Tadschikistan: Verdrängte Diktatur

Altkommunist Rahmon fördert ein säkulares Regime, unterdrückt die Opposition und stärkt damit auch den islamististischen Extremismus

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Emomali Rahmon ist bekannt für seine buschigen Augenbrauen. Außerdem ist der stämmige Altkommunist Präsident der zentralasiatischen Republik Tadschikistan - und regiert dort schon in vierter Amtszeit. Obwohl in Tadschikistan im regelmäßigen Takt Wahlen abgehalten werden, hat sich der Staat in den letzten Jahren zu einer repressiven Diktatur entwickelt.

Emomali Rahmon (2014). Bild: Sulton1987. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Rahmon, eigentlich als Emomali Sharipovich Rahmonov auf die Welt gekommen, regiert das Land mit eiserner Faust. Er und seine korrupte Machtelite verkörpern den tadschikischen Staat, der einst zur Sowjetunion gehörte und seit dem Fall des Eisernen Vorhanges bitterarm ist. Für seinen protzigen Präsidentenpalast, den er regelmäßig auch westlichen Staatschefs vorführt, machte Rahmon trotzdem eine dreistellige Millionensumme locker.

Kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion brach in Tadschikistan ein blutiger Bürgerkrieg aus. Der Zorn der ländlichen Bevölkerung, die bis heute den Großteil des Landes ausmacht, richtete sich gegen die damalige Machtelite, die ein Überbleibsel der sowjetischen Diktatur darstellte. Der Krieg, der von 1992 bis 1997 ging, kostete 50.000-100.000 Tadschiken das Leben. Während die tadschikische Regierung vom postkommunistischen Usbekistan sowie von Russland unterstützt wurde, fanden sich auf der anderen Seite - der sogenannten Vereinigten Tadschikischen Opposition - vor allem islamisch geprägte Parteien und Gruppierungen, bedeutend war vor allem die Islamische Wiedergeburtspartei Tadschikistans (Hizb-e Nazat-e Islami Tajikistan). Allerdings ließen sich auch ausländische Akteure wie die afghanische Jamiat-e Islami, deren Kriegsfürsten damals in Kabul regierten, finden. Selbiges betraf im späteren Verlauf auch Mitglieder der afghanischen Taliban sowie einzelne Zellen der Al-Qaida.

Letztendlich wurde der Krieg beendet, indem die beteiligten Akteure einen Kompromiss schlossen, der vor allem seitens Emomali Rahmons, der schon damals an der Macht war, dominiert wurde. Seitdem regiert Rahmon das Land, bedient sich äußerst repressiver Methoden, vertritt weiterhin radikal-säkulare Ansichten wie zu Sowjetzeiten und spielt auch nationalistische Töne. So änderte er unter anderem seinen Namen, indem er jegliche slawisch-russische Anspielungen entfernte und seine Bürger dazu aufrief, selbiges zu tun. Des Weiteren forderte Rahmon die Tadschiken auf, ihren Kindern traditionelle, tadschikische, sprich, persische Namen zu geben und auf arabische Namen, die aufgrund des islamischen Einflusses stark verbreitet sind, zu verzichten.

Säkulare Diktatur

Es ist vor allem der islamisch geprägte Bevölkerungsanteil, der unter Rahmon leidet und sich immer mehr in einstige Sowjetzeiten zurückversetzt fühlt. Die absolute Mehrheit Tadschikistans besteht aus sunnitischen Muslimen. Zu Zeiten des Sowjet-Regimes verschwanden viele ihrer politischen und geistlichen Führer ähnlich wie in anderen sowjetischen Staaten in Zentralasien in den Folterkellern der Geheimdienste. Nachdem der Bürgerkrieg der postkommunistischen Ära ein Ende fand, wurde der Islamischen Wiedergeburtspartei die politische Partizipation im Land offiziell gestattet. Zumindest wurde dieser Anschein erweckt.

Im Laufe der darauffolgenden Jahre kam es jedoch zu immer mehr Repressalien seitens der Regierung. Die Vorwürfe, Rahmons Regierung würde die Wahlvorgänge beeinflussen, um einen möglichen Aufstieg der Wiedergeburtspartei, die 1999 die zweitgrößte Partei im Land darstellte, zu verhindern, wurden lauter.

Zeitgleich erließ Rahmon zahlreiche Gesetze, die von Beobachtern als gezielt anti-islamisch bewertet werden. Seit 2005 ist es weiblichen Studenten nicht gestattet, in sogenannten "säkularen Schulen" ein Kopftuch zu tragen. Zahlreiche Moscheen wurden in den letzten Jahren von der Regierung geschlossen, einige teils zerstört oder für andere Zwecke umgebaut. Allein seit 2011 wurden mindestens 1.500 weitere Moscheen geschlossen. Minderjährigen ist es nicht gestattet, an Freitagsgebeten teilzunehmen. Des Weiteren ist das Tragen langer Bärte verboten, außerdem darf nicht mittels Lautsprechern - wie in vielen islamisch geprägten Ländern üblich - zum Gebet aufgerufen werden. Frauen ist der Zugang in Moscheen nicht gestattet.

Diese anti-religiöse Politik, die dem Staat in den letzten Jahren viel Kritik eingebracht hat, betrifft allerdings nicht nur Muslime, sondern auch andere Religionsgemeinschaften, etwa Juden oder Christen. 2007 wurden die Zeugen Jehovas gar für illegal erklärt.

Jagd auf Opposition

Auf politischer Ebene zielt die religionsfeindliche Politik allerdings vor allem darauf ab, politische Gegner mundtot zu machen. Zahlreiche Kritiker und Oppositionelle verschwanden in den letzten Jahren systematisch von der Bildfläche. Im vergangenen März wurde etwa Umarali Quvvatov, ein führender Oppositionspolitiker, in Istanbul ermordet. Man geht davon aus, dass die Regierung mit der Ermordung in einem direkten Zusammenhang steht. Quvvatov war ein erfolgreicher Geschäftsmann und pflegte einst enge Verbindungen zur Familie von Präsident Emomali Rahmon. Nachdem er sich jedoch der Opposition anschloss, verließ er Tadschikistan aus Angst um sein Leben.

Des Weiteren richteten sich zahlreiche Repressionen der vergangenen Monate gegen die Islamische Wiedergeburtspartei. Im April wurde Mahmadali Hayit, einer der führenden Köpfe der Partei, in der Nähe seiner Wohnung in Duschanbe von unbekannten Männern angegriffen. Im Nachhinein meinte Hayit, dass er gewusst habe, seit längerer Zeit unter Beobachtung zu stehen. Außerdem sollen sich mehrere Personen, wahrscheinlich Agenten der Regierung, nach seinem Aufenthaltsort erkundigt haben.

Im vergangenen Mai wurde Sherik Karamkhudoev, ein weiterer Führer der Wiedergeburtspartei, zu einer vierzehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Er soll gemeinsam mit weiteren Personen an einer "kollektiven Anstiftung zum Chaos" mitgewirkt haben. Bereits im Jahr 2012 wurde Karamkhudoev einige Wochen lang von der Regierung festgehalten worden sein. Laut den Aussagen seiner Anwälte und Familienmitglieder wurde er während dieses Zeitraums gefoltert.

Laut Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch gehört Folter in Tadschikistan weiterhin zur Alltagspraxis. 2013 hob die "Koalition gegen Folter", eine Gruppe tadschikischer NGOs, hervor, dass die Aussagen und Berichte zu Folter im Vergleich zum vergangenen Jahr gestiegen seien - und das obwohl seitens der Regierung in Duschanbe "Reformen" angekündigt worden. Westliche Staaten, allen voran die USA, sahen darüber jedoch stets weg.

Als eines der Nachbarländer von Afghanistan spielte Tadschikistan im Laufe der US-Invasion am Hindukusch sowie des "Krieges gegen Terror" seine wichtige Rolle. Das Land stellte den US-Amerikanern den Luftraum zur Verfügung. Des Weiteren fand auch eine logistische Zusammenarbeit statt. Im Gegenzug wurde Rahmons Macht noch weiter gesichert. Er saß fester im Sattel als jemals zuvor.

Tadschikistans bekanntestes IS-Dessident wurde von Russen und Amerikanern ausgebildet

Die Islamische Wiedergeburtspartei Tadschikistans ist seit September verboten. Nachdem sie gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien und Gruppierungen so gut wie vollständig aus dem politischen Leben ausgeschlossen wurde, zog der tadschikische Staat es nun vor, sie als "extremistische Terrorgruppe" zu deklarieren. Im Vorfeld kam es zu einem Anschlag auf den internationalen Flughafen in Duschanbe. Mindestens elf Sicherheitsbeamte sollen dabei getötet worden sein. Die Regierung machte umgehend Oppositionsgruppen für den Anschlag verantwortlich.

Dass die Repression im zentralasiatischen Staat den Extremismus regelrecht sät, war allerdings absehbar. Emomali Rahmon spielt hierbei dieselbe Rolle wie jene arabischen Despoten, die vor allem islamisch geprägte Parteien unterdrückten und verfolgten bis diese sich zersplitterten und teils radikalisiert wieder in Erscheinung traten. So lassen sich heute zum Beispiel tadschikische Extremisten auch im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet finden. Nicht wenige von ihnen haben mittlerweile schon dem sogenannten Islamischen Staat (IS) die Treue geschworen.

Der wohl bekannteste IS-Dessident Tadschikistans ist allerdings Gulmurod Khalimov. Khalimov war bis vor kurzem noch Anführer einer tadschikischen Eliteeinheit, die in den letzten Jahren sowohl von den USA als auch von Russland ausgebildet wurde und für mehrere Anti-Terroreinsätze verantwortlich war. Im vergangenen Mai verschwand er plötzlich bis er in einem IS-Propagandavideo wieder auftauchte und sowohl der tadschikischen Regierung als auch den Russen und den US-Amerikanern den Krieg erklärte.