Syrische Kurden: Annäherung an Russland
Das hochrangige Treffen in Moskau verärgert die Türkei
Die Kurden der Selbstverwaltung im Nordosten Syriens haben allen Grund die Türkei und die mit ihnen verbündeten islamistischen Milizen zu fürchten. Nach jüngsten Meldungen häufen sich die Entführungen von kurdischen Frauen in Afrin wie auch Bestätigungen dafür, dass die Besatzung der von der Türkei eingenommenen syrischen Gebiete auf eine "Türkifierung" hinausläuft (siehe auch hier).
Dass die islamistischen Milizen in den besetzten Gebieten brutal vorgehen, ist bekannt. Laut Beobachtungen des US-Africa-Command bestätigen sie ihren üblen Ruf auch bei ihrem Einsatz in Libyen. Interessant hierzu ist ein Artikel, der vor einigen Tagen in einer US-Militärpublikation erschien, wonach der türkische Geheimdienst das CIA-Unterstützungsprogramm syrischer Oppositionsmilizen dazu nutzte, Islamisten nach eigenen Interessen zu rekrutieren.
Große Teile der von den USA unter Obama mit reichlich Geld (insgesamt mehr als eine Milliarde Dollar) unterstützten islamistischen Milizenführer und Milizen sollen sich demnach nun unter den Verbündeten der Türkei in den von ihr besetzten Zonen Nordsyriens wiederfinden.
Mehrmals wurde an dieser Stelle auch darüber berichtet, dass die Türkei einen beträchtlichen Teil der Wasserversorgung der von den Kurden verwalteten Gebiete in Nordostsyrien kontrolliert und es immer wieder große Problem gibt, wenn das Wasser ausbleibt.
Das ist der Hintergrund für eine relativ kleine, aber nicht unbedeutende Meldung. Sie berichtet von einer Annäherung zwischen Russland und der Führung des SDC, dem politischen Arm der SDF. Das Treffen fand in Ende August in Moskau statt und auch Außenminister Lawrow stieß hinzu. Das setzte die Zusammenkunft auf eine diplomatische Ebene, die Beachtung fand.
Etwa zeitgleich war noch eine türkische Delegation zu Gast, die sich allerdings mit rangniedrigeren russischen Vertretern begnügen musste. Umso stärker war die Verärgerung in Ankara. Die türkische Regierung reagierte auf den Empfang der Kurden in Moskau mit Kritik, ebenso die Vertretung der syrischen Opposition in Istanbul und auch in den USA wird das Moskauer Treffen wahrscheinlich nicht mit ungeteilter Freude aufgenommen worden sein.
Zwar gab es vonseiten der US-Regierung keinen offiziellen Kommentar, aber die US-Politik im Nordosten Syriens sei weder an einer russisch-kurdische Annäherung noch an einer Annäherung zwischen den Vertretern der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus interessiert, wie Amberin Zaman von al-Monitor kommentiert.
Getroffen haben sich in Moskau eine kurdische Delegation unter Leitung der Präsidentin des SDC, Ilham Ahmed, sowie eine syrische Delegation unter Leitung des Politikers Qadri Jamil, der von Mitte 2012 bis Herbst 2013 der syrischen Regierung angehörte, und in der Führung der syrischen "Partei des Volkswillens" (Hizb Iradat Al-Sha'ab, engl. People's Will Party) sitzt.
Die Partei gehört zur parlamentarischen Opposition in Syrien und wird, wohl auch wegen der kommunistischen Herkunft, als russlandfreundlich geschildert. Qadri Jamil spricht fließend Russisch. Aus der Nähe zu Russland und ihrer Brückenfunktion bezieht die kleine Partei größere Bedeutung, und die Verbindung war wohl auch ausschlaggebend für das Treffen inklusive Fototermin mit Lawrow.
Der nächste Fahrplan
Vereinbart wurde ein Memorandum of Understanding, mit ein paar bemerkenswerten Punkten. So wird im Zusammenhang mit der Einheit Syriens der Abzug aller von der syrischen Regierung nicht eingeladenen, ausländischen Truppen gefordert. Das würde die US-Soldaten einschließen. Auch die Forderung, die die Dezentralisierung betont und dass die autonome kurdischen Verwaltung notwendig in eine zukünftige politische Ordnung Syriens einbezogen werden soll, gehört zu den Akzenten, die die Vereinbarung setzt.
Dass die SDF später in die syrische Armee integriert werden soll, ist schon in früheren "Fahrplänen" aufgetaucht. Nun haben die Bemühungen der russischen Vermittlung zwischen den Kurden, die Rojava verwalten, und der Regierung in Damaskus bislang keine wirklichen Ergebnisse erbracht. Baschar al-Assad hält, soweit man das erkennen kann, an der bisherigen Regierungsform mit einer starken Zentralmacht fest und es hieß, dass er zu keinen Konzessionen bereit ist, die Autonomie-Wünsche der Kurden betreffen.
So hat die Nachricht vom Treffen erstmal nur Signalcharakter. Die Kurden wollen sich dagegen absichern, dass die Türkei mit dem Einverständnis Russlands weiter die nächste Invasion in ihr Gebiet starten, so die Erklärung im al-Monitor-Artikel. Das ist mit diesem Treffen und dem Memorandum of Understanding nicht garantiert, aber dass sich Lawrow dazu positiv erklärte, ist schon ein diplomatischer Schritt.
Darüber hinaus haben die Kurden durch ihre Verbindung mit der syrischen Partei des Volkswillens einen direkten Ansprechpartner für die Genfer Verhandlungen und im verfassungsgebenden Komitee, bei beiden sitzt die Oppositionsparte mit am Verhandlungstisch. Die Türkei hatte verhindert, dass die Kurden dort vertreten sind.
Inwieweit dem Treffen in Moskau weitere reale politische Wirkung beikommt, könnte sich auch daran zeigen, ob es mit Einfluss der russischen Regierung gelingt, das Wasserproblem abzustellen. Zu den Wünschen, die die kurdische Delegation angesprochen hatte, gehörte auch die Bitte, dass Russland die Türkei dazu auffordert, wieder das Wasser nach Nordostsyrien fließen zu lassen