Tod von Journalistin Abu Akleh: Viele Fragen bleiben offen
Seite 3: Tod von Reporterin Abu Akleh: Recherchen stützen Berichte von Augenzeugen
- Tod von Journalistin Abu Akleh: Viele Fragen bleiben offen
- Gewalttaten gegen Palästinenser haben oft keine rechtlichen Folgen
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Das in den Niederlanden ansässige Onlinemagazin Bellingcat, eine Gruppe von internationalen Rechercheuren, hat zudem Audio- und Videodokumente ausgewertet. Das Material stammt aus palästinensischen und israelisch-militärischen Quellen.
Die Forscher haben dabei Zeitstempel, Ortsangaben, Schatten und forensische Analysen der Schüsse analysiert. Bellingcat kommt nach der Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Evidenz die von den Augenzeugen gemachten Aussagen stützt, dass israelisches Feuer Abu Akleh getötet habe. Studienleiterin Giancarlo Fiorella resümiert:
Nach dem, was wir bisher untersucht haben, waren die israelischen Soldaten am nächsten beim Tatort und hatten die klarste Sicht auf Abu Akleh.
Absolute Sicherheit gäbe es zwar erst, wenn Kugel, Schusswaffe und GPS-Daten der Soldaten vorhanden sind. Aber in den allermeisten Fällen würden zusätzliche Belege die ersten Erkenntnisse stützen und so gut wie nie ins Gegenteil verkehrt werden, so Fiorella.
Doch in der Berichterstattung über den Fall in den USA, aber auch hierzulande, werden die Unklarheiten betont, und so getan, als ob es zwei gleichwertige, gleich belegte und wahrscheinliche "Wahrheiten" gäbe, die aufeinanderprallen.
Wie es in der tageszeitung heißt: "Israel und die Palästinenser machten sich gegenseitig für den Tod der Journalistin verantwortlich." Um daran anzufügen, dass nach einem Zwischenbericht der israelischen Armee, die "Herkunft des Schusses" nicht zu bestimmen sei.
Die unterschiedlichen, in eine klare Richtung deutenden Indizien im Fall von Shireen Abu Akleh aus der öffentlichen Berichterstattung herauszulassen, ist aber nicht Zeichen von Wahrheitssuche, sondern Desinformation.
Wieder einmal wird mit einer falschen Balance und Verunklarung versucht, das israelische Militär aus der Schusslinie zu bringen und damit auch eine Regierung, die in den besetzten Gebieten die palästinensische Bevölkerung immer rücksichtsloser drangsaliert.
Sicher, ein hundertprozentiger Beweis für die gezielte Tötung von Shireen Abu-Akleh liegt nicht vor. Bisher jedenfalls nicht. Aber gibt es den für die Buschta-Opfer? Vergleichen Sie die Reaktion darauf mit der nach dem der Tötung der Al-Dschasira-Reporterin im Westjordanland. Wo ist in diesem Fall die Empörung?
Aber nicht nur die belastenden Indizien werden von den Medien "übersehen" und damit die Empörung im Keim erstickt. Auch Hinweise auf ähnlich gelagerte Fälle sind meist Tabu. Denn sie könnten zeigen, dass die Tötung Shireen Abu Akleh sich durchaus einreiht in Israels Praxis, "rabiat" gegen Beobachter_innen der Besatzungspolitik vorzugehen, inklusive derjenigen mit westlichen Pässen, wie der britische Autor und Journalist Jonathan Cook schreibt:
Abu Aklehs US-amerikanischer Ausweis war genauso wenig fähig, sie vor israelischer Vergeltung zu bewahren, wie Rachel Corrie, die von einem israelischen Bulldozerfahrer im Jahr 2003 getötet wurde, als sie versuchte, ein palästinensisches Haus im Gazastreifen zu schützen. Auch Tom Hurndalls britischer Pass konnte nicht verhindern, dass er in den Kopf geschossen wurde, während er palästinensische Kinder im Gazastreifen vor israelischen Angriffen schützen wollte. Ebenso wenig nutzte dem Filmemacher James Miller seine britische Staatsangehörigkeit. Er wurde von einem israelischen Soldaten im Jahr 2003 ebenfalls im Gazastreifen exekutiert, als er es unternahm, den israelischen Angriff auf die kleine, überbevölkerte Enklave zu dokumentieren.
Insbesondere der Sender Al-Dschasira ist Israel lange schon ein Dorn im Auge. Seine Reporter:innen werden immer wieder daran gehindert, über die Lage in den besetzten Gebieten zu berichten. Im Mai 2011 zerstörten israelische Kampfjets das Al-Jalaa-Gebäude im Gazastreifen, in dem dutzende internationale Nachrichtenagenturen, darunter das Al-Dschasira-Büro und das von Associated Press, untergebracht waren.
Seit 2018 sind insgesamt mindestens 144 palästinensische Journalisten von israelischen Sicherheitskräften in den besetzten Gebieten verwundet und zwei getötet worden, berichtet Reporter ohne Grenzen. Abu Akleh wäre, wenn man der Indizienlage folgt, das dritte Opfer.
Über 45 palästinensische Journalisten sind seit dem Jahr 2000 von israelischen Streitkräften erschossen worden, so das palästinensische Informationsministerium. Nach UN-Angaben sind im letzten Jahr zudem 380 Palästinenser, darunter 90 Kinder, von israelischen Soldaten getötet worden.
Für westliche Medien sind all das keine Kriegsverbrechen, sondern Akte der Selbstverteidigung, bedauerliche Unfälle, nicht beabsichtigte Querschläge oder unaufklärbare Ereignisse, während meist dem israelischen Krisenmanagement gefolgt wird. Der Tod der Journalistin Shireen Abu Akleh droht in diese Tradition eingereiht zu werden.