The same procedure as every year
Schweizer Big Brother Awards an gleiche Preisträger wie im Vorjahr
Lauschen, vernetzen, überwachen und sich dagegen wehren. Als Belohnung für diese Aktivitäten wurden am Freitag Abend die Schweizer Big Brother Awards 2001 verliehen. Unter den diesjährigen Preisträgern befinden sich auffällig viele, die bereits im Vorjahr zu Ehren kamen. Allen voran der Nachrichtendienst der Schweizer Armee mit seinem Satelliten-Lauschprogramm "Onyx" (vormals Satos 3), der in der Kategorie "Telekommunikation" den Titel verteidigen konnte. Auf die Verleihung eines Lebenswerk Awards, als Würdigung für besonders eifriges Datensammeln, wurde in diesem Jahr verzichtet.
Sie können es nicht lassen. Die Geheimniskrämerei der zuständigen Stellen im Militärdepartement, was die helvetischen Satellitenlauscher betrifft, nahm auch im Jahr 2001 seinen gewohnten Lauf. Anfang Jahr wurde in diesem Zusammenhang in den Medien ein Dokument zitiert, wonach "eventuelle Schnittstellen zu Projekten im Ausland (u.a. Echelon) vorgenommen werden" sollen, was allerdings umgehend dementiert wurde.
Gleichzeitig dementierte der Bundesrat einen möglichen Zugriff der National Security Agency NSA auf eine privatisierte und an die US-Firma Verestar veräußerte Satellitenkommunikationsanlage. Unabhängig davon hat Onyx inzwischen einen Teilbetrieb aufgenommen. Grund genug für die Swiss Internet User Group SIUG, das Kulturzentrum Rote Fabrik und das Archiv Schnüffelstaat Schweiz ASS als Organisatoren der Big Brother Awards, dem militärischen Nachrichtendienst den zweiten Big Brother Pokal in der Kategorie "Telekommunikation" zu überreichen. Die zweimalige Auszeichnung des Nachrichtendienstes zeige auch, dass die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste in der Schweiz bislang versagt habe, so Catherine Weber, Sekretärin des ASS und Mitglied der Big Brother Award ExpertInnengruppe.
Als weitere staatliche Stelle wurde die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten ausgezeichnet. Den Preis in der Kategorie "Staat" erhielten die Polizeichefs für ihr Bemühen, im Rahmen des Projekts USIS (Überprüfung des Systems der Inneren Sicherheit) die kantonalen Datensysteme weiter zu vernetzen und dadurch bisherige demokratische Kontrollmöglichkeiten zu umgehen. So soll unter anderem ein gesamtschweizerischer Polizeiindex geschaffen werden, wodurch der Unterschied zwischen überregional relevanten Daten und lokalen Ereignissen wegfallen würde. Die Nominationsliste in der Kategorie "Staat" war mit Abstand die längste. Ganze 22 Behördenstellen durften damit rechnen, die zweifelhafte Ehre einer Auszeichnung als Big Brother zu erfahren. Ein Grossteil der Nominationen betraf Projekte zur Überwachung mittels biometrischer Methoden oder Videoüberwachung.
Preiswürdige Überwachungssoftware
Am zweitmeisten Kandidaten standen der elfköpfigen Jury in der Kategorie "Business" zur Auswahl. Erkürt wurde schließlich die Krankenkasse SWICA. Sie bietet eine Software an, die für Firmen ein ausführliches "Absenzenmanagement" erstellt. "Das auf CD-Rom vertriebene Programm bietet ein effizientes, personifiziertes Krankheitsmanagement und ermöglicht den Datenaustausch von Arbeitgebern mit anderen Firmen – zum Beispiel Krankenkassen," so die Laudatio.
Auch der Gewinner des Vorjahres in der Kategorie "Business" – der wegen seiner Dorgentests für Auszubildende ins Zwielicht geratene Basler Chemiekonzern Hoffmann-La Roche – war wiederum ein heißer Anwärter für die Auszeichnung, verpasste den Titel aber um wenige Punkte. Trotz verschiedener Rügen durch den eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, der die Angelegenheit inzwischen an die eidgenössische Datenschutzkommission weiterziehen will, werden die Eltern der Lehrlinge weiterhin gezwungen, ihre Kinder "freiwillig" ins Röhrchen pinkeln zu lassen.
Ein "Lebenswerk-Award" für besonders hartnäckiges Schnüffeln wurde in diesem Jahr nicht vergeben, da eine der beiden Nominationen zu spät erfolgte und der zweite aussichtsreiche Kandidat vor kurzem völlig überraschend verstarb.
Neben allen Schnüfflern und Sammlern wurde auch bei der zweiten Auflage der Schweizer Big Brother Awards wiederum ein sogenannter "Winkelried Award" verliehen. Arnold von Winkelried opferte sich anno 1386 in der Schlacht von Sempach, als sich die Eidgenossen erfolgreich gegen einen Unterwerfungsversuch der Habsburger wehrten. Winkelried soll sich der Legende nach mit den Worten "Ich will der Freiheit eine Gasse machen" in die Reihen der Habsburger gestürzt, und dabei so viele feindliche Speere wie möglich ergriffen und in seinen Leib stoßend unschädlich gemacht haben.
Als Datenschutz-Winkelriede dürfen sich fortan gleich zwei Personen bezeichnen. Michael Jordi, Gewerkschaftssekretär des Verbands des Personals öffentlicher Dienste VPOD und eine nicht namentlich genannte Angestellte eines Callcenters wehrten sich erfolgreich gegen die Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Ihrer Einsprache wurde in den zentralen Punkten stattgegeben; im Entscheid der zuständigen Instanz wird festgehalten: "Die installierten Kameras in den Arbeitsräumen und in der Cafeteria der Secur AG sind zu entfernen." Ebenfalls nominiert in der Kategorie "Winkelried" waren ein Fangruppe des Fußballclubs Zürich, die sich gegen ihre polizeiliche Registrierung in einer Hooligan-Datenbank zur Wehr setzten.
Quasi als "Winkelried von Amtes wegen" wies der ehemalige eidgenössische Datenschutzbeauftragte Odilo Guntern in seiner Rede anlässlich der Preisverleihung auf die Wichtigkeit des Datenschutzes hin. Vor dem Hintergrund der Attentate in den USA warnte Guntern vor einem unbedachten Ausbau der Überwachungsmöglichkeiten. Gerade im Bereich von Datensammlungen gelte es, sorgfältig abzuwägen zwischen den Interessen des Staates und dem Persönlichkeitsschutz der Bürgerinnen und Bürger.