Türkis-grün-pinke Kleiderschrank-Koalition in Österreich?
Felipe macht Kurz Avancen
Weil die Regierung aus ÖVP und FPÖ im Mai im Zuge der Ibiza-Affäre endete, wird in Österreich am 29. September ein neuer Nationalrat gewählt. Den drei jüngsten Umfragen von Research Affairs, OGM und Market nach kann die ÖVP dabei mit 35 Prozent Stimmenanteil rechnen. Das sind drei Punkte weniger als kurz nach dem Ende der Regierung, was womöglich auch damit zusammenhängt, dass die Partei inzwischen eine Schredder-Affäre mit eventueller Verbindung zur Ibiza-Affäre am Hals hat (vgl. Schredder-Affäre: Stammten Festplatten nicht nur aus Druckern, sondern auch aus Laptops?).
Der Umfragewert der FPÖ (der die Ibiza-Affäre anfangs am meisten schadete) hat sich dagegen seit dem Juni kaum verändert: OGM und Market messen sie bei 20 Prozent, bei Research Affairs kommt sie auf 19. Zwischen den beiden ehemaligen Regierungsparteien befindet sich die bei 21 bis 23 Prozent gemessene sozialdemokratische SPÖ. Mit diesen Umfragewerten liegt auch sie niedriger als vor Beginn der Ibiza-Affäre, obwohl man erwarten hätte können, dass sie als unbeteiligte Oppositionspartei eigentlich davon profitiert. Dass das nicht geschah, könnte mit ihrer aktuellen Chefin Pamela Joy Rendi-Wagner zusammenhängen, die im Wahlkampf eine nicht unbedingt eindrucksvolle Figur abgibt.
Grüne wieder bei zehn bis elf Prozent
Ein anderer Grund dafür, dass die Sozialdemokraten nicht mehr bei 28 Prozent liegen, sind die Grünen, die sich seit Mai von fünf auf jetzt zehn bis elf Prozent steigerten. Bei der letzten Nationalratswahl waren sie nach einem Verlust von 6,82 Punkten mit 3,8 Prozent an der Sperrhürde gescheitert. Ihnen kommen außer der schwachen SPÖ-Spitzenkandidatin zwei weitere Faktoren entgegen:
Erstens: Ihre von Peter Pilz gegründete Abspaltung "Jetzt", die 2017 noch mit 4,14 Prozent in den Nationalrat einzog, wird inzwischen nur mehr bei ein bis zwei Prozent gemessen. Zweitens: In Deutschland steht die in den dortigen öffentlich-rechtlichen Medien sehr präsente Grünen-Filiale inzwischen bei 22 bis 26 Prozent. Dieser - je nach Gusto - "Schwung" oder "Hype" - wirkt sich anscheinend auch auf das Nachbarland aus.
Wie lange dieser Effekt anhält, wird auch davon abhängen, ob ihm lokale Skandale österreichischer Grünen-Politiker entgegenwirken. Die in dieser Hinsicht nicht ungefährliche ehemalige Bundesssprecherin Eva Glawischnig ist die Partei zwar an den Glücksspielkonzern Novomatic losgeworden - aber andere umstrittene Figuren wie Sigrid Maurer stehen weiterhin auf aussichtsreichen Listenplätzen.
Vorbild Salzburg
Mit solchen Umfragewerten im Hintergrund hat die grüne Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe, die auf Landesebene bereits mit der der ÖVP regiert, der Volkspartei ein indirektes Bundeskoalitionsangebot gemacht: Sollte das Nationalratswahlergebnis ihrer Partei die Option einer Koalition mit der Volkspartei zulassen, dann werde man auf jeden Fall "ernsthafte Koalitionsgespräche führen". Vorher hatte sie noch gemeint, die Grünen könnten kein "Partner" in einem "System Kurz" sein.
Ob 35 Prozent der ÖVP und zehn bis elf Prozent der Grünen für eine Mandatsmehrheit im Nationalrat ausreichen ist allerdings unklar und hängt unter anderem davon ab, wie hoch der zusammengerechnete Anteil der Stimmen der kleineren Parteien sein wird, die an der Vier-Prozent-Hürde scheitern. Für den Fall, dass es für eine Zweierkoalition nicht reicht, zeigt sich Felipe offen für eine Aufnahme der aktuell bei acht bis zehn Prozent gemessenen Neos in die Regierung. Im Tiroler Nachbarland Salzburg arbeitet so eine Dreierkoalition aus ÖVP, Grünen und Neos ihrer Ansicht nach "gut".
Schützenhöfer: Keine Koalitionsoption ausschließen
Die ÖVP sollte den Worten ihres steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer vor der Nationalratswahl weder die von Felipe ins Spiel gebrachte Koalition mit den Grünen noch eine mit einer anderen Partei ausschließen. Sonst stehe man irgendwann "allein auf dem Hof". Schützenhöfer selbst koaliert in Graz mit der SPÖ, mit der die ÖVP auf Bundesebene zwischen 1987 und 2000 und zwischen 2007 und 2017 regierte.
Die Bundes-ÖVP hält sich bislang an seinen Rat, stellt aber in Richtung ihres alten Koalitionspartners Forderungen, die vielleicht auch das Ziel haben, die Kluft zwischen der Hofer-FPÖ und der Kickl-FPÖ zu vertiefen, nachdem die bisherige blaue Integrationsfigur Heinz-Christian Strache mit der Ibiza-Affäre wegfiel. Eine dieser Forderungen, die der umstrittene ehemalige Kanzleramtschefs Gernot Blümel aussprach, ist eine "Lex Sellner": eine Änderung des Vereinsrechts, nach der die Vereine der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) verboten werden sollen. Nach bisheriger Rechtslage sind für so ein Verbot Verstöße gegen Strafgesetze Voraussetzung. Blümel möchte das um die Verbreitung "staatsfeindlichen Gedankenguts" erweitert sehen.
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