Trump, die Russen und "goldene Duschen"
Wie Leitmedien mit Geheimdienstgerüchten und möglichen 4chan-Scherzen umgehen
Gestern berichteten CNN und mehrere andere US-"Leitmedien" darüber, dass der noch amtierende US-Präsident Barack Obama und sein designierter Nachfolger Donald Trump von Geheimdienstmitarbeitern offiziell über Berichte informiert worden seien, dass Russland "kompromittierende persönliche und finanzielle Informationen über Mr. Trump" habe. Buzzfeed veröffentlichte dazu sogar eine 36-seitige Memosammlung, die angeblich von einem ehemaligen Agenten des britischen Auslandsgeheimdiensts MI6 stammt.
Diese Sammlung, die Trump selbst mit den Attributen "Fake News" und "Hexenjagd" belegte, enthält einige Behauptungen, die zu offensiv aufmerksamkeitstauglich klingen, als dass man sie ohne weitere Bestätigung glauben könnte: Zum Beispiel, dass der russische Geheimdienst über ein Video verfüge, auf dem zu sehen ist, wie Trump in einem Hotelzimmer in Russland, in dem vor ihm die Obamas übernachteten, mit Prostituierten eine Golden-Shower-Orgie feiert.
Gegen eine Echtheit der Memos spricht beispielsweise, dass die Wortwahl darin nicht den offiziellen Vorgaben der Geheimdienste entspricht, wie Gateway Pundit herausfand. Auch die Behauptungen, dass sich Trumps Rechtsanwalt Michael Cohen in Prag mit russischen Agenten traf und einen Verwandten hat, dessen Datscha neben der Wladimir Putins steht, lassen sich Cohens Auskunft nach sehr leicht widerlegen.
Die New York Times publizierte diese Gerüchte, über die sie nach eigenen Angaben bereits im letzten Jahr informiert, damals bewusst nicht, weil sie sich nicht verifizieren ließen.
Hoax oder Nicht-Hoax als Meta-Hoax?
Nachdem die Meldung gestern dann doch noch die Leitmedien erreichte, freute man sich auf 4chan, dass diese Leitmedien auf einen Hoax hereingefallen seien, der auf dem Prankster-Portal seinen Ausgang genommen habe. Der republikanische Politiker Rick Wilson, den 4chan-Prankster damit angeblich fütterten, meldete sich darauf hin mit der Behauptung zu Wort, er habe die Information nicht aus dem Portal, sondern aus einer anderen Quelle bekommen - und zwar schon vor dem November, als das das Thema bei 4chan auftauchte. Das schließt freilich nicht aus, dass 4chan-Nutzer hinter der "anderen Quelle" des Republikaners stecken, der im Wahlkampf den Mormonen Evan McMullin unterstützte.
Sind Leitmedien nützliche Idioten von Geheimdiensten?
Der Vorfall ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Leitmedienmeldungen, in denen es um eine angebliche russische Einflussnahme auf die US-Wahlen geht. Gemeinsam haben diese Meldungen, dass die Behauptungen um so unschärfer werden, je weiter man sie zurückverfolgt. Meist enden sie bei "Experten" aus Geheimdienstkreisen oder der Politik, die etwas "glauben".
Manchmal werden diese "Experten" nicht einmal bei ihren Namen genannt - wie beispielsweise im Fall des angeblichen "hohen Sicherheitsbeamten", den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) als Quelle für die Behauptung nannte, die von WikiLeaks öffentlich gemachten Dokumente aus dem NSA-Untersuchungsausschuss stammten mit "hoher Plausibilität" aus einem russischen Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag. Später hieß es dann, ein Whistleblower aus dem Bundestag sei für das Leak verantwortlich.
Analogo wollte den Namen des FAS-Informanten wissen. Der wurde ihm jedoch mit Verweis auf den Quellenschutz verweigert, worauf hin, das Portal befand: "Sofern hinter der Desinformation tatsächlich ein echter Informant steckte, ließ sich die Zeitung hier offensichtlich für propagandistische Zwecke missbrauchen." Ähnliches wirft der Edward-Snowden-Medienpartner Glenn Greenwald der Washington Post vor, die sich seiner Ansicht nach immer wieder zum Sprachrohr "professioneller Lügner" aus den Geheimdiensten machen lässt.
Ein Auslandsgeheimdienst, der nicht über jeden Staatschef der Welt ein Dossier angefertigt hätte, wäre sein Geld nicht wert
Das ändert allerdings nichts daran, dass es in Russland wahrscheinlich tatsächlich Dossiers über Donald Trump gibt - ob mit oder ohne "Golden Shower". Ein Auslandsgeheimdienst, der so etwas nicht über jeden Staatschef der Welt (bis hin zum Papst) angefertigt hätte, wäre nämlich sein Geld nicht wert. Auch der deutsche BND dürfte solche Akten angelegt haben.
Eine andere Frage ist, ob darin etwas steht, womit Trump im 21. Jahrhundert wirklich erpressbar wäre. Sexuelle Vorlieben und Vorgänge eignen sich dafür heute weniger. Es gab und gibt inzwischen nicht nur zahlreiche geschiedene, sondern auch viele offen schwule Politiker - und Trumps Prahlerei mit Affären wurde von Clintons Wahlkampfteam bereits im Herbst sehr, sehr exzessiv ausgeschlachtet, ohne dass es den Republikaner den Sieg gekostet hätte.
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