Tag der Grauzonen
Hunderte von Websites beteiligen sich an Copyright-Protest - EMI droht mit Klagen
Mehrere hundert Webseiten haben sich gestern an einer Aktion der Musik-Aktivisten-Website Downhill Battle beteiligt. Im Rahmen des "Grey Tuesday" boten sie das umstrittene Grey Album von DJ Danger Mouse zum Download an. Andere färbten ihre Webseiten als Zeichen der Solidarität grau. Die Plattenfirma EMI kündigte indes an, die beteiligten Webmaster rechtlich zur Verantwortung zu ziehen.
"Es ist schmeichelhaft", meint Brian Burton. Der in Los Angeles lebende Hip Hop-Produzent ist praktisch über Nacht ungefragt zur Symbolfigur einer Auseinandersetzung um Copyright-Gesetze und Sampling-Rechte geworden. Grund dafür ist ein kleines Experiment, dass Burton Anfang des Jahres unter seinem Pseudonym DJ Danger Mouse veröffentlichte: The Grey Album mixt die Vocals des letzten Jay Z-Albums The Black Album mit der Musik des Beatles-Klassikers The White Album. Dabei hat Burton die Beatles in völlig neuem Gewand wieder auferstehen lassen. Aus den Pop-Hits der Pilzköpfe hat er gekonnt Hip Hop-Beats und Grooves gebastelt, die klingen, als wären sie eigens für Jay Zs Raps eingespielt worden.
Burton bemühte sich gar nicht erst um die Sampling-Rechte der beiden Originale. Er wollte sowieso nur 3000 Kopien seines Experiments über lokale Plattenläden verbreiten. Doch dann bekam das Rolling Stone Magazine von dem Werk Wind, nannte es "das ultimative Remix-Album". Wenig später bekam Burton Post vom EMI-Label Capitol Records, das die Rechte an den Aufnahmen des Beatles-Albums hält. Capitol verlangte von Burton, den Verkauf sofort einzustellen. Der Musiker fügte sich der Anordnung. Doch damit ging die Auseinandersetzung erst richtig los. Das Grey Album verbreitete sich in Windeseile in Tauschbörsen-Netzen, unzählige Bootlegs des Bootlegs tauchten auf Ebay auf.
MP3-Downloads als Akt zivilen Ungehorsams
"Es ist klar, dass dieses Werk keines der Originale entwertet. Es gibt keine legitimen künstlerischen oder ökonomischen Gründe dafür, die Aufnahme zu verbieten", meint Nicholas Reville. "Dies ist lediglich eine willkürliche Ausübung von Kontrolle." Die von ihm und anderen Musik-Liebhabern gegründete Aktivisten-Gruppe Downhill Battle organisierte in den vergangenen Tagen eine Grey Tuesday genannte Protestaktion, um Stellung gegen die Abmahnung der EMI zu beziehen und eine Urheberrechts-Reform zu fordern. Mehr als 170 Webseiten boten dazu am Dienstag als Geste des zivilen Ungehorsams MP3s des Albums zum Download an. Mehrere hundert Webmaster färbten zudem Teile ihres Angebots grau - eine symbolische Geste in Anlehnung an eine populären Aktion vom Februar 1996, bei der Tausende von Websites mit schwarzem Layout gegen den Communications Decency Act protestierten.
Die EMI reagierte auf die Aktion, indem sie am Vortag zahlreichen an der Aktion beteiligten Webmastern einen Warnbrief zukommen ließ. Darin erklärte die Plattenfirma, rechtlich gegen jeden vorgehen zu wollen, der sich an der Download-Aktion beteilige. Wer das Album bereits zum Download angeboten habe, sei zudem zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet. Allerdings bewegt sich die EMI mit ihren Forderungen selbst in einer juristischen Grauzone.
In den USA sind Tonaufnahmen erst seit 1972 explizit urheberrechtlich geschützt, das White Album stammt jedoch aus dem Jahr 1968. Außerdem bezweifeln Urheberrechtsexperten, dass die EMI vor Gericht tatsächliche Verluste durch die Downloads nachweisen kann - schließlich wollte sie das fragliche Album sowieso nie verkaufen. Brian Burton und sein Label Waxploitation überlassen solche rechtlichen Fragen den Anwälten und halten sich aus dem Trubel der letzten Tage raus. Burtons Manager Jeff Antebi dazu:
Das Grey Album ist ein Wendepunkt. Das Internet macht es fast unmöglich, Verbrauchern etwas vorzuenthalten.