Trump vs. Biden: Zwei Herren in Streitlaune
Trump stiftet Chaos, Biden wird ungehalten. Das erste Duell kennt keinen Gewinner
Das erste von drei TV-Duellen ist vorbei: Im Rennen um die US-Präsidentschaft haben sich Donald Trump und Joe Biden den erwartet ungemütlichen Schlagabtausch geliefert, der bisweilen in ein unerträgliches Chaos ausartete. Beide gingen rasch auf Konfrontationskurs, fielen sich gegenseitig ins Wort. Moderator Chris Wallace hatte alle Mühe, das Duell zu kontrollieren, denn präsidial gab sich keiner, auch überzeugen konnten beide nicht. Biden, von dem viel erwartet haben, dass er Trumps Tiraden nicht Stand halten würde, hielt Stand. Trump schwächte sich vor allem selbst.
Trump gab wie gewohnt den aggressiven Querulanten, suchte das hitzige Wortgefecht, das Biden in Verlegenheit bringen sollte. Aus der Defensive nannte ihn dieser "Clown" oder sagte nur "Shut up, man!" Biden erschien zwar abgeklärter und inhaltlich besser vorbereitet, doch in den entscheidenden Momenten, wenn Trump ihn mal ausreden ließ, kam er - scheinbar überrascht von der Stille - ins Stammeln, brachte kaum ein Argument präzise auf den Punkt. Flüssiger sprach er über Trumps Fehler als über seine eigene Agenda für die Zukunft des Landes. Auf Trumps Zwischenrufe und Gegenvorwürfe reagierte er oft langsam, selten scharf. Schlagfertigkeit hatte man sowieso nicht erwartet.
"Der schlechteste Präsident, den Amerika je hatte"
Zu den Angriffen gegen Biden gehörte entweder seine "Untätigkeit in 47 Jahren" als Politiker, sein "korrupter" Sohn Hunter, seine Nähe zu den "radikalen Linken", der "Antifa" und den "Sozialisten", auf deren Stimmen er setze und sie daher nicht mit "Law and Order" verprellen wolle. Ohnehin sei Biden eine "Nummer zwei", der als Präsident während der Corona-Krise viel mehr Tote verantwortet hätte als Trump.
Dagegen versuchte Biden, direkt in die Kamera blickend, Trump immer wieder als "Lügner" darzustellen, dem das amerikanische Volk "nicht vertrauen" dürfe. So hätte Trump während der Corona-Krise lieber auf Börsenzahlen geschaut, als sich um die Bekämpfung der Pandemie zu kümmern. Trump gab die Schuld für das Virus erneut China und bezeichnete die Pandemie als "China-Plage". Dann versuchte er Sympathiepunkte dafür zu ergattern, dass er American Football zurückgebracht habe.
Die Debatte wurde sodann schnell persönlich, als Biden sagte, dass viel mehr Menschen an Covid-19 sterben würden, wenn Trump nicht endlich "smarter" werde. Der Präsident attackierte zurück, indem er sagte: "Sie haben den niedrigsten Abschluss in Ihrer Klasse gemacht, verwenden Sie mir gegenüber nicht das Wort 'smart'." Biden forderte: "Sie sollten aus Ihrem Bunker und Ihrem Golfplatz herauskommen und in Ihr Oval Office gehen und die Demokraten und Republikaner zusammenbringen und finanzieren, was jetzt getan werden muss, um Leben zu retten."
In einem hitzigen Schlagabtausch über Trumps Steuererklärungen warf Biden seinem Gegner vor, "der schlechteste Präsident" zu sein, "den Amerika je hatte". Trump bestand darauf, dass er in den Jahren 2016 und 2017 "Millionen von Dollar" an Bundeseinkommenssteuer zahlte, woraufhin Biden einwarf: "Zeigen Sie uns Ihre Steuern!" Trump wiederholte, was er bereits seit 2015 behauptet: "Sie werden Sie sehen, sobald sie fertig sind." Als Moderator Wallace nachfragte, ob er das wirklich tun werde, sagte Trump: "Chris, lassen Sie mich Ihnen etwas sagen: Ich will keine Steuern zahlen."
Antifa vs. Proud Boys
Der heikelste Moment für Trump sollte jedoch noch kommen. In der Debatte um gewalttätige Ausschreitungen bei Anti-Rassismus-Protesten sah sich Trump dem Vorwurf ausgesetzt, Öl ins Feuer zu gießen, da er nach den Attacken weißer Rassisten in Charlottesville im Jahr 2017 diese nicht verurteilt habe. "Sind Sie bereit, heute Abend weiße Rassisten und rechtsextreme Gruppen zu verurteilen, dass sie sich zurückhalten und nicht zu der Gewalt beitragen sollen, wie wir sie in Kenosha gesehen haben und wie wir sie in Portland gesehen haben?", fragte Chris Wallace. "Klar. Ich bin bereit, das zu tun", antwortete Trump lapidar und fügte schnell hinzu: "Fast alles, was ich sehe, kommt vom linken Flügel. Nicht vom rechten Flügel."
Als Wallace nachhakte, sagte Trump: "Proud Boys - tretet zurück und haltet euch bereit." Sogleich wiederholte er: "Aber ich sage euch was. Ich werde Ihnen etwas sagen. Jemand muss etwas gegen die Antifa und die Linke unternehmen. Das ist kein Problem des rechten Flügels. Das ist ein Problem der Linken." Statt weiße Rassisten zu verurteilen, hob Trump die linke Gewalt hervor, obwohl Rechtsextremisten auch in den USA in den letzten Jahren mehr tödliche Anschläge verübt haben.
Als Wallace darauf hinwies, dass selbst der FBI-Direktor, Christopher A. Wray, gesagt hatte, dass die Antifa eine Idee und keine Organisation sei, antwortete der Präsident: "Sie machen wohl Witze." Auch Biden wies darauf hin, dass die Antifa nicht mit weißen Rassisten verglichen werden könne, da erstere eine politische Idee und keine Organisation sei. Trump kritisierte jedoch Biden dafür, dass er 1994 schwarze Kriminelle als "Super-Predator" bezeichnet hatte.
Bidens Plan kostet "100 Billionen US-Dollar"
Auch beim Thema der Klimakrise lavierte Trump, er wolle "kristallklares Wasser" und "schöne Luft", und dass es den Unternehmen gut gehe. Die Vereinigten Staaten hätten "den niedrigsten Kohlenstoff-Fußabdruck", die Menschen seien "eigentlich sehr glücklich darüber, was vor sich geht", und dass Kalifornien nicht brennen würde, "wenn sie ein besseres Waldmanagement hätten". Überall gebe es "tote Bäume", es reiche schon "eine Zigarette" für einen Waldbrand. Biden erklärte daraufhin seine Version des "Green New Deals", den "Biden-Plan". Milliarden-Investitionen in erneuerbare Energien und Energiesparmaßnahmen für vier Millionen Gebäude würden nicht zuletzt "Millionen von Jobs" schaffen. Trump behauptete der Biden-Plan würde 100 Billionen US-Dollar kosten.
Natürlich spielten auch die Wahlen selbst eine Rolle, insbesondere der Ablauf der Briefwahlen. "Dies wird ein Betrug sein, wie Sie ihn noch nie gesehen haben", sagte Trump, wie erwartet. Man habe viele Trump-Stimmzettel schon in Flüssen, Bächen und "Papiermülltonnen" gefunden, es sei eine "Katastrophe". Trump sagte, er "zähle" darauf, dass der Oberste Gerichtshof bei den Präsidentschaftswahlen "auf die Stimmzettel schaut".
Am Ende des Abends konnte kein Kandidat mit einer Vision punkten, die den nicht nur von der Pandemie, wie auch den gesellschaftlichen Zerwürfnissen, sondern auch von den politischen Gefechten erschöpften Bürgern irgendeine Zuversicht gibt. Vieles deutet stattdessen darauf hin, dass nicht nur die noch ausstehenden Duelle, sondern, schlimmer noch, auch die Wahlen am 3. November in ein endloses Chaos ausarten werden, das die Fronten noch weiter verhärten wird.
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