Thüringer Landtag debattiert über Sprengstoff-Fund

Innenminister Georg Meier (SPD). Bild: Landtag Thüringen. Screenshot: TP

Landeskriminalamt soll eventuellen politischen Hintergrund untersuchen

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Der Thüringer Landtag debattierte heute Nachmittag außerplanmäßig über ein Ereignis, das letzte Woche erst regionale und dann überregionale Schlagzeilen machte: Den Fund von über Hundert Kilogramm an Sprengstoffen und Chemikalien zur Sprengstoffherstellung. Innenminister Georg Meier von der SPD bestätigte dem Landtag diesen Sachverhalt und Ermittlungen gegen einen 25-Jährigen und einen 31-Jährigen wegen Verdachts auf Verstoßes gegen den § 310 des Strafgesetzbuchs.

Maiers Angaben nach wurden die Materialien am 13. März bei Durchsuchungen von vier Objekten gefunden, die man ansetzte, nachdem sich eine Zeugin am 5. März bei der Polizei gemeldet hatte. Neben kiloweise Acetonperoxid, Schwefel, Kaliumnitrat, Karbid und anderen Stoffen seien dabei auch 2,3 Gramm eines extrem gefährlichen Stoffs mit einer deutlich größeren Explosivwirkung als TNT gefunden worden. Auch acht Ein-Liter-Flaschen Buttersäure, eine Schreckschusspistole, Pfeilspitzen für eine Armbrust, eine Aufzuchtanlage für Cannabis und verschiedene elektronische Geräte wurden sichergestellt.

Trotz Hinweisen auf eine Bedrohung der Zeugin und auf weitere Straftaten auf freiem Fuß

Da die Staatsanwaltschaft Gera bei den beiden vorläufig festgenommenen Tatverdächtigen keine Haftgründe vorliegen sah, wurden sie wieder freigelassen. Daran änderte sich auch nichts, als sich nach der Auswertung von Mobilfunkdaten Hinweise auf eine Bedrohung der Zeugin und auf weitere Straftaten ergaben. Hinsichtlich weiterer Erkenntnisse der Behörden verwies Meier auf die Strafprozessordnung, die ihn zwinge, Informationen zurückzuhalten.

Er bestätigte aber Medienberichte, denen zufolge einer der Tatverdächtigen der Sprecher eines 2016 von der Regierung mit einem "Anerkennungspreis" ausgezeichneten "Bündnisses für Zivilcourage und Menschenrechte" war, das sich inzwischen von ihm distanzierte. Nun soll durch "ergebnisoffene Ermittlungen in alle Richtungen" geklärt werden, ob das Horten und Herstellen der Sprengstoffe einen politischen Hintergrund hatte.

Das Landeskriminalamt war Meiers Worten nach entgegen anderslautender Medienberichte von Anfang an in die Ermittlungen eingebunden, habe sie aber erst am Samstag übernommen. Auf den ebenfalls Medienberichten entnommenen Vorwurf des CDU-Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring, die Verdächtigen hätten ihre Sprengstofflager- und Werkstätten mit eher lebensfern wirkenden Hinweisen auf eine angebliche Freude an Explosionen und Schädlingsbekämpfungsvorhaben bei der Mutter zu rechtfertigen versucht, ging der Innenminister dagegen nicht ein. Der Forderung nach dem Aufbau bundesweiter Strukturen zur Linksextremismusbekämpfung meinte er, die bestehenden reichten aus.

Linken-Sprecher beklagt "hysterisch" geführte "Diffamierungskampagne"

Der Linken-Abgeordnete Steffen Dittes warf der CDU vor, sich mit ihren Fragen zum "Sekundanten der AfD" zu machen und beklagte eine seiner Ansicht nach "hysterisch" geführte "Diffamierungskampagne" gegen eine friedliche Organisation, die auch von der Jungen Union und von einzelnen CDU-Politikern unterstützt worden sei. Das "mobile Labor" der Verdächtigen war ihm zufolge lediglich ein "Einkaufstrolley" und die Verwendung von Steuergeldern für Sprengstoffkäufe sei ausgeschlossen. Dem Vorwurf, beim Links- und Rechtsextremismus mit verschiedenen Maßen zu messen hielt er entgegen, es habe 2016 in Thüringen insgesamt 106 Fälle mit Sprengstoffbezug gegeben.

Wolfgang Fiedler, der Franz Josef Strauß der Thüringer CDU

Der volksnah und dialektgebunden sprechende Abgeordnete Wolfgang Fiedler, der zeigte, dass CDU-Politiker auch ganz anders als die Führung um Angela Merkel auftreten (und wahrscheinlich auch sein) können, hat dagegen den Eindruck, dass der Fall "runtergespielt" werden soll. Ihm folgte als eine Art rhetorisches Gegenteil die SPD-Abgeordnete Diana Lehmann, deren mit zahlreichen Stanzen und Zahlen aus Statistiken versehener Vortrag darlegen sollte, dass die Regierung alles richtig gemacht hat.

AfD will Schwerpunkt auf das Aufdecken "linksextremistischer Strukturen bis in staatliche Stellen hinein" legen

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke fragte, wie Dittes denn so genau wissen könne, dass die Sprengmittel nicht auch mit Steuergeld finanziert wurden, und kündigte an, dass seine Partei auch auf Bundesebene in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt auf das Aufdecken "linksextremistischer Strukturen bis in staatliche Stellen hinein" legen werde. Das betreffe auch Verbindungen zwischen Linksextremisten und der PKK, die Bekennerschreiben nach für die jüngsten Anschläge auf türkische Moscheen verantwortlich sein könnten.

Anhand von Slogans wie "Smash G20" und "G20 versenken - Support Black Block" bezweifelte er außerdem, dass das "Bündnis für Zivilcourage und Menschenrechte" so gewaltablehnend ist, wie es von Dittels dargestellt wurde. Der Abgeordnete Dirk Adams von den Grünen meinte dazu, dem Bündnis diese Aussagen des lediglich zum Kreis der Unterstützer zählenden "Antifaschistischen Jugendbündnisses Saalfeld" anzulasten, sei "unredlich".

Der AfD-Abgeordnete Jörg Henke vermutete, dass die Funde nur die "Spitze eines Eisbergs" gewesen sein könnten und forderte den Rücktritt der Landesregierung. Dass diese der Aufforderung nachkommt, ist jedoch insofern unwahrscheinlich, als sie der letzten INSA-Umfrage nach bei einer vorgezogenen Neuwahl weit von einer erneuten Mehrheit entfernt wäre: Danach kämen Linke (24 Prozent), SPD (10 Prozent) und Grüne (sieben Prozent) zusammen auf nur noch 41 Prozent Stimmenanteil, während es CDU (32 Prozent), AfD (18 Prozent) und FDP (fünf Prozent) gemeinsam auf 55 Prozent bringen.

Zum Schluss der Debatte lehnten SPD, Grüne und Linke zwei verschiedene Anträge von CDU und Grünen zur Überweisung der Frage an die Ausschüsse ab. Dabei stimmte nicht nur die AfD für den Antrag der CDU, sondern umgekehrt auch die CDU für den Antrag der AfD.