"Traum des europäischen Hauses ist gescheitert"

Seite 2: Hoffnungslose Nachricht des Bundespräsidenten

Telepolis dokumentierte die gesamte Rede des Bundeskanzlers, ebenso wie die Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin am heutigen Montag im Rahmen der traditionellen Militärparade zum "Tag des Sieges" auf dem Roten Platz.

Eine weitgehend negative Einschätzung zum Weltkriegsgedenken kam auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er sprach angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine von einem "Epochenbruch", der das Verhältnis zu Moskau nachhaltig beeinflussen werde.

Steinmeier, der mit der Übernahme des Präsidialamtes sein SPD-Parteibuch abgab, für die Sozialdemokraten aber lange das Amt des Außenministers bekleidet hatte, erinnert daran, dass der 8. Mai über lange Zeit hinweg nicht nur ein Tag des Erinnerns und der Mahnung gewesen sei.

Sehr lange war der 8. Mai aber auch ein Tag der Hoffnung. Wer den Zweiten Weltkrieg überlebte, durfte die Hoffnung haben, dass der europäische Kontinent aus der Geschichte lernt, dass niemand mehr auf Krieg als Mittel der Politik setzt. Wer die Zeit des Kalten Krieges erlebte, der weiß um die Hoffnung, die mit der Schlussakte von Helsinki verbunden war, damals, 1975, als sich alle europäischen Staaten und auch die Sowjetunion zur Unverletzlichkeit der Grenzen bekannten und zum Verzicht auf Gewalt.

Generationen von Politikern haben dafür gearbeitet, dass "Nie wieder" auch "Nie wieder Krieg in Europa" heißt. Michail Gorbatschow hat uns eine Vision mit auf den Weg gegeben: das gemeinsame europäische Haus.

Aber heute, an diesem 8. Mai, ist der Traum des gemeinsamen europäischen Hauses gescheitert; ein Albtraum ist an seine Stelle getreten. Dieser 8. Mai ist ein Tag des Krieges.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier