Tunesien: "Nur zwei Kalaschnikows, 4 Handgranaten und einige Kugeln nötig"

Gleich mehrere Gruppen wollen den Anschlag in Tunis für sich reklamieren. In den Botschaften wird darauf verwiesen, wie wenig Aufwand nötig ist, um Terror zu erzeugen

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Das Attentat von Tunis sei nur "der erste Regentropfen", tönt der Islamische Staat. Ein Bekenntnis des IS zum Anschlag auf die Touristen kursiert im Netz, in Ton und Bild, wird von SITE, Dschihadologen und großen Medien gemeldet. Die beiden getöteten Gewalttäter, Yassine Laabidi und Hatem Khachnaoui, bekommen darin den "Ritterschlag" und die Welt wieder einmal die Warnung, dass dies nur der Auftakt zu Größerem sei.

Allerdings treten auch Experten auf - wie der tunesische Analyst Michaël Béchir Ayari bei der International Crisis Group -, die vor einer vorschnellen Zuweisung warnen. Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen dschihadistischen Gruppen sei groß, sie rangeln sich gewissermaßen darum, das massenmörderische Attentat, das viel Medienaufmerksamkeit bekam, auf ihre Fahnen zu schreiben.

Das Format des Audio-Statements sei ungewöhnlich für den IS, so Ayari. Darüber hinaus es gebe noch andere Botschaften von anderen Gruppen, etwa von Ifrikiya al Alam, das mit der Katiba Okba Ibn Nafa verbunden sei, die im Westen Tunesiens, im Djebel Chambi, operieren. Beide halten wiederum enge Verbindungen zu al-Qaida im islamischen Magreb (AQIM). Von Ifrikiya al Alam stammen Nachrichten zum Attentat, wonach dieser eigentlich das Parlament im Visier hatte, die Attentäter aber schließlich doch befanden, dass Touristen "auch ein gutes Ziel" seien.

Auch im Bericht der New York Times wird darauf verwiesen, dass mehrere Gruppen Reklame mit dem Blutbad zu machen versuchen. Die Botschaft des islamischen Staates sei nach Informationen der Zeitung über "Afriqiyah Media" versendet worden. Dort werde viel Bildmaterial wiedergegeben, das aus anderen Medien zusammengekramt wurde, manche Behauptungen würden auch Aussagen von Augenzeugen und tunesischen Regierungsvertretern widersprechen.

Dies dürfte allerdings nicht für die Aussage gelten, die das Offensichtliche und das Bedrohliche auch dieses Anschlags kennzeichnen: Für den Anschlag auf das "Herz des Tyrannen" waren nur zwei Kalaschnikows, 4 Handgranaten und einige Kugeln nötig, zum Preis von etwa 4.000 tunesischen Dinar, umgerechnet nicht ganz 2.000 Euro. Man musste nicht einmal den aufwendigen Weg nach Libyen nehmen, um an die Waffen zukommen, sie seien auch in Tunesien zu erhalten.

Expertenrunden diagnostizieren angesichts der früheren Attentate in Paris und in Kanada eine Rückkehr zu einfachen Anschlagsmethoden, amerikanisch: "killing spree", tödliche Salven aus automatischen Gewehren. Massenmord, der, wie Zeugen im Fall des Bardo-Anschlags berichten, nicht blind erfolgt, sondern genaue Zielvorgaben hat ("Wir kommen nicht um euch zu töten, sondern die Touristen und die Polizisten"). Schutz gegen solche Anschläge gibt es nicht.

"Wir geben nicht klein bei". Titel der tunesischen Zeitung "La Presse". Screenshot

Große Planungen brauchte es im Fall des Anschlags auf Besucher des Nationalmuseums nicht. Laut Angaben der tunesischen Regierung hatten beide Männer in der Vergangenheit ein Ausbildungslager der dschihadistischen Gruppe Ansar al-Sharia in Libyen besucht. Bemerkenswert ist die Aussage des tunesischen Innenministers, wonach beide Männer zuvor in tunesischen Moscheen "rekrutiert" wurden.

Wer sie rekrutiert hat, und wie das Umfeld von manchen Moscheen genau aussieht, könnte zusammen mit der scharfen Kritik an den laxen Sicherheitsmaßnahmen in Tunis, dürfte in den nächsten Wochen debattiert werden. Die Regierungspartei, Nida Tunes, die mit der islamistischen Ennahda-Partei eine Koalition bildet, hatte im Wahlkampf mehr Sicherheit und mehr Härte gegen die Dschihadisten angekündigt.