Tourismus im Klimawandel: Gluthitze und schrumpfende Strände

Symbolbild: Pixabay Licence

Urlaub am Mittelmeer könnte bald "out" sein. Nord- und Ostseeküste stellen sich manche Analysten schon als neue "Badewanne Europas" vor. Dafür gibt es jedoch Hindernisse.

"Traumurlaub unter Spaniens Sonne" oder "La Dolce Vita am Meer" – mit solchen Slogans bewerben Reiseveranstalter ihre Angebote an den Küsten des Mittelmeers. Spanien und Italien sind im Ausland mit Abstand die beliebtesten Ziele der Deutschen, fast jeder fünfte deutsche Reisende besuchte vor Corona 2019 eines dieser beiden Länder.

Zählt man noch die Besucher von Griechenland, Malta, der Adria-Anrainer Montenegro, Kroatien und Slowenien sowie Frankreich mit seiner Mittelmeerküste hinzu, so ging 2019 fast jede dritte Auslandsreise eines Bundesbürgers ans "Mare Mediterraneum".

Das aber entwickelt sich immer mehr zum Albtraum. Der Mittelmeerraum erwärmt sich schneller als andere Regionen auf der Welt– und trocknet gleichzeitig aus. Der April 2023 war der heißeste je in Spanien registrierte April mit Temperaturen wie sonst im August, geregnet hat es weniger als ein Viertel eines gewöhnlichen Aprils. "Es geht nicht nur um ein trockenes Frühjahr", sagte Carlo Buontempo, Direktor des Copernicus Climate Change Service. "Das Problem ist, dass dieses Frühjahr auf ein Jahr mit sehr wenig Regen und hohen Temperaturen folgt."

Tatsächlich brachte 2022 neue meteorologische Extreme rings ums Mittelmeer: In Spanien war das Thermometer bis auf 45 Grad geklettert, zahlreiche Waldbrände, ausgetrocknete Flüsse, Wassermangel, kollabierte Menschen – Einheimische wie Touristen - waren die Folgen. Rings um Venedig war das Meerwasser warm wie in der Badewanne - 28 Grad.

Zwischen Ancona, Split und Dubrovnik lag die Oberflächentemperatur des Wassers immer noch bei 27 Grad, Abkühlung bot das Baden nicht. Und auch schon 2021 brannten von Algerien bis in die Türkei die Wälder rund um das Mittelmeer in nie gekanntem Ausmaß.

Die "Union für das Mittelmeer" – 43 Staaten sind in diesem Zweckbündnis zusammengeschlossen, darunter Deutschland – wollte wissen, was klimatisch genau auf den Mittelmeerraum zukommt. Im Jahr 2015 rief sie die Initiative "Mediterranean Experts on Climate and Environmental Change" ins Leben, in der 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 35 Ländern die Folgen des Klimawandels für die Region genauer untersuchten.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Temperaturanstieg im Mittelmeerraum 25 Prozent schneller verlaufen wird als im globalen Durchschnitt. Verglichen mit dem vorindustriellen Niveau ist es hier bereits 1,5 Grad wärmer geworden.

Bis 2040 wird die Durchschnittstemperatur auf Mallorca und Korsika, in Barcelona oder Rom schon um rund 2,2 Grad gestiegen sein, bis Ende des Jahrhunderts in einigen Regionen sogar um mehr als 3,8 Grad. Diese Schätzungen basieren auf einem Szenario, das von ziemlich starken Klimaschutz-Maßnahmen ausgeht – mehr, als momentan von den Regierungen weltweit beschlossen wurde. Sehr wahrscheinlich also, dass die realen Temperaturen noch höher liegen. Doch schon bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad, warnen Forscher, werden weite Teile Südspaniens zur Wüste.

Spanien bis Mitte des Jahrhunderts heiß wie heute Nordafrika

"Traumurlaub unter Spaniens Sonne"? Wer karge Landschaften mag und schweißtreibende Hitze, für den werden Spanien, Süditalien oder die griechischen Inseln auch künftig noch attraktive Orte sein. Allerdings werden sie kaum mehr jene Touristenströme anziehen, für die die spanische "Costa del Sol" oder der italienische "Lido di Jesolo" mit Hotelburgen zugepflastert wurden.

Bereits Mitte des Jahrhunderts, also in gut 25 Jahren, dürfte dort dann ein Klima herrschen wie bisher in Nordafrika. Dort wiederum steigen Mitte des Jahrhunderts die Spitzentemperaturen im Sommer von heute 43 Grad Celsius auf etwa 46 Grad (und fast 50 Grad bis Ende des Jahrhunderts).

Urlaub am Mittelmeer werde in Zukunft "out" sein, erklärten Forscher bereits 2005, nachdem sie das Klima Europas im 21. Jahrhundert modelliert hatten. Angesichts extremer Sommerhitze und zunehmender Trockenheit würden bald die Südeuropäer in Scharen nach Norden pilgern, um bei uns Erholung zu suchen.

2008 veröffentlichte die Forschungsabteilung der Deutschen Bank eine Studie "Klimawandel und Tourismus: Wohin geht die Reise?", in der mögliche regionale und saisonale Verschiebungen der Touristenströme untersucht wurden. Die Reiseindustrie am Mittelmeer werde zu den Verlierern zählen, so das Fazit, Mitteleuropa hingegen sahen die Autoren "auf der Gewinnerseite".

Andreas Matzarakis regen solche Aussagen fürchterlich auf. "Als ob der Klimawandel irgendwo auf der Welt Gewinner hervorbringen könnte", echauffiert sich Matzarakis, der am Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung in Freiburg arbeitet, einer Einrichtung des Deutschen Wetterdienstes. Die hiesige Nord- und Ostseeküste könne "die neue Badewanne Europas" werden, hatten die Analysten der Deutschen Bank gemutmaßt.

"Unverantwortlich", nennt der Forscher solche "Ökonomen-Träume". Bereits heute sei die Infrastruktur an der Ostsee im Sommer komplett ausgelastet. "Es gibt weit und breit keinen Flughafen, und mit Wassertemperaturen von gerade einmal 20 Grad kann man einen Griechen auch nicht ins Meer locken, selbst wenn sie langsam steigen werden", sagt Andreas Matzarakis, der selbst in Griechenland geboren ist.

Zudem seien schon heute weite Teile der Ostsee "ein totes Meer", es gebe jedes Jahr eine Algenblüte, und der Klimawandel werde weitere schwerwiegende Veränderungen bringen. Aber anscheinend funktioniere der Mensch nun einmal so: "Selbst im Angesicht der Katastrophe wird noch nach dem eigenen Vorteil gesucht, nach einem Schlupfwinkel, um sich die Situation zurechtzubiegen", so Matzarakis.

Zwanzig Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung hängen direkt vom Tourismus ab, auch in Griechenland und in Italien ist die Branche eine sehr wichtige Einnahmequelle. "Wenn die wegbricht, haben auch weniger Leute in Spanien oder Griechenland Geld zum Verreisen." Mehr Hitze im Süden gleich mehr Touristen im Norden – Matzarakis warnt vor solch eindimensionalen Prognosen.

Neuere Forschungen zeigen zudem Gefahren für den Strandurlaub: So bedroht beispielsweise der Anstieg des Meeresspiegels die Hälfte aller Sandstrände weltweit. Bis 2050 könnten sich die Küstenlinien bis zu 99 Meter nach hinten verschieben, ergab eine Studie, bis Ende des Jahrhunderts stellenweise gar bis zu 247 Meter. Gut möglich also, dass dann kein Badeurlaub mehr möglich ist, wo heute noch eine neue Hotelanlage gebaut wird.

Sandstrände nehmen knapp ein Drittel der eisfreien Küsten der Erde ein. Und sie sind nicht nur für den Tourismus wichtig, sondern auch für Küstenschutz und Ökosysteme. Schon immer sind Sandstrände Wind und Wetter und Gezeiten ausgesetzt. Doch die steigenden Meeresspiegel nagen das Land schneller ab, als sich an der neuen Küstenlinie auf natürliche Art neuer Sandstrand bilden kann. Seit Mitte der 1980er-Jahre sind weltweit bereits rund 28.000 Quadratkilometer Land erodiert– doppelt so viel, wie anderswo aufgeschwemmt wurde.

Es bröckeln selbst Küsten, die jahrhundertelang als stabil galten, die Kreidefelsen von Sussex beispielsweise, ein touristisches Highlight im Süden Englands. Besonders betroffen sind die Strände Mitteleuropas, im östlichen Nordamerika, in Süd- und Westasien, sowie in Australien und auf etlichen Inseln. Allerdings gibt es auch Sandküsten, die zulegen, zum Beispiel im Amazonasgebiet oder in Ostasien.