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US-Außenpolitik: Doch Business as usual?

Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley. Screenshot, Youtube

Israel wird kein Blankoscheck für den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland ausgestellt; agressive Aktionen Russlands werden verurteilt

Der neue SPD-Kanzlerkandidat Schulz zeigt sich im Spiegel-Interview entsetzt [1] Trump spiele mit der Sicherheit der Welt. Jüngste Stellungnahmen der US-Regierung deuten allerdings darauf hin, dass sie sich auf einen ähnlichen Kurs einpendelt wie die alte: Israel wird kein Blankoscheck für den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland ausgestellt, Russland wird wegen "aggressiver Aktionen" in der Ostukraine scharf verurteilt und Iran stehen neue Sanktionen bevor.

Vor wenigen Tagen haben Außenminister Tillerson und Verteidigungsminister Mattis ihre Posten bezogen, und mit dem jordanischen König Abdullah II wurde der erste Gast aus dem Nahen Osten angehört: Seither gibt es offizielle Äußerungen und Vorhaben, die am Kurs und den Ritualen der Vorgängerregierung anknüpfen. Von Disruption kann erstmal keine Rede sein.

Ausweitung israelischer Siedlungen "möglicherweise nicht hilfreich"

Nach den Lautsprecheransagen Trumps und den lauten Gegenreaktionen bekommen Nuancen wieder Raum. So ist das Statement des Weißen Hauses [2] zum geplanten Bau neuer Wohnungen und der Ausweitung bereits bestehender Siedlungen im Westjordanland zwar eine Zurechtweisung von israelischen Politikern wie Naftali Bennett, der sich in einer neuen Ära sieht und die Souveränität Israels auf das ganze Westjordanland ausdehnen will [3]. Aber es enthält, anders als dies bei Obama der Fall war, zugleich Formulierungen, die eine grundlegende Sympathie für den Siedlungsbau bekunden.

"Wir sind nicht der Auffassung, dass die Existenz von Siedlungen ein Hindernis für den Frieden darstellt", ist in dem Statement zu lesen. Unter Obamas Präsidentschaft war das Einfrieren des Siedlungsbaus als Grundbedingung für den Friedensprozess, der ihm jedoch nicht glückte; die Siedlungen blieben ein fortdauernder Streitpunkt.

Die Regierung Trump will sich Handlungsspielraum bewahren: Die Ausweitung der Siedlungen über ihre gegenwärtigen Grenzen hinaus, sei "möglicherweise nicht hilfreich" angesichts des Ziels, Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu schließen.

Das ist diplomatisch, aber bestimmt formuliert. Netanjahu und Lieberman hatten ihn jüngster Zeit den Bau von 5.500 Wohnungen in umstrittenen Gebieten versprochen oder angekündigt [4], wohl im Vertrauen darauf, dass alles für eine Unterstützung der neuen US-Regierung spricht.

"Das große Ziel"

Doch hatte Trump schon kurz nach seinem Amtsantritt Netanjahu über Berater zu verstehen gegeben, dass er "keine voreiligen Kopfsprünge" wünscht (siehe dazu: "Israel first": Minister drängen auf Ausbau der Siedlungen [5]). Die israelische Regierung solle sich mit neuen Ankündigungen zum Siedlungsbau gedulden, bis Trump und Netanjahu miteinander gesprochen haben. Das Treffen soll am 15. Februar stattfinden.

Obama und Netanjahu gingen schon bei ihrem ersten Treffen auf Konfrontationskurs. Das wird bei Trump höchstwahrscheinlich nicht der Fall sein. Allerdings kommen aus der US-Regierung Signale, dass man dort an der Zwei-Staaten-Lösung festhält und Trump unterscheidet sich in einem Ziel nicht von seinen Vorgängern. Wie so ziemlich alle US-Präsidenten der letzten Jahrzehnte will er einen Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern ausarbeiten und das funktioniert nicht, wenn nur eine Seite berücksichtigt oder überhaupt nur wahrgenommen wird [6].

Das "Hinterland" beachten

Sehr wahrscheinlich hat das Treffen Trumps mit dem jordanischen König Abdullah II [7] das Hinterland zum Friedensplan etwas ausgeleuchtet. Auch die USA unter Trump brauchen Partner unter den arabischen Staaten. Dass saudi-arabische Staatsbürger von der neuen Einreiseregelung zur Verhinderung der terroristischen Gefahr ausgenommen wurden, obwohl das Land hier eine eindeutige Vorgeschichte hat, war schon ein Zeichen dafür, dass Trump traditionelle Partner wichtig bleiben. Dazu zählt in jedem Fall auch Jordanien, Ägypten und die Golfstaaten.

Also musste Trumps Regierung zeigen, dass es die Siedlungspolitik Israels unter Kontrolle hat, ansonsten müssten sich die Regierungen in den genannten Ländern auf einigen Unmut unter den Stämmen und auf der Straße gefasst machen. Dazu kommt, dass Trump Unterstützung von arabischen Ländern nötig hat wegen seiner Äußerungen, die von vielen als anti-muslimisch verstanden werden. Damit zündelte er. Nun wird versucht, die Effekte unter Kontrolle zu bringen.

Der Spielraum eines US-Präsidenten sei nicht so groß, dass er eine "Kursänderung um 50° Grad" ("you can't turn 50 degrees" [8]) bewerkstelligen könne, sagte Obama in einem Interview [9] 2015. Gesellschaften würden sich nicht so schnell ändern, das gilt auch für die Außenpolitik und für den US-Präsidenten Trump.

Der "neue Kurs" gegenüber Russland

Von ihm hatten viele erwartet, erhofft oder befürchtet, dass er einen "ganz anderen Kurs" gegenüber Russland einschlagen wird. Wie dieser genau aussieht, ist noch immer wenig bekannt. Das Telefongespräch mit Putin soll in guter Atmosphäre verlaufen [10] sein. Ob Konkretes besprochen wurde, ist unklar. Übermittelt wurde, dass man beim Kampf gegen den IS zusammenarbeiten wolle.

Wichtig, so schien es, war vor allem, dass das Klima stimmt. Dass sich Lawrow, anders als zuvor, nicht ablehnend, sondern offen gegenüber dem Vorschlag Trumps zeigte, Sicherheitszonen in Syrien einzurichten, bestätigte, dass sich etwas ändern könnte.

Haleys Auftritt

Auch die neue UN-Botschafterin der USA, Nikki R. Haley, betonte bei ihrem ersten Auftritt im Sitzungssaal der Vereinten Nation davon, dass die USA bessere Beziehungen zu Russland wollen. Aber die Aussage folgte einer deutlichen Verurteilung "aggressiver Aktionen Russlands" [11]. Haley beließ es dabei nicht mit einer kurzen Bemerkung, sondern sie wiederholte die Verurteilung und sie sprach auch nicht nur gegenwärtige aggressive Aktionen an, derer sie Russland in der Ost-Ukraine beschuldigte, sondern sie nahm deutlich Bezug auf frühere Verurteilungen, damit ließ sie anklingen, dass die US-Regierung darin ein Verhaltens- Muster erkennt.

Nun sieht man dies in Russland selbstverständlich anders. Dort wird die Aggression in der Ostukraine auf mehr oder weniger hintergründige Aktivitäten der ukrainischen Regierung zurückgeführt, wie dies ein RT-Bericht [12] klar und deutlich darlegt. Wahrscheinlich hat Trump in Russland aber noch einen gewissen Anfänger-Bonus.

Im RT-Bericht ist nämlich auch eine interessante Nuance zu lesen, die anzeigt, dass das Verhältnis zwischen Russland und den USA durchaus noch Spielräume hat, die es zuletzt unter Obama nicht mehr gab: Der russische UN-Botschafter Tschurkin soll trotz aller Meinungsverschiedenheiten positiv über die neue US-Botschafterin in der UN gesprochen haben (" (he) praised Haley's first UN appearance"). Zwar ist ein Lob im mitgelieferten Zitat Tschurkins nicht deutlich zu erkennen, die Anerkennung gilt vielmehr der wichtigen Position Haleys, aber spürbar ist das Bemühen, Spannungen erstmal rauszuhalten.

Die Frage ist, wie lange die russische Regierung die Vorwürfe aus der neuen US-Regierung öffentlich herunterspielt.

Große Rücksichten dieser Art nimmt die neue US-Regierung in ihrem Verhältnis zu Iran nicht. Nach dem ersten Schlagabtausch der letzten Tage, der sich an einem Raketentest Irans aufbaute, werden nun erste konkrete Konsequenzen erwartet. Laut Regierungsquellen, die Reuters zitiert [13], sind neue Sanktionen in Vorbereitung, die schon sehr bald verkündet werden sollen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3617394

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/martin-schulz-donald-trump-spielt-mit-der-sicherheit-der-westlichen-welt-a-1133009.html
[2] https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/02/02/statement-press-secretary
[3] https://www.heise.de/tp/features/Israel-Rechter-Minister-fordert-Ausdehnung-auf-das-Westjordanland-3614938.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/Israel-Rechter-Minister-fordert-Ausdehnung-auf-das-Westjordanland-3614938.html?seite=2
[5] https://www.heise.de/tp/features/Israel-first-Minister-draengen-auf-Ausbau-der-Siedlungen-3604654.html
[6] https://www.heise.de/tp/features/Israel-Rechter-Minister-fordert-Ausdehnung-auf-das-Westjordanland-3614938.html
[7] https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/02/02/readout-presidents-meeting-king-abdullah-ii-jordan
[8] http://www.dailydot.com/layer8/marc-maron-barack-obama-interview/
[9] https://www.youtube.com/watch?v=gAnMYuQhocE
[10] https://www.heise.de/tp/features/Schwere-Kaempfe-in-der-Ostukraine-seit-erstem-Telefongespraech-zwischen-Putin-und-Trump-3615021.html
[11] https://www.youtube.com/watch?v=bDZwiz7VGmE
[12] https://www.rt.com/news/376146-churkin-haley-ukraine-constitution/
[13] http://www.reuters.com/article/usa-trump-iran-sanctions-idUSKBN15H2OE