Terrorhelfer
FBI, CIA, BND und die tschetschenischen Kindermörder
Es gibt Leute, die mögen keine Verschwörungstheorien. Es sei hanebüchen und skurill und tendenziell antisemitisch, sagen sie, wenn Autoren wie Bröckers oder von Bülow behaupten, US-amerikanische Geheimdienste hätten überall mitgefingert, vor allem bei 9/11. Diesen Leuten wird der folgende Beitrag auch nicht so richtig Spaß machen, denn hier wird die Verschwörungstheorie fortgeführt und auf die Situation in Tschetschenien angewendet. Auch die dortigen Kopfabschneider und Kindermörder erhielten nämlich, zumindest bisweilen, Unterstützung aus dem Westen.
So gibt es zumindest eine Person, in der sich fast alle Verschwörungstheorien materialisieren. Er war FBI-Informant und hatte Kontakte sowohl zur CIA wie zu Osama bin Laden, killte in Tschetschenien Russen und kämpfte im Kosovo gegen die Serben, traf sich schließlich vor dem 11. September mit einem der wichtigsten Hijacker. Das gibt's doch nicht? Das gibt sehr wohl: Der Mann heißt Aukai Collins, ist US-amerikanischer Staatsbürger und schrieb über seine Schandtaten sogar ein Buch. "My Jihad. An American's Journey through the World of Usama Bin Laden As A Covert Operative For The American Goverment" erschien im Jahre 2002 zuerst bei Lyons Press, als Taschenbuch dann bei Pocket Books. Die "Washington Post" nennt es "einen blutrünstigen Bericht über das Training in Osama bin Ladens Lagern in Afghanistan", was freilich nur die halbe Wahrheit ist, denn es ging nicht nur um Afghanistan.
VIP in der Terror-Szene
Laut seiner Autobiographie war Collins als Teenager Mitglied diverser Verbrechergangs, landete schließlich im Knast in San Diego und konvertierte dort zum Islam. Anfang der 90er Jahre wollte er sich am Dschihad in Bosnien beteiligen, reiste statt dessen aber nach Afghanistan und wurde von dort ins Kampfgebiet nach Tschetschenien geschickt. Genüßlich schildert er im Buch Überfälle auf russische Soldaten, das Abschneiden von Köpfen und andere Scheußlichkeiten eingeschlossen. 1996 kehrte dieser Killer in die Staaten zurück und wurde vom FBI als Informant angeworben. Im folgenden Jahr erhielt er aus der Hand zweier FBI-Agenten den Bronze Star, eine militärische Auszeichnung, – "in Anerkennung seiner Tapferkeit beim Kampf gegen die Russen", wie er sagt. 1998 trat außerdem die CIA an ihn heran und schlug vor, ihn zurück nach Tschetschenien zu schleusen, wo er im Umfeld des besonders grausamen jordanischen Feldkommandanten Emir Chattab plaziert werden und von dort Informationen liefern sollte. Eine ungewöhnliche Idee: Warum sollte ein überzeugter islamischer Terrorist wie Collins einen anderen überzeugten Islamisten wie Chattab an Ungläubige verpfeifen? Oder ging es der CIA weniger ums Ausspionieren von Chattab als um Zusammenarbeit?
Im selben Jahr will Collins ein Angebot von ganz anderer Seite bekommen haben, nämlich von Al Qaida: Er solle nach Afghanistan fliegen und dort Bin Laden treffen. Wenn das stimmt, war Collins keine kleine Nummer, sondern ein VIP in der Terror-Szene. Doch die CIA, so Collins, war nicht an seinem Treffen mit ObL interessiert, und deswegen lehnte er ab. Statt dessen ging er ins Kosovo und kämpfte gegen die Serben, angeblich nicht im CIA-Auftrag, sondern auf Einladung aus arabischen Staaten. Im weiteren arbeitete Collins für die Antiterrorismus-Einheit des FBI in Phoenix/Arizona und hatte Kontakt zu Hani Hanjour, der am 11. September die Maschine AA77 ins Pentagon gesteuert haben soll. Wieder stellt sich die Frage: Was hatte das FBI davon überzeugt, dass der fanatische Islamist Collins einen Glaubensbruder ausspionieren würde – statt ihm Tipps zu geben, wie er den Fahndern entgehen könnte? Oder war er nicht Beschatter, sondern Kontaktmann? Selbstverständlich kann es für Geheimdienste sinnvoll sein, gerade besonders schlimme Typen als Undercover-Leute zu engagieren, weil man nur so die innersten Zirkel von terroristischen (oder kriminellen) Gruppen infiltrieren kann. Doch das macht natürlich nur Sinn, wenn die Informanten ihren alten Überzeugungen abgeschworen haben – sonst fungieren die IM gleichzeitig als Maulwürfe des Gegners. Aber Collins hat seinen Überzeugungen nie abgeschworen, und gerade deshalb ist es um so verdächtiger, dass er für FBI und CIA von Interesse war. Die schützende Hand der Dienste war es offensichtlich auch, die ihn vor Strafverfolgung bewahrte, als er mit seinen Verbrechergeschichten an die Öffentlichkeit ging. "Amerika bietet Russland Partnerschaft im Kampf gegen den internationalen Terror an, ... während ein US-Bürger sich offen brüstet, dass er ... russische Soldaten getötet hat", kritisierte die russische Tageszeitung Isvestija im November 2002. Und weiter: "Verschiedene Muslims wurden in den USA beim kleinsten Verdacht verhaftet, dass sie in Osama bin Ladens Lagern trainiert haben – während gleichzeitig ein Kämpfer, der ganz konkret und offen seine Triumphe im Heiligen Krieg plakatiert, frei bleibt." Besonders aufschlussreich ist ein Vergleich zum Schicksal von John Walker Lindh, eines Taliban amerikanischer Herkunft und mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft. Obwohl er in Afghanistan zwar gegen die US-Armee gekämpft, aber niemanden getötet hat, wurde er in den USA zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Collins hingegen wurde für seine Morde an russischen Soldaten nie juristisch belangt.
Doppeltes Spiel des Westens
Der Westen spielt in Bezug auf Tschetschenien ein doppeltes Spiel. Einerseits heuchelt man recht und schlecht Solidarität mit Russland, andererseits werden die Terroristen unterstützt – von denen einen nur politisch, von anderen auch militärisch. Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich hat in seiner Fernsehansprache nach dem Massenmord von Beslan darauf hingewiesen, dass man bei der Suche nach den Hintermännern nicht nur an Moslems denken sollte:
Einige hätten gern ein großes Stück von unserem Kuchen. Andere helfen ihnen dabei. Sie helfen, weil sie sich von Russland, einer der größten Atommächte, bedroht fühlen. Deshalb, so ihre Argumentation, müsse man diese Bedrohung beseitigen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass überlebende Kinder aus Beslan berichten, die Geiselnehmer hätten "neue NATO-Uniformen in den klassischen Tarnfarben getragen". Auch die Aussagen des einzigen bisher festgenommenen Geiselnehmers weisen nach Westen: Demnach sei die Aktion vom tschetschenischen Rebellenführer Schamil Bassajew und dem früheren tschetschenischen Präsident Aslan Maschadow angeordnet worden. Hochrangige Mitarbeiter Maschadows aber sind in Berlin, London und Washington wohlgelitten. So hält sich Ilias Achmadow, Maschadows sogenannter Außenminister, seit zwei Jahren in den USA auf und wurde Anfang Juni 2004 dort als Asylbewerber anerkannt. Achmed Sakajew, der Stellvertreter von Maschadow, genießt sei November 2003 Asyl in Großbritannien. Und in Berlin logiert seit geraumer Zeit Said Abumuslimow, Maschadows Sicherheitsberater. Abumuslimow engagierte sich schon in den 80er Jahren im tschetschenischen Untergrundkampf gegen die Sowjetunion. Als Mitarbeiter des frischgebackenen Präsidenten Maschadow befürwortete er 1997 die von den gemäßigten Separatisten abgelehnte Einführung der islamischen Gesetzgebung Scharia, "auch das auf physischer Bestrafung beruhende Strafrecht", wie er gegenüber der FAZ (18.08.2004) einräumte, also das Abhacken von Händen bei Dieben und die Steinigung von unsittlichen Ehefrauen.
Auf die Frage, ob er den Terror unterstütze, antwortete der Mann ausweichend: "Wir sind keine Terroristen, wir sind Freiheitskämpfer." Abumuslimows wartet zur Zeit auf die Entscheidung über seinen Asylantrag, was ihn allerdings nicht davon abhält, öffentlich für seine Ansichten zu werben. So wird er am 21. September auf dem Orientalistentag in Halle sprechen. "Tschetschenien – Politik versus Menschenrecht", lautet das Thema des Scharia-Freundes.
Nach Auskunft von Abumuslimow versuchte das Bundesamt für Verfassungsschutz mehrmals, Informanten unter den etwa 150 in Berlin lebenden Exil-Tschetschenen zu gewinnen. Die Kölner Behörde verweigert jede Auskunft über den Zweck und den Erfolg ihrer diesbezüglichen Kontakte. Suspekt ist die Rolle deutscher Sicherheitsbehörden auch im Zusammenhang mit der Besetzung eines Moskauer Musicaltheaters im Oktober 2002. Dabei waren 130 Geiseln gestorben. Im Vorfeld logierte der mutmaßliche tschetschenische Terrorist Arbi Daudov in Dresden und hielt von dort Telefonkontakt zu konspirativen Wohnungen in Moskau, in denen das Verbrechen vorbereitet wurde. Obwohl die deutschen Sicherheitsbehörden aus Russland gewarnt worden waren, erfolgte kein Zugriff, berichten die Dresdner Neuesten Nachrichten im April 2004. Bei seiner intensiven Reisetätigkeit benutzte Daudov deutsche Visa, die nach einem Tagesspiegel-Bericht auch für andere tschetschenische Verdächtige ausgestellt wurden.
Offensichtlich haben nicht nur die US-amerikanischen, sondern auch die deutschen Nachrichtendienste einiges aufzuklären.