Türkei: Ist die "Gute Partei" gut?

Iyi Parti: Eine neue Partei drängt auf die politische Bühne der Türkei. Wofür steht sie? Kann sie Erdogans AKP gefährlich werden?

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Ende Oktober hat sich unter Führung der ehemaligen Innenministerin Meral Aksener eine neue Partei gegründet, die antritt, um es bei den Wahlen im Jahr 2019 mit Recep Tayyip Erdogans regierender AKP aufzunehmen - und um ihm den Posten des Staatspräsidenten streitig zu machen. Und in ersten Umfragen sieht es tatsächlich so aus, als könnte sich da eine neue ernstzunehmende Kraft etablieren.

Auf Anhieb können sich fast 20 Prozent der Wähler vorstellen, ihr Kreuz bei der Iyi Parti ("Gute Partei") zu machen. Je nach Institut liegt sie in den Erhebungen sogar noch vor der kemalistischen CHP, die traditionell die größte Oppositionspartei in der Türkei ist.

Doch wofür steht die Partei, die sich als Kraft rechts der Mitte verortet, sich aber von der rechtsradikalen MHP abgrenzen will? Um das zu klären, muss man einen Blick auf ihre Entstehung im Frühjahr und Sommer dieses Jahres werfen.

Partei von MHP-Aussteigern

Im Zuge des Verfassungsreferendums zur Etablierung eines Präsidialsystems ging die MHP eine informelle Koalition mit der AKP ein. MHP-Chef Devlet Bahceli unterstützte Erdogan und warb bei den Wählern für die Ja-Stimme, während die CHP und die linksliberale HDP für Nein warben. Nach massiven Repressionen gegen die Nein-Kampagne im Wahlkampf und Manipulationen der Abstimmung gewann das Ja-Lager am 17. April mit einem knappen Vorsprung.

Für die MHP war der Schulterschluss mit der AKP aber da bereits zum Verhängnis geworden. Denn die Basis weigerte sich, den Kurs der Parteispitze mitzutragen. Am Ende stand Bahceli auf verlorenem Posten und musste zusehen, wie seine Partei durch Austritte und einen Absturz in den Umfragen erodierte. Das rechtsradikale Lager hatte wenig Lust, sich einem allmächtigen Präsidenten Erdogan unterzuordnen, der auf eine gänzliche Entmachtung des Parlaments zusteuert. Die Iyi Parti rekrutiert sich zum größten Teil aus den MHP-Aussteigern.

Meral Aksener, die seit 2007 für die MHP im Parlament saß, treibt auch eine persönliche Fehde gegen Devlet Bahceli. Als sie ihm 2016 den Posten des Parteichefs streitig machen wollte, warf er sie aus der Partei. Ein Fehler, den er inzwischen bereuen dürfte. Denn Aksener, die 1996 bis 1997 als Mitglied der rechtsradikalen DYP Innenministerin war, ist eine charismatische Machtpolitikerin.

Herausforderung für Erdogan

Als Bahceli sich nun einen Fehltritt nach dem anderen erlaubte, sah sie ihre Chance gekommen. Ihre Ankündigung im Sommer, eine neue Partei gründen zu wollen (siehe: Die türkische Parteienlandschaft erodiert), führte zu einem weiteren Massenaustritt aus der MHP. Diese liegt in den aktuellen Umfragen nur noch bei rund 8 Prozent, also deutlich unter Zehn-Prozent-Hürde. Sie hätte keine Chance mehr, im nächsten Parlament vertreten zu sein. Daher verwundert es kaum, dass Bahceli in letzter Zeit vehement eine Absenkung der Hürde fordert.

Die Möglichkeit, dass das passiert, ist durchaus vorhanden. Denn Erdogan braucht Verbündete. Seine AKP liegt, je nach Umfrageinstitut, nur noch bei 38 bis 43 Prozent Zustimmung. Ein historischer Tiefstand. Und weder CHP noch HDP noch Iyi Parti werden mit ihm zusammenarbeiten. Aksener konnte ihre Partei gründen, weil die MHP-AKP-Kooperation der MHP den Todesstoß versetzt hat. Sie wird kaum das Risiko eingehen, dass ihre eigene Partei dasselbe Schicksal ereilt. Im Gegenteil: Sie positioniert sich klar als Alternative zu Erdogan. Sie fordert ihn heraus.

Eine Absenkung der Hürde könnte aber auch die HDP stärken. Und das kann Erdogan nicht riskieren. Die Partei hat ihm bereits 2015 seine Mehrheit im Parlament verhagelt. Seither führt er offen Krieg gegen sie, die Parteispitze und tausende Mitglieder sitzen in Haft. Aber obwohl er vehement versucht, die Partei in die Nähe von Terroristen zu rücken, sind ihre Umfragewerte weitgehend stabil.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie 2019 ins Parlament käme, ist nach wie vor hoch. Aber um seine Macht zu zementieren braucht Erdogan 2019 mindestens 51 Prozent der Stimmen. Denn die Verfassungsänderung tritt erst mit der Wahl in Kraft. Hat er dann keine Mehrheit, wird es eng für ihn.

Eine wählbare Alternative zur AKP?

Aber ist die Iyi Parti tatsächlich eine wählbare Alternative zur AKP? Rhetorisch zumindest stellt sie sich so dar. Sie will eine Mitte-Rechts-Partei sein, die für weit mehr Menschen wählbar ist als für das explizit rechtsradikale Klientel der MHP. Das Problem dabei: Die Partei rekrutiert sich überwiegend aus ehemaligen Kadern der MHP. Alle wichtigen Akteure vertreten rechte bis rechtsradikale Positionen.

Eine gewaltfreie Lösung des Kurdenkonflikts beispielsweise ist für sie keine Option. Im Gegenteil: Ihr Personal steht für einen Konfrontationskurs nicht nur gegen Kurden, sondern auch gegen andere ethnische und gesellschaftliche Minderheiten. Die Ausrichtung der Iyi Parti ist nationalistisch, sie bläst damit ins selbe Horn wie alle Parteien, die HDP einmal ausgenommen. Sie will ein Feld besetzen, das bereits besetzt ist und das von der AKP seit Jahren am erfolgreichsten beackert wird.

Demokratische Reformen oder gar eine Abkehr der repressiven Machtpolitik sind unter Meral Aksener nicht zu erwarten. Was der Türkei fehlt, das wird mit dieser Parteigründung deutlich, ist eine echte Alternative, die auf demokratische Werte, den Rechtsstaat und den faktischen Pluralismus des Landes setzt, anstatt all das zu negieren oder gar zu ignorieren. Auch die CHP, die sich zuletzt als demokratische Partei das Wort "Gerechtigkeit" auf die Fahnen schrieb, knickte ein, als Erdogan den Autonomiebestrebungen der Kurden in Syrien und im Irak militärisch begegnete.

Sie erklärte ihre Unterstützung für den Einsatz der Armee. Dabei haben die letzten Jahrzehnte gezeigt: Das ist ein Konflikt, der sich militärisch nicht lösen lässt. Einer friedlichen Lösung am nächsten kamen die Friedensgespräche zwischen Ankara und der PKK, die Erdogan 2015 aufkündigte, weil er sich dadurch einen Wahlgewinn versprach. Dabei war er selbst es gewesen, der diese Gespräche begründet hatte.