Trumps Jerusalem-Moment: "Great" oder giftig?
- Trumps Jerusalem-Moment: "Great" oder giftig?
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Alle Welt warnt den US-Präsidenten davor, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, was es faktisch schon lange ist. Kritiker sehen darin eine Bestätigung für die Rechten in Israel
Wieder sorgt Donald Trump für Tumult mit einer Ankündigung. Zur besten Fernsehzeit in Israel, gegen 20 Uhr Ortszeit (nach Informationen von +972), will der US-Präsident Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkennen.
Das hat noch keiner seiner Amtsvorgänger gewagt. Die Ankündigung beschert ihm schon jetzt viel Aufmerksamkeit und sättigt seine Eitelkeiten. Es ist möglich, dass die Erklärung in Geschichtsbüchern auftauchen wird. Ob dies aber lediglich eine Fußnote sein wird oder der Auftakt zu etwas Größerem, der Beginn einer tatsächlichen Zwei-Staaten-Lösung beispielsweise, oder aber der Verschärfung der Krisen im Nahen Osten, ist noch nicht abzusehen. Unübersehbar ist die Aufregung.
Warnungen von allen Seiten
Viele warnen. Außenminister Gabriel vor "weitreichenden Konsequenzen", das Auswärtige Amt vor Ausschreitungen und einer Reise nach Jerusalem - Palästinensergruppen haben Drei Tage des Zorns ausgerufen. Der Palästinenser-Gouverneur Frangi warnt vor "unangenehmen Reaktionen", Erdogan warnt ("rote Linie wird überschritten"), der König von Saudi-Arabien warnt, die ägyptische Führung, Irans oberster Führer Khamenei wie auch Präsident Rohani und der jordanische König warnen ebenfalls. Russland und China äußerten lediglich Besorgnis.
Wie ernst sind diese Warnungen zu nehmen? Es war ja mit ihnen zu rechnen. Die Jerusalem-Frage ist seit Jahrzehnten ein neuralgischer, entzündlicher Streitpunkt. 160 Staaten haben diplomatische Beziehung zu Israel erkennen aber bislang Jerusalem, obschon Sitz der Knesset, nicht offiziell als Hauptstadt an, Trump tritt nun aus diesem Konsens aus (siehe Jerusalem for Dummies).
Trump kündigte seine Entscheidung an wichtigen Stellen an. Er telefonierte mit Abbas und mit König Salman, mit dem jordanischen König steht er ohnehin in engem Kontakt. Es ist ihm also bewusst, auf welche Reaktionen er treffen wird - bis zu einem gewissen Grad: Unklar ist, wie hoch sich die Empörung unter den Palästinensern schaukeln kann.
Gefahr einer Intifada?
Nicht alle sehen die Gefahr einer neuen "Intifada", die Trumps Erklärung heute Abend auslösen könnte. Anshel Pfeffer von Ha'aretz etwa stuft die Eskalationsmöglichkeiten insgesamt deutlich niedriger ein als andere: Die Messerattacken, manchmal "stabbing intifada" genannt, hätten auch Grenzen gezeigt. Sie hätten nicht auf eine größere palästinensische Gemeinschaft übergegriffen, Ähnliches gelte für Unruhen am Tempelberg in diesem Sommer, die sich nicht über Jerusalem ausgedehnt haben.
Die palästinensischen Fraktionen, so seine Lageeinschätzung, seien im Augenblick mehr mit dem komplexen Unterfangen der Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen Hamas und Fatah und der Verbesserung der Bedingungen im Gazastreifen befasst. Ein Aufwallen der Gewalt in der Reaktion auf Trumps Erklärung sei aller Wahrscheinlichkeit nach kurzlebig.
Die Reaktionen der arabischen Vertreter sind aus dieser nüchternen Sicht vor allem ein diplomatisches Ritual, das von der Öffentlichkeit der jeweiligen Länder und im arabischen Raum als notwendig verlangt wird. Einzig Erdogan ist etwas unberechenbar.
Warum den eigenen Plan vereiteln?
Interessant ist die Frage im Kern dieser Lageeinschätzung: Warum sollte Trump das Risiko einer Eskalation eingehen, wenn sein größerer Plan doch eine Vereinbarung zwischen Israel und den Palästinensern ist? Warum sich selbst Hürden zu einem neuen "Friedensplan" in den Weg werfen?
Man kann davon ausgehen, dass Trump die Erklärung nicht abgeben würde, wenn der saudische König und der Kronprinz ihm signalisiert hätten, dass sie ernsthaft etwas gegen diesen zwar hochaufgeladenen, aber immer noch hauptsächlich symbolischen Akt hätten, von dem anzunehmen ist, dass die USA - bis zu einer Vereinbarung zwischen Israel und Palästinensern - damit alleine bleiben und sich keine anderen Länder anschließen werden.
Nach bisherigen Informationen wird Trump eine abgestufte Erklärung abgeben mit der formellen US-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels; die praktische Folge, der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, soll aber weiter aufgeschoben werden.
Die Front gegen Iran ist wichtiger
Für Saudi-Arabien ist der Konflikt mit Iran wichtiger und damit die gemeinsame Front mit den USA und Israel. Ohnehin kann man aus den letzten Jahren saudi-arabischer Politik das Fazit ziehen, dass sich das Königreich nur sehr zurückhaltend um den israelisch-palästinensischen Konflikt gekümmert hat, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz hat sich Riad nur spärlich, wenn überhaupt für die Interessen der Palästinenser ins Zeug gelegt.
Syrien und Jemen und der Feind Iran waren viel wichtiger. Das ist auch jetzt der Fall: "Jerusalem? Who cares when you have Qassem Suleimani/Iran/Assad/Hizbollah to worry about" (Ehsani2)
Zwar zeigte sich auf dem letzten Gipfel der Arabischen Liga, dass Saudi-Arabien von den anderen Mitgliedsländern nicht die Unterstützung für einen Eskalationskurs gegen Iran bekommt, die es sich wünscht. Aber daraus folgt nicht, dass Länder der Arabischen Liga nun - im Gegensatz zu Saudi-Arabien - plötzlich über empörte Äußerungen und Warnungen hinaus so deutlich Partei für die Palästinenser ergreifen, dass sich Trump fürchten müsste. Sie werden nichts gegen Saudi-Arabien unternehmen.
Auch Katar hat in dieser Sache keine wirklich großen Hebel, das Land ist derzeit vor allem damit beschäftigt, aus seiner von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate aufgezwungenen erschwerten Lage das Beste zu machen.
Ägypten ist gegenwärtig kein Entscheidungsfaktor mehr, sondern eine abhängige Variable. Aus Kairo ist kein großer Einwand gegen Trumps Israel-Politik zu erwarten, man muss nur an das Foto vom arabische-amerikanischen Gipfel im Frühjahr in Riad erinnern, wo al-Sisi neben Trump und König Salman der dritte im Bunde war, der den Globus umfasst hielt.