Syrische Opposition trifft sich in Nordsyrien
Seite 2: Neue Pläne der USA in Nordsyrien?
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Unterdessen verfolgen die USA bekanntermaßen im Syrienkrieg ihre eigenen Ziele. Nach einer anonymen Quelle aus der nordsyrischen Kantonsstadt Al-Qamishli will die USA, wie KDP-nahe, kurdische Internetplattform in Erbil/Nordirak BasNews berichtet, nach dem Sieg über den IS im Osten von Syrien "ein neues politisches System bilden, das alle politischen Oppositionellen einschließt".
Demnach fordern die USA von der nordsyrischen Partei der Demokratischen Union (PYD), mit dem kurdischen Nationalrat (der Barsani-treue, national-konservative ENKS, Anm. d. Verf.) und den arabischen und syrischen Oppositionskräften in Kontakt zu treten, um ein neues politisches System im Nordosten Syriens zu bilden. Die PYD solle sich zudem von der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) lossagen und einen anderen Kurs gegenüber anderen politischen Oppositionsgruppen einschlagen.
Nun ist der ENKS allerdings ein Zusammenschluss jener Oppositionsparteien, die sich - im Gegensatz zu anderen Oppositionsparteien - immer verweigert haben, sich als Oppositionspartei bei den Wahlen in der demokratischen Föderation Nordsyrien zu beteiligen. Der ENKS arbeitet eng mit der Türkei zusammen und ist ein Ableger der national-konservativen kurdischen Partei im Nordirak (KDP). In Afrin wurden Mitglieder des ENKS von der Türkei in den Verwaltungsrat nominiert. Er unterstützt auch die "syrische Exilregierung" in Istanbul. Deutschland ist übrigens auch einer der Financiers des ENKS: "Über das Europäische Zentrum für Kurdische Studien (EZKS), dessen Schatzmeister das auch in Deutschland bekannte ENKS Mitglied Siyamend Hajo ist, unterstützte die Bundesregierung den ENKS direkt mit rund 364.753 Euro. Insgesamt hat die Bundesregierung zwischen 2013 und 2017 den Projekten von Siyamend Hajo in Rojava/Nordsyrien rund 958.838 Euro zukommen lassen. Dies wurde zwischenzeitlich durch eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die LINKE) bekannt."
Die PYD hat in der Vergangenheit immer wieder das Gespräch mit dem syrischen Ableger der irakischen KDP, der KDP-S, gesucht, um sie mit in den demokratischen Aufbau der Region einzubinden, was von dieser kategorisch abgelehnt wurde. Erst vor Kurzem gab es ein Treffen zwischen der PYD und der KDP in Erbil, bei dem es um mögliche Vereinbarungen ging, über ideologische Differenzen hinweg gemeinsam den demokratischen Prozess in Nordsyrien voranzutreiben. Ergebnisse sind bislang nicht bekannt geworden.
Die Äußerungen der KDP-S-Quelle scheinen im Zusammenhang mit den Bemühungen der KDP-S zu stehen, sich bei dem gegenwärtigen Tauziehen, wer nun die Macht über Nordsyrien bekommt, wieder ins Gespräch zu bringen. Nicht ganz falsch liegt der Informant mit der Einschätzung, dass das Ziel der Strategie der USA sei, einerseits die Türkei zu befriedigen und andererseits ein starkes System in der Region aufzubauen. Richtig ist auch, dass es im Interesse Washingtons ist, Einfluss auf den Aufbau eines neuen politischen Systems zur Stabilisierung ihres Einflussbereichs in Ost- und Nordsyrien zu nehmen, da die USA und ihre westlichen Alliierten über einen längeren Zeitraum im Land bleiben werden.
Seine Einschätzung, dass die Rolle der PYD nach der Eliminierung des Islamischen Staates (IS) in der Region schwächer werde, während einige neue politische Kräfte auftauchen (damit meint er der die national-konservative Partei KDP-S, Anm. d. Verf.) und diese sowohl regional als auch international akzeptiert werden würden, ist allerdings hypothetisch, wenn auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Er begründet seine Einschätzung damit, dass die USA nach der Eliminierung des IS in der Region die Kader der PKK entfernen und mit Zustimmung der Türkei neue örtliche Streitkräfte aufbauen würden. Mit Kadern der PKK meint er die Führungskräfte der Partei PYD, denen vom Westen und der Türkei gebetsmühlenartig unterstellt wird, Kader der PKK zu sein.
Man muss einmal vor Ort gewesen sein, um zu verstehen, dass der Bezug auf den Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, nichts mit Führerkult zu tun hat und die Führungskräfte der Selbstverwaltung von der Bevölkerung gewählte Bürger der Region sind, die sich auf Öcalan als Ideengeber des demokratischen Konföderalismus berufen, der die Grundidee der Selbstverwaltungsstruktur entwickelt hat. Längst wurden und werden die derzeitigen Strukturen den Realitäten angepasst - aber, und das ist wirklich bewundernswert in den eigentlich autoritär, patriarchalisch und klientelistisch strukturierten Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens, die Grundpfeiler "Gleichberechtigung der Geschlechter, Beteiligung aller Identitäten (Ethnien, Religionen) und Basisdemokratie" werden nicht relativiert. Im Qualitätsmanagement nennt man das KVP-kontinuierlicher Verbesserungsprozess, in der Politik müsste man das eigentlich würdigen unter dem Label: gelebte Demokratie.