Ted, glaubst du wirklich ....
Auch mal Ausreden lassen: Der Terror-Rechtfertiger und Philosoph Ted Hondrich trotzt in Leipzig den Protesten
Der britisch-kanadische Philosoph Ted Honderich rechtfertigt in seinem Buch "Nach dem Terror" den palästinensischen Terror gegen Israel. Nach Protesten (Antisemitischer Antizionismus im Sommerloch) hat der Suhrkamp-Verlag das Buch im August aus seinem Programm gestrichen. Bei seinem seit Ausbruch der Debatte ersten Auftritt in Deutschland stellt sich Honderich in Leipzig zum Gespräch - und macht einen Rückzieher.
Dass es schlicht darum ging, das ganze über die Bühne zu bringen, wird Georg Meggle hinterher sagen. Er hat ihn schließlich eingeladen: den britisch-kanadischen Philosophen Ted Honderich, Verfasser des vom Suhrkamp-Verlag Anfang August zurückgezogenen Traktates "Nach dem Terror". In dem Buch und in Aufsätzen auf seiner Webseite hatte Honderich den palästinensischen Terror gegen Israel gerechtfertig. Nun soll er sich seinem Leipziger Publikum erklären, das an diesem frostig-sonnigen Morgen den Weg durch die Fußgängerzone zum Sonntagsgespräch in den Hörsaal 19 gefunden hat, vorbei an den Flugblätter verteilenden Studenten und dem schweren Polizeiaufgebot am Eingang.
Es ist dafür gesorgt, dass Minimalstandards eingehalten werden. Jacken und Taschen müssen draußen bleiben. Und auf die Wand ist eine Folie projiziert, die Nachhilfe in Sachen der gegen Honderich erhobenen Vorwürfe erteilt.
"Antisemit (Achtung: Rufmord!) ist, wer gegen Juden als Juden ist. Anti-Zionist, wer gegen die Existenz Israels ist. Anti-Neozionist: Wer gegen die gewaltsame Expansion Israels nach 1967 ist." In der rechten Spalte heißt es zu Ted Honderich: "Antisemit: Nein. Antizionist: Nein. Anti-Neozionist: Ja". Daneben, eine zweite Folie mit dem Titel der Veranstaltung: "Gibt es ein Recht auf Terrorismus?" Den Titel illustriert ein Foto eines brennenden WTC-Turmes; daneben ein zweites Bild, das ein Bomben abwerfendes Flugzeug zeigt.
Keine Diskussion!
Einige Minuten stehen Schrift und Bild an der Wand. Dann startet die Show. Studenten stürmen lärmend die Bühne, schalten den Projektor aus und entfalten ein Banner. Weiß auf Lila steht darauf geschrieben: "Toleranz tötet: Keine Diskussion mit Antizionisten!" Mützen und Nasen schauen über dem Banner hervor, wild entschlossene Gesichter, auch ein Grinsen.
"Keine Diskussion" - damit sind die Studenten in guter Gesellschaft. Auch der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik hatte nach Erscheinen von Honderichs "Nach dem Terror" das Buch in einem offenen Brief des "antisemitischen Antizionismus" beschuldigt und damit eine ganze Welle von Protesten ausgelöst. So einig wie in der Sache gegen Honderich sind sich protestierende Studenten und die Leitartikler und Kommentatoren von der "FAZ" bis zur "Süddeutschen" wohl lange nicht gewesen.
Terror & der Krieg gegen ihn
Nun aber: Georg Meggle, als Initiator und Gastgeber verantwortlich für das Gelingen des "Sonntagsgesprächs", gegen die Keine-Diskussion-Fraktion. Georg Meggle, Professor in Leipzig, Mit-Begründer der Gesellschaft für Analytische Philosophie und Attac-Mitglied, ist ohne Zweifel einer der vielseitigsten und engagiertesten Philosophen hierzulande. Neben Ethik, Handlungstheorie und Sprachphilosophie stehen Veranstaltungen auf seinem Lehrplan wie "plan-stadt-platte: Gesellschaftliche Utopien der Spätmoderne", "Kommunikation und Film" - und eben auch Reflexionen über den Irak-Krieg. Die "Theorie des gerechten Krieges" (und des "gerechten Terrors") hat sich in letzter Zeit geradezu zu einem von Meggles Spezialgebieten entwickelt. Ein von ihm edierter Sammelband zum Thema kommt in diesen Tagen heraus (Terror & Der Krieg gegen ihn. Öffentliche Reflexionen. Mentis, 2003).
Der Mann mit der Nanu-Nana Plastiktüte
Georg Meggle dankt den Demonstranten, darauf hingewiesen zu haben, wie wichtig die Veranstaltung sei. Mit einem Seitenblick auf den Kaugummi kauenden Trupp von Polizisten kündigt er an, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, falls die Störer nicht einlenken.
Dann, eine Einlage: Auftritt des Mannes mit der großen gelben Nanu-Nana Plastiktüte. Er sei, sagt der Mann gegen die Störer gewandt, Israeli und Jude, und er möchte diese Diskussion führen. "Sie sind ein Außenseiter" wird ihm aus der den Reihen der Keine-Diskussion-Fraktion beschieden. Der Herr ist der neue Verleger Honderichs. Er wird "Nach dem Terror" vor Weihnachten erneut auf Deutsch herausbringen (Melzer Verlag).
Urlaub - moralisch verwerflich?
Schließlich: Ted Hondrich. Einen gewissen Eindruck von seiner Erscheinung vermittelt schon seine Webseite, wo er auf einem Foto vor dem Canale Grande in Venedig posiert. Dieses Detail ist, vor dem Hintergrund der Debatte nicht unwichtig - denn die Debatte, die Honderich mit seinem Traktat anzetteln wollte (was tatsächlich dabei herausgekommen ist, dokumentiert die FR) dreht sich auch um die Frage, ob es nicht vielleicht unmoralisch ist, sich für 1.200 Dollar ein Ticket nach Venedig zu kaufen, anstatt das Geld den Armen in Afrika zu geben.
Wie immer Honderich selbst nach Venedig gekommen ist, wo ihn das Foto zeigt - die Erlöse aus den Verkäufen der englischen Ausgabe von "Nach dem Terror" hatte er vor, der Hilfsorganisation "Oxfam" zu vermachen. Die jedoch lehnte die 5.000-Pfund Spende mit der Begründung ab, dass sie von dem Terror-Buch nicht profitieren wolle. Davon ungerührt blieb sich Honderich seiner Sache sicher genug, um in der englischen Langfassung seines Leipziger Vortrages über Micha Brumlik zu witzeln, der es abgelehnt hatte, nach Leipzig zu kommen. Dieser sei wahrscheinlich "in den Urlaub abberufen worden". In den moralisch verdächtigen Urlaub wollte Brumlik, wie er selbst berichtete, nämlich bereits im August fahren, nachdem er das Protestschreiben an die Frankfurter Rundschau in den Kasten geworfen hatte.
Gegner der Willensfreiheit
Ted Honderich betritt jetzt die Bühne. Ein großer, schlacksiger Mann. Die Westenzipfel, unverhohlen von der Wohlgenährtheit ihres Trägers kündend, ragen in die Luft. Er hat mit seinen siebzig Jahren immer noch eine Fülle von langem Haar. Er ist, kurzum, nachlässig in seiner Art, wie ältere Professoren das gerne sind - oder zumindest solche, die bestimmte Ansichten vertreten. Ansichten wie jene, dass der "freie Wille" eine Illusion und menschliches Handeln determiniert sei - nachzulesen auf der Determinismus-Webseite von Honderich. Mit diesem Standpunkt hat der Liberalismus-Kritiker Honderich sich bis in die vordersten Reihen der internationalen philosophischen Debatte gespielt.
Satz für Satz beginnt er zu sprechen; Satz für Satz wird übersetzt, so wie alles schon vorher auf der Webseite von Honderich zu lesen war. Er muss gegen das Trällern von Handys und gegen Zwischenrufe aus den Reihen der Zuschauer anreden. Eine kleine Kostprobe: "Repressive Toleranz!". "Möllemann!". "Geh doch nach drüben!"
Honderich sagt, dass palästinensische Selbstmordattentäter ein moralisches Recht zu ihrem Akt des Terrorismus haben, Israeli hingegen kein moralisches Recht zum Staatsterrorismus. Er wählt gezielt ein Beispiel, in dem es um die Tötung eines Kindes geht. Er spricht von einem grundsätzlichen und akzeptierten moralischen Prinzip, welches solcherlei Terrorakte geradezu gebiete. Dieses Prinzip, erklärt Honderich, sei das Prinzip der Humanität, welches besagt, dass wir, "rationale Schritte unternehmen müssen", um "Menschen dauerhaft aus ihrem elenden oder anderweitig schlechten Leben zu befreien."
Honderich tut nichts anderes, als zu erwarten gewesen war. Er wiederholt jene Worte, die so viele nicht gedruckt oder öffentlich geäußert wissen wollten, mit unmissverständlicher Klarheit. Und offenbar immer noch nicht klar genug.
Ted, glaubst Du wirklich...
Das zeigt, zum Schluss, das große Finale. Eine Inquisition. Ihr Verlauf ist entscheidend für die Debatte. Auch er, so Georg Meggle, halte die gegenwärtige Politik Israels gegenüber den Palästinensern für ein Verbrechen. Auch er halte Scharon und den diesen deckenden George Bush für Zeitgenossen, die nicht an die Spitze von demokratischen Staaten gehören, sondern vor ein internationales Gericht.
Auch er glaube, dass sich unnötiges Leid manchmal nur mit Gewalt reduzieren lasse. Dass es Situationen, gäbe in denen Terrorismus gerechtfertigt sein könne. Mit einer Einschränkung: Terrorismus, der sich gegen die Unterdrücker wendet und nur gegen diese. Terrorismus, der es nicht zielgerichtet auf Unschuldige abgesehen hat. "Schwachen" Terrorismus halte er, Meggle, für möglicherweise legitim - "starken" niemals.
Und das, Ted, ist mein Hauptvorwurf gegen dich: Du hältst die beiden Formen nicht scharf genug auseinander. Soll man der Befreiung eines Volkes willen wirklich Unschuldige, soll man Kinder töten dürfen, und zwar mit Absicht? Und zweitens: Ted, glaubst du wirklich, dass sich Humanität mit Hilfe von Kindermorden in die Welt bomben lässt? War eine solche Strategie schon jemals erfolgreich?
Mit dem ersten Teil seiner Antwort zieht Honderich seinen Kopf aus der Schlinge. Über den zweiten Teil wird noch zu streiten sein. "Ich stimme beiden Einwänden zu", sagt Honderich. Aber er fügt hinzu: "Sie sind stimmen mit dem überein, was ich vorher gesagt habe."