UK: Brexit-Verzögerung wegen Corona?

Symbolbild: Pixabay

Nigel Farage warnt vor einer Beibehaltung mancher Maßnahmen nach der Krise

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In der britischen Opposition und in der von der deutschen CDU dominierten Europäischen Volkspartei wurden im Zuge der Coronakrise Stimmen laut, die wegen der Seuche eine Verschiebung der nächsten Brexit-Etappe fordern: Die Labour-Politikerin Lisa Nandy meinte beispielsweise in einem Gastbeitrag für den Guardian, die britische Wirtschaft vertrage nun keine weitere "Unsicherheit" - und der Luxemburger Christdemokrat Christophe Hansen sagte der BBC, er könne sich nicht vorstellen, dass sich eine britische Regierung einem "doppelten Unglück" aussetzt.

Angeblich gehen auch hohe britische Beamte davon aus, dass sich der Ausstieg durch die Epidemie verzögert. Zumindest sagten sie das - unter dem Siegel der Anonymität - der Londoner Times, der Financial Times und dem Daily Telegraph. Die Meldungen dieser Zeitungen wurden jedoch umgehend vom britischen Premierminister Boris Johnson und vom britischen Außenminister Dominic Raab dementiert.

Risiko einer weiteren finanziellen Belastung

Nigel Farage, der "Vater des Brexits", warnt auf Facebook trotz dieser Dementis vor einem verspäteten Ausstieg. Ihm zufolge würde sich das Vereinigte Königreich damit dem Risiko einer weiteren finanziellen Belastung aussetzen, weil das weitere Anwachsen der EZB-Bilanz durch das erneute unbegrenzte Ankaufen von Staatsanleihen mittelfristig nicht ohne Folgen bleiben werde.

Darüber hinaus sorgt sich der Gründer der Brexit Party um die im Zuge der Coronakrise verhängten neuen Kompetenzen für die Polizei. Er sei, so Farage, zwar einer der ersten gewesen, die die britische Regierung für ihre inzwischen aufgegebene Strategie einer Herdenimmunität kritisierten und wolle keinen Zweifel daran lassen, dass die Sars-CoV-2-Epidemie bekämpft werden muss - aber nun frage er sich, ob einige britische Polizisten ihre neu gewonnene Macht nicht zu sehr genießen, um sie nach der Krise widerstandslos wieder abzugeben.

Einkaufskontrollen und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Erlaubnis

Ein Warnsignal ist für ihn unter anderem, dass Polizisten Bürger selbst dann von Badestränden verwiesen, wenn der Abstand zwischen ihnen weit mehr als der vorgeschriebene war. Für ebenso bedenklich hält er eine Drohung des Polizeichefs von Northamptonshire, seine Beamten würden sich in Supermärkten die Einkäufe der Kunden genau ansehen. Während diese Drohung inzwischen zurückgenommen wurde, beharren andere hohe britische Polizeibeamte weiterhin auf der Forderung, man müsse nun auch ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl und ohne Genehmigung der Bewohner in Wohnungen eindringen dürfen, um zu sehen, ob dort gegen Kontaktbeschränkungen verstoßen werde.

Ein verhältnismäßigeres und geeigneteres Mittel, gegen die Seuche vorzugehen, ist für Farage eine Pflicht zum Bedecken von Mund und Nase in der Öffentlichkeit. Das, so der ehemalige UKIP-Vorsitzende, sei der Preis, den man bezahlen müsse, um den "Lockdown" im Mai zu lockern.

OBR berechnete Preis eines dreimonatigen Lockdowns

Auch dieser Lockdown hat einen Preis, wie eine neue Projektion des Office for Budget Responsibility (OBR) zeigt: Blieben die aktuellen Beschränkungen noch drei Monate lang in Kraft, dann würde die britische Wirtschaft bis zum Juni um 35,1 Prozent schrumpfen. Selbst dann, wenn sie sich nach einem dreimonatigen Lockdown schnell erholt, wäre die Hinterlassenschaft auf das ganze Jahr 2020 gerechnet ein Negativwachstum in Höhe von 13 Prozent.

Zu den jetzt 3,4 Millionen Arbeitslosen kämen dann weitere zwei Millionen dazu, was die Arbeitslosenquote auf über zehn Prozent erhöhen würde. Die Staatsschulden würden deshalb in diesem und im nächsten Jahr auf 273 Milliarden Pfund steigen - 14 Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts. Und das Haushaltsdefizit wäre das größte seit dem Zweiten Weltkrieg.

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