Tod von Journalistin Abu Akleh: Viele Fragen bleiben offen
Seite 2: Gewalttaten gegen Palästinenser haben oft keine rechtlichen Folgen
- Tod von Journalistin Abu Akleh: Viele Fragen bleiben offen
- Gewalttaten gegen Palästinenser haben oft keine rechtlichen Folgen
- Tod von Reporterin Abu Akleh: Recherchen stützen Berichte von Augenzeugen
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Die hunderten Tötungen von Palästinensern durch Soldaten oder Siedler schaffen es daher meist nicht einmal vor Gericht. Die palästinensischen Behörden haben angekündigt, diesmal die Untersuchung selbst durchzuführen beziehungsweise eine internationale Investigation einzuleiten.
Viele Indizien deuteten schon früh auf eine gezielte Tötung der Journalistin durch einen israelischen Sniper hin. Trotzdem wird in vielen US- und europäischen Medien das israelische Narrativ kritiklos wiederholt, dass bisher vollkommen unklar sei, wer den Tod der Al-Dschasira-Journalistin zu verantworten habe.
Die Belege für eine Verantwortung des israelischen Militärs am Tod der Journalistin werden hingegen, wenn sie überhaupt auftauchen, als Randnotiz abgetan. Es ist erneut einer dieser unglücklichen und unklaren Vorfälle im Nahostkonflikt.
Chris Hedges, renommierter US-Journalist, Pulitzer-Preis-Träger und 15 Jahre lang Auslandskorrespondent der New York Times, in dieser Funktion auch Nahost-Bürodirektor, bringt es folgendermaßen auf den Punkt:
Die Tötung von Abu Akleh würde sehr anders behandelt, wenn sie von einem russischen Soldaten in der Ukraine getötet worden wäre. Dann gäbe es keine Unklarheit, wer für die Tötung verantwortlich ist. Ihr Tod würde als Kriegsverbrechen verurteilt. Niemand ließe zu, dass das russische Militär die Untersuchung leitet.
Augenzeugen, darunter Journalisten, die mit vor Ort waren, haben von Anfang an der israelischen Behauptung widersprochen, dass palästinensische "Querschläger" die Journalistin im Gefecht getroffen haben könnten.
Der Al-Dschasira-Produzent Ali Samoudi, der von der zweiten Kugel verletzt wurde, sagte noch im Krankenhaus liegend gegenüber der Nachrichtenagentur Middle East Eye, dass die israelischen Soldaten die Journalisten mit Pressekennung auf der Kleidung passieren hätten lassen, bevor die Schüsse fielen:
Es gab keine palästinensischen Widerstandskämpfer um uns herum. Wenn palästinensische Kämpfer schießen, dann gehen wir dort nicht hin.
Eine anderer Augenzeuge, der Journalist Shatha Hanaysha, teilte mit, dass die Pressevertreter:innen in die Enge getrieben worden seien, als Abu Akleh erschossen wurde. Es sei eine gezielte Tötung gewesen, sagt Hanaysha.
Wir standen zusammen als eine klar erkennbare Gruppe von Journalisten. Wir waren schockiert von den Schüssen auf uns. Wir konnten uns nicht zurückziehen. (…) Die Kugel, die Shireen traf, sollte sie töten. Sie wurde genau auf den Teil ihres Körper gerichtet, die nicht geschützt war.
Auch Informationen über den Tatort widersprechen der offiziellen israelischen Version, dass palästinensische Kämpfer für den Tod verantwortlich sind. Die israelische Menschrechtsorganisation B’Tselem hat einen Rechercheur in das Gebiet geschickt und ein Video aufnehmen lassen, das belegt, dass die Widerstandskämpfer über 300 Meter von dem Ort entfernt waren, an dem Abu Akleh erschossen wurde, abgetrennt durch eine Reihe von Mauern und Gassen.
In einem Gebäude nahe dem Tatort befanden sich jedoch israelische Scharfschützen, die klare Sicht auf die Journalisten hatten, die sich in einem offen einsehbaren Raum aufhielten.