Transatlantisches Fellstreicheln: Worüber Scholz nicht spricht

Seite 2: Schäumende Stille: Scholz besucht Biden. Warum schon wieder?

Der deutsche Kanzler trifft wieder einmal US-Präsident Biden, diesmal ganz ohne Pressebegleitung. Ein "kurzer Arbeitsbesuch", der CDU-Chef Friedrich Merz zur Frage ermuntert hat, "welchem Zweck das dient": "Eine persönliche Begegnung muss doch auch einen besonderen Grund haben. Ich kenne ihn nicht."

Damit ist Merz nicht allein. Also schäumen die Spekulationen. So titelt die New York Times etwas reißerisch, dass es um ein "End Game" im Ukraine-Krieg gehen könnte. Anlass sind Vermutungen darüber, dass die Unterstützung für die Ukraine doch ihre Grenzen habe und hier Gesprächsbedarf unter den engen Verbündeten bestehe.

Am deutlichsten berichtet die FAZ aktuell von Anzeichen für einen solchen möglichen Hintergrund. "Es könnte über rote Linien gehen bei Waffenlieferungen, auch um einen möglichen Ausweg aus dem Krieg, der, so schätzen beide Seiten, militärisch in nächster Zukunft nicht entschieden werden kann", spekulieren Markus Wehner und Majid Sattar in der gestrigen Print-Ausgabe der Zeitung über den "Besuch in ungewöhnlichem Format".

Dort findet sich die Insider-Information, wonach Biden Selenskyj zuletzt in Kiew darauf hingewiesen haben soll, "wie viel Geld des amerikanischen Steuerzahlers Washington inzwischen investiert habe" und dass dies auch seine Grenzen habe: "Die Botschaft des amerikanischen Präsidenten an Selenskyj lautete aber: Er sei als Präsident angetreten, um Amerika zu heilen, was kräftige Investitionen verlange."

Gemeint sind Investitionen ins Homeland, wo die Präsidentschaftswahlen anlaufen.

So sehr Biden seine Reise nach Kiew auch nutzte, um sich der eigenen Bevölkerung als starker Führer der freien Welt zu präsentieren, so weiß das Weiße Haus doch, dass Wahlen nicht mit Außenpolitik gewonnen werden. Teile der - intern in der Ukrainepolitik - gespaltenen Republikaner nutzen Putins Krieg, um Biden vorzuwerfen, er vertrete nicht die Interessen des amerikanischen Volkes.

Markus Wehner und Majid Sattar, FAZ

"Die Häufung der Reisen nach Washington lässt aufhorchen", schreibt auch der EU-Beobachter Eric Bonse. Er fragt in eine ähnliche Richtung wie die große US-Zeitung: Ob es darum gehe, "eine neue Phase des Krieges vorzubereiten – oder kommen endlich Verhandlungen? Zuletzt war von Gesprächen hinter den Kulissen die Rede – aber auch von mehr Waffenlieferungen …".

Bonse berichtet, dass auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die USA reist. Sehr wahrscheinlich ist damit, dass es bei den deutsch-amerikanischen Gesprächen nicht nur um den Ukraine-Krieg geht, sondern auch um die Subventionspolitik der USA, die die transatlantischen Beziehungen mit einer ganz eigenen Spannung aufladen.

EU-Mitgliedsländer, besonders Frankreich ("Das wahre Risiko für Europa ist der industrielle Absturz") und Deutschland, äußerten gegenüber dem Inflation Reduction Act (IRA) der Biden-Regierung größere Probleme: EU-Kommissar warnt: Handelsstreit mit USA könnte Europäer in Richtung China treiben.

Es gebe auch noch andere Streitpunkte, etwa im Zusammenhang mit den Panzerlieferungen – Stichwort "Junktim ja oder nein", berichtet ntv.

Dort weist man mit einem kleinen Seitenhieb auf einen früheren Konflikt hin: den um Nord Stream 2.

Auch dazu gibt es einige Fragen, keine soliden Antworten und viele Spekulationen. Die Öffentlichkeit kann sich aber sicher fühlen. Aus dem früheren Konflikt zwischen den USA und Deutschland hat sich ein grundsätzliches transatlantisches Einverständnis entwickelt: Schaum drüber.

Früher betonte Scholz noch eine eigene Position zur Pipeline.