Toothing - die schnelle Nummer mittels Handy ist ein Hoax
Wie zwei Engländer einen neuen Trend erfunden haben
Wenn es um schnelle Nummern geht, sind alle schnell mit von der Partie – auch Spiegel-Online: "Pendler haben eine neue Flirtmethode für Londons Vorortzüge entwickelt. Sie funken einfach alle Leute im Umkreis an, die ein Bluetooth-Handy besitzen. 'Toothing' heißt die neue Kuppeltechnik. Im Internet wird schon eifrig mit heißem Sex auf der Bahnhofstoilette geprahlt."
Ja, Toothing war wohl tatsächlich einer der aufregendsten Trends des letzten Jahres. Weltweit wurde darüber berichtet, und auch in fast jedem deutschen Magazin tauchte ein Bericht über dieses neue moderne Freizeitvergnügen auf. Und das Magazin Tomorrow kannte sogar den Erfinder:
Erfunden hat das Spiel ein Pendler namens Jon aus einem Londoner Vorort. Er ließ sein Handy im Zug nach anderen Bluetooth-Telefonen suchen und verschickte Kurznachrichten. Auf seiner Webseite beschreibt er Toothing als 'eine Form von anonymen Sex mit Fremden - gewöhnlich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Konferenz- und Seminarräumen.'
Selbst der Internet-Enzyklopädie Wikipedia war dieses neue Wort einen (inzwischen allerdings veränderten) Eintrag wert. Und auf den Online-Seiten des Magazins "Neon" findet sich sogar eine ausführliche Gebrauchsanweisung für Toothing:
Gleichzeitig wurden in verschiedenen Ländern Online-Foren eröffnet, in denen Leute ihre Erfahrungen mit Toothing beschreiben und diskutieren konnten. In dem wohl größten deutschen Forum bei Yahoo.de herrscht inzwischen allerdings tote Hose. In den letzten sieben Tagen gab es keine einzige Aktivität. Und was man sonst dort aus der Hochzeit des Toothing im vergangenen Jahr zu lesen bekommt, sind Anmerkungen frustrierter Möchtegern-Toother:
auf einer längeren Dienstreise diese Tage, habe auch ich mal aus Neugierde mein Glück versucht, jedoch ohne jeglichen Erfolg. Zum einen ist es auch lästig, da die meisten Handys quasi nur kurzzeitig suchen und sich zeigen, sodaß man wenn dann immer wieder die gleiche Taste drücken muss. Auch muss sich wenn überhaupt dann ja auch die Gegenseite auf dieser Suche befinden. Zudem gab es gerade diese Tage in T-Online einen interessanten Artikel der besagt, daß gerade viele Nokia und Sony Handy hinsichtlich Bluetooth 'knackbar' sind. Eine nicht ungefährliche Sache. Mir scheint wirklich, daß dieses Thema in Deutschland eh noch in den Kinderschuhen steckt.
Mehr los als in deutschen Zügen oder Foren war allerdings in dem inzwischen abgeschalteten englischen Toothing-Forum, wo auch Spiegel-Online vermutlich den heißen Sex auf der Bahnhofstoilette entdeckt hat. Bloß hat diese vermeintlich schnelle Nummer einen kleinen Haken. Sie entstammt nämlich der Phantasie zweier Engländer, die sich nach Zeitungsberichten über andere merkwürdige Sexpraktiken Toothing einfach als Scherz ausgedacht haben. Und zu diesen Erfindern zählt der in vielen Texten erwähnte Londoner Pendler Jon.
Als erstes haben diese Witzbolde also das besagte Online-Forum aufgemacht und dort über allerlei aufregende, aber erfundene Erlebnisse geschrieben. Anschließend schickten sie darüber einem bekannten Weblog einen kurzen Hinweis auf ihr Forum, der wurde dort veröffentlicht. Und dann ging alles ganz schnell. Zuerst verbreitete sich die Geschichte ausschließlich übers Netz, dann schrieb eine Nachrichtenagentur über Toothing und danach macht dieser vermeintlich Freizeitspaß moderner Menschen weltweit in den Medien die Runde bis hin, wie intern.de berichtet, zum Sender RTL, der darüber einen kleinen Film drehte.
Anfang der Woche haben sich die beiden Engländer nun im Internet als Scherzbolde zu erkennen gegeben. Dass ihr Toothing-Hoax medial so erfolgreich gewesen ist, wundert sogar die Erfinder. Schließlich, schreiben sie, sei Toothing so Erfolg versprechend wie ein Ziegelstein, den man mit einer vergleichbaren Flirt-Aufforderung auf die Tanzfläche eines überfüllten Nachtklubs werfe.