US-AfriCom und KSK seit Jahren in Mali aktiv

Nicht nur bei der Drohnenkriegführung scheint das AfriCom eine zentrale Rolle zu spielen

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Ende Mai veröffentlichten die Süddeutsche Zeitung und das ARD-Magazin Panorama Recherchen, wonach sog. "gezielte Tötungen" durch Kampfdrohnen der USA vom US Africa Command (AfriCom) in Stuttgart-Möhringen aus koordiniert werden.

General David M. Rodriguez, seit April Kommandeur des U.S. Africa Command. Bild: AFRICOM

Die Bundesregierung behauptet, davon nichts gewusst zu haben, ansonsten hätte sie sich nach Einschätzung von Juristen der Beihilfe zum Mord oder zur Führung eines Angriffskrieges schuldig gemacht. Christian Ströbele etwa wurde am 5. Juni im Bundestag eindeutig:

Beides sind Straftaten, die in Deutschland mit der höchsten Strafe bedroht sind: mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe.

Ausbildung "verschiedener militärischer Gruppen in Westafrika"

Weitere Recherchen zu den Aktivitäten des AfriCom weisen jedoch auf eine enge Zusammenarbeit zwischen dem AfriCom und dem in Calw stationierten Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr bei Operationen in Afrika hin.

Bereits 2005 nahmen Soldaten der Bundeswehr an vermeintlichen "Übungen" der US-Army in Mali teil, die als Vorläufer zur Gründung des AfriCom gelten. In seiner Antwort auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen antwortete Christian Schmidt, Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt:

Angehörige der Bundeswehr haben an der Übungsreihe Flintlock 2005 in Bamako (Mali) und im Raum Gao (Mali) und 2013 im Raum Nema (Mauretanien) als Beobachter sowie 2008 und 2010 im Raum Bamako (Mali) und 2011 im Raum Thies (Senegal) als Ausbilder teilgenommen.

Spätestens mit der Einrichtung des AfriCom 2008 waren auch Soldaten des KSK vor Ort, was durch einen Fall von Veruntreuung öffentlich wurde. Am 10. Juni 2013 berichtete der Schwarzwälder Bote, ein Soldat des KSK habe 100.000 Euro "Handgeld" erhalten, als er "im westafrikanischen Mali im Jahr 2008 ein Trainingslager organisieren sollte", und habe sich davon knapp 40.000 Euro abgezweigt, "um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren". Kurz zuvor hatte das Verteidigungsministerium noch Aktivitäten des KSK erst ab 2011, kurz bevor die Situation im Norden Malis eskalierte, eingeräumt:

An der Übung Flintlock 2011 nahmen vom 10. Februar bis 15. März 2011 zehn Soldaten des Kommandos Spezialkräfte als Ausbilder und ein weiterer Soldat des Verbandes als Verbindungsoffizier zum Übungsstab der Joint Special Operations Task Force - Trans Sahara teil. Zusätzlich war der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte aus dem Kommando Spezialkräfte für die Abschlusszeremonie vom 9. März bis 11. März 2011 angereist. Je ein Offizier des Bundesministeriums der Verteidigung, des Kommandos Führung Operationen von Spezialkräften und des Kommandos Spezialkräfte haben vom 28. Februar bis 4. März 2013 am Trans Sahara Security Senior Leader Symposium teilgenommen.

Auf eine mündliche Frage der Abgeordneten Dagdelen hin wurde daraufhin präzisiert, seit 2008 sei "von deutschen Soldaten … unter anderem auch Ausbildungsunterstützung für einzelne militärische Gruppen aus westafrikanischen Staaten geleistet" worden, u.a. aus Mali, dem Senegal und Nigeria, wo das Militär bei der Bekämpfung von Boko Haram schwerste Menschenrechtsverletzungen begeht und Luftangriffe auf Ortschaften flog, vor denen Zehntausende flohen.

Die 100.000 Euro "Handgeld" zum Aufbau eines Trainingslagers stammten demnach aus dem Haushaltstitel für "Sonstige Übungskosten" des Bundesverteidigungsministeriums - lange bevor im Frühjahr 2013 der Bundestag ein Mandat für eine Ausbildungsmission der Bundeswehr in Mali erteilte.

Im zentralen Zeit des ersten mobilen "Forward Command Post". Bild: AFRICOM

Gemeinsame Übungen auch in Deutschland

Diese Einsätze der Bundeswehr und des KSK erfolgten im Rahmen der vom AfriCom koordinierten Übungsreihe "Flintlock". Ausschreibungen auf der Homepage intelligencecareers.com deuten darauf hin, dass diesen Einsätzen "zum Schutz der Soldaten" auch "Analysten" beigestellt sind, die zugleich die Aufgabe haben, Informationen aus Printmedien, dem Internet, Radio und Fernsehen sowie der lokalen Bevölkerung zu sammeln.

Nach Darstellung der ARD-Sendung Panorama sind es eben solche Analysten, die im Auftrag des AfriCom u.a. in Tunesien, Mali, Mauretanien, Senegal, Marokko, Burkina Faso, Niger, Nigeria und dem Tschad Informationen sammeln und "individuelle Ziele für die Tötung nominieren" sollen.

Unmittelbar an diesen Einsätzen beteiligt war das in Stuttgart stationierte Bataillon der 10th Special Forces Group. Wahrscheinlich aus Stuttgart stammende Einheiten der 10th Special Forces Group waren es auch, die im November 2011 (kurz nach dem "Ende" der von den USA aus Stuttgart kommandierten NATO-Intervention in Libyen und kurz vor Beginn der Krise in Mali) mit Soldaten des KSK eine gemeinsame Fallschirmspringerübung im schwäbischen Wendelsheim bei Rottenburg am Neckar durchführten.1

Die Übung wurde als Spektakel auch zur Imagepflege inszeniert, Schüler aus den Grundschulen angrenzender Orte wurden (auf Einladung des KSK, wie sich später herausstellte) klassenweise angefahren und "durften sogar mithelfen, die Fallschirme zusammenzulegen".

"Kurzer Ausflug" für Grundschulklassen

Das Friedensplenum/Antikriegsbündnis Tübingen kritisierte dabei in einem offenen Brief an das Schulamt in Tübingen und das Kultusministerium Baden-Württembergs v.a., dass "die Kinder im Rahmen einer verpflichtenden unterrichtlichen Veranstaltung zu diesem Militärspektakel gebracht wurden" und forderte von diesen eine Stellungnahme.

Diese fiel denkbar knapp aus, der "kurzen Ausflug" hätte dazu gedient, "den Kindern einmal die Möglichkeit zu geben, die Ursache des regelmäßigen Fluglärms aus der Nähe zu sehen". Dass "Übungen von Fallschirmspringern besonders der Vorbereitung für oftmals tödliche Einsätze und nicht der Landesverteidigung dienen" und die Übenden "zu einer schnellen Eingreiftruppe (SOCEUR) [gehören], deren Übungen sie auf tödliche Angriffshandlungen vorbereiten", wie die Tübingen Progressive Americans, eine Gruppe, die sich v.a. um US-Deserteure bemüht, ergänzte, wollten Schulamt und Kultusministerium offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen.

Die neuen Erkenntnisse zu den Aktivitäten in Mali und der Drohnenkriegführung der USA in Afrika scheinen dies allerdings zu bestätigen. Letztlich werfen sie auch die Frage auf, was in Mali eigentlich zuerst da war: der Terror oder der "Krieg gegen den Terror", in dessen Rahmen die Aktivitäten der US-Army seit 2002 in Mali und den Nachbarstaaten stattinden?