Tritt Seehofer als Innenminister und CSU-Vorsitzender zurück? [Update]

Grafik: TP

CSU-Spitze verhandelt vom Nachmittag in die Nacht - Zukunft der Koalition und der Fraktionsgemeinschaft offen

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Gestern Abend soll der Bundesinnenminister und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer seinen Rücktritt von beiden Ämtern angeboten haben, was Landesgruppenchef Alexander Dobrindt angeblich als "inakzeptabel" ablehnte. Aus diesem Grund ging eine seit dem Nachmittag andauernde Sitzung der CSU-Spitze in München, in der über die Inhalte eines Gesprächs zwischen Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel beraten wurde, auch nach Mitternacht weiter.

Die Sitzung hatte die Ergebnisse des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag zum Inhalt. Auf diesem Gipfel wollte Angela Merkel "bilaterale Lösungen" zur Lösung des Problems der asymmetrischen Migration erreichen, von denen Seehofer vorher gefordert hatte, sie müssten "wirkungsgleich" mit der von ihm angekündigten Zurückweisung von in anderen EU-Ländern registrierten Migranten an der Grenze sein.

Ob die Ergebnisse (die der Welt-Autor Marcel Leubecher als teils "typische EU-Prosa, sehr vage formuliert und ohne direkte Konsequenzen" bezeichnete) solchen Zurückweisungen "wirkungsgleich" sind, darüber waren sich Seehofer und Merkel uneins, wie sie bereits am frühen Nachmittag zu erkennen gaben. Die CDU-Spitze stellte sich daraufhin nach einer Sitzung hinter Merkel. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, der mit den Grünen koaliert, sprach in der ARD-Talkshow Anne Will sogar von einem "mehr als wirkungsgleichen" Ergebnis.

Dementis und Absagen aus anderen Ländern

Dass Seehofer da anderer Meinung war, lag womöglich auch an den vorher der Reihe nach bekannt gewordenen Dementis der Regierungen Tschechiens, Ungarns und Polens, dass sie sich mit Merkel über eine schnelle Rücknahme von Migranten einig geworden seien. Das sei "völliger Unsinn", so der tschechische Regierungschef Andrej Babiš, beziehungsweise eine "Ente", wie es der Sprecher der ungarischen Regierung formulierte. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger wirkte angesichts dieses offenen Widerspruchs zu Aussagen der Bundesregierung etwas weltfremd, als er gestern mit dem Satz, das "Ergebnis dieses Gipfeltreffens [sei] nur möglich gewesen, weil die Kanzlerin in ganz Europa Autorität und Ansehen genießt" in den Zeitungen stand.

Zudem scheitern viele Rückführungen nach den Dublin-Regeln "weniger an Bereitschaft der Zielländer, als an den Asylbewerbern selbst" (die "nicht angetroffen" werden), wie unter anderem Robin Alexander anmerkte.

Noch schlechter als bei der Rücknahmebereitschaft der Dublin-Drittstaaten sah es bezüglich der Bereitschaft der Länder aus, in denen dem Gipfelergebnis nach Aufnahmezentren eingerichtet werden sollen: Hier sagten mit Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten alle Kandidaten ab. Merkel wollte deshalb von Seehofer noch einmal eine weitere Fristverlängerung bis Ende Juli haben, um die Verhandlungsergebnisse zu "konkretisieren", beziehungsweise nachzubessern.

Abseits der Politik erhielt Seehofer mit seiner Forderung einer Zurückweisung von Asylbewerber, die über sichere Drittstaaten einreisen wollen, am Samstag indirekte Rückendeckung durch eine rechtsgutachtliche Stellungnahme des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier. Der wertet darin eine solche Maßnahme nicht nur als erlaubt, sondern sogar als grundgesetzlich zwingend geboten.

Wie geht es weiter?

Tritt die CSU nach Seehofers Abgang aus der Koalition aus, könnte sich Merkel über die Grünen, die heimliche Kanzlerpartei, eine neue parlamentarische Mehrheit sichern. Sie vertreten in der Migrationspolitik ganz andere Positionen als die CSU. Auf die Frage von Alexander Dobrindt hin, wie viele von den 70 Millionen Migranten weltweit die Grünen denn aufnehmen wollten - fünf Millionen, oder vielleicht zehn Millionen - brachte das Claudia Roth im Bundestag mit dem Zwischenruf "Nein, alle!" zum Ausdruck. Ähnlich äußerte sich Katharina Schulze, die Grünen-Spitzenkandidatin zur bayerischen Landtagswahl, gestern in der BR-Sendung Sonntags-Stammtisch.

[Update: In der Nacht bestätigte Seehofer, er "habe gesagt, dass [er] beide Ämter zur Verfügung stelle" und ergänzte, dass er "das in den nächsten drei Tagen vollziehe". "In der Hoffnung, dass wir uns verständigen", werde er aber vorher noch einmal das Gespräch mit Angela Merkel suchen. Ein Weitermachen ohne Zurückweisungen an der Grenze könne er "als Innenminister nicht verantworten".]

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