische Aufarbeitung und Verfolgung von IS-Täterinnen und -tätern in Deutschland weiterhin konsequent durchzuführen und auszubauen".
"Sie warten nur darauf, aus unseren Gefängnissen auszubrechen"
In der Vergangenheit hatte es in Kooperation zwischen der Bundesregierung und der Selbstverwaltung immer wieder Rückholaktionen von Frauen und Kindern aus IS-Familien gegeben.
Khaled Davrisch, Repräsentant der Selbstverwaltung von Nordostsyrien in Deutschland, betonte am Donnerstag, diese Rückholaktionen müssten ausgeweitet werden – besonders auf die männlichen IS-Mitglieder. "Denn diese warten nur darauf, aus unseren Gefängnissen auszubrechen und weitere Verbrechen zu begehen."
Vor einem Jahr hat es bei einem IS-Angriff und Massenausbruchsversuch aus einem Gefängnis in Hasaka im Nordwestens Syriens mehr als 60 Tote gegeben.
Anders als im von Damaskus kontrollierten Teil Syriens ist in Rojava die Todesstrafe abgeschafft. Die sichere Inhaftierung der IS-Kriegsverbrecher bereitet der Selbstverwaltung aber massive Probleme und verschlingt Ressourcen, die für den Wiederaufbau und die Verteidigung des Gebiets benötigt werden.