Türkische Schulen in Deutschland?
In der Türkei gibt es drei deutsche Schulen - nun will die Türkei auch eigene Schulen in Deutschland eröffnen. Offenbar wird schon seit 2018 darüber verhandelt
Die Situation im türkischen Bildungssystem ist desolat. Tausende Lehrer wurden in den letzten Jahren entlassen oder auch inhaftiert, weil sie in Opposition zur Regierung stehen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat zudem für eine Anpassung von Schulbüchern und Lehrplänen gesorgt, damit der Nachwuchs ganz im Sinne seiner Ideologie unterrichtet wird.
Lehrpläne mit Lücken
Viele dunkle Aspekte der türkischen Geschichte wie der Genozid an den Armeniern oder die Pogrome gegen Juden und Griechen kommen in den Schulen gar nicht vor, während sich alle Kinder zum Türkentum bekennen müssen - also auch Kurden und Armenier. Republikgründer Atatürk spielt nur noch eine untergeordnete Rolle, 2017 wurde Darwins Evolutionstheorie aus den Lehrplänen verbannt.
Eine ehemalige Lehrerin, die ungenannt bleiben möchte, beklagt diese Zustände: "Ich konnte den Job nicht mehr machen. Was wir den Schülern beibringen hat mit Bildung nicht mehr viel zu tun."
Die staatlichen Schulen hatten in der Türkei noch nie einen sonderlich guten Ruf - eine Lücke, in die auch die Gülen-Bewegung stieß, indem sie eigene Schulen aufbaute, denen lange Zeit eine deutlich höhere Qualität bescheinigt wurde.
Doch nach dem Putschversuch von 2016, für den Erdogan und die AKP die Gülenisten verantwortlich machen, wurden die Schulen geschlossen und dann zu staatlichen religiösen Schulen umfunktioniert. Unter dem Umbau des Schulsystems litten vor allem die Leistungen der Schüler, die nach Erhebungen des türkischen Bildungsministeriums deutlich nachgelassen haben.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die drei deutschen Schulen in Istanbul, Ankara und Izmir als beliebt und die Unterrichtsplätze als begehrt gelten. Doch als Privatschulen mit fünfstelligen jährlichen Schulgebühren in Euro stehen sie nur wohlhabenden Familien offen.
Der Einfluss der türkischen Behörden
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, will Erdogan nun den umgekehrten Weg gehen und auch türkische Schulen in Deutschland eröffnen. Die Verhandlungen hierüber laufen offenbar bereits seit 2018 und sind, so scheint es, mit der Drohung verbunden, die deutschen Schulen in der Türkei zu schließen, sollte die Bundesregierung dem Ansinnen aus Ankara nicht zustimmen.
Die Gülen-Bewegung betreibt mehrere Gymnasien und zahlreiche Nachhilfe-Einrichtungen in Deutschland. Die Schulen unterstehen allerdings den deutschen Bildungsbehörden und müssen dieselben Lehrpläne anbieten wie öffentliche Schulen hierzulande. Dasselbe würde für staatliche türkische Schulen gelten, würden sie eröffnet. Als erste Standorte sollen Berlin, Frankfurt und Köln im Gespräch sein.
Rein rechtlich bliebe also der Einfluss der türkischen Behörden an diesen Schulen gering - eine Situation wie in den DITIB-Moscheen, deren Inhalte von der türkischen Religionsbehörde diktiert werden, ist nicht zu befürchten. Ob man eine Einflussnahme aber gänzlich ausschließen kann, ist ungewiss.
Die Befürchtung, dass Erdogan diese Schulen nutzen will, um seinen Einfluss in Deutschland, wo er stets hohe Wahlergebnisse erzielt, auszubauen, ist zumindest berechtigt. Außerdem riskiert die Bundesregierung, dass man ihr eine Zustimmung als ein erneutes Einknicken vor Erpressungsversuchen aus Ankara auslegen könnte.