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US-Gesundheitspolitik: Streit zwischen Trump und Republikanern

Der bekannteste "Einpeitscher" ist ein fiktionaler: Frank Underwood in der Serie House of Cards. Bild: Netflix

Bekommt das Obamacare-Ersatzgesetz morgen im Repräsentantenhaus eine Mehrheit?

Für morgen ist im US-Repräsentantenhaus eine Abstimmung über ein Gesetz angesetzt, mit dem die Republikaner die nach dem ehemaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama benannte Krankenversicherungsreform ersetzen wollen (vgl. Republikaner legen Entwurf für Obamacare-Ersatz vor [1]). Für eine Mehrheit benötigt der Entwurf mindestens 216 Stimmen.

Theoretisch verfügen die Republikaner mit 237 zwar über 21 Sitze mehr als erforderlich - aber NBC News [2] zählte gestern mindestens 26 Abgeordnete, die dagegen stimmen wollen. Der libertär-republikanische Senator Rand Paul [3] spricht sogar von mindestens 35, die seinen Informationen zu einem "Nein" bereit sind.

Weder Fraktionszwang noch Listendruck

Solche potenziellen Abweichler wollte der neue US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen am Dienstag umstimmen. Dem Abgeordneten Chris Collins nach warnte er dabei, die Partei werde bei den Halbzeitwahlen im November 2018 die Mehrheiten in beiden Kongresskammern verlieren, wenn sie es nicht schaffe, ein zentrales Wahlversprechen umzusetzen und Obamacare abzuschaffen.

Der Washington Post [4] zufolge sagte er dabei zu Mark Meadows, einem republikanischen Abgeordneten aus North Carolina: "I'm gonna come after you, but I know I won't have to, because I know you'll vote yes". Trumps Sprecher zufolge war das ein Scherz, wie ihn Politiker [5] halt so machen.

US-Parteien haben im Vergleich zu deutschen geringere Möglichkeiten, Abgeordnete zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu zwingen: Es gibt nämlich weder einen Fraktionszwang noch ein Verhältniswahlrecht mit von der Parteiführung erstellten Listen. Stattdessen kandidieren sowohl Abgeordnete als auch Senatoren als Direktkandidaten. Allerdings existieren indirektere Möglichkeiten der Einflussnahme: Ein "Einpeitscher" ("Whip") hat zwar wahrscheinlich keine unterschriebenen Blanko-Rücktrittserklärungen in der Schublade (wie sie ein ehemaliger SPD-Fraktionschef von jedem Abgeordneten seiner Partei verlangt haben soll), aber Dossiers, in denen sich neben Informationen über Vorlieben und Schwächen auch das finden könnte, was Geheimdienste "Kompromat" nennen.

Zugeständnisse, die sich im Wahlkreis gut verkaufen lassen

Oft reichen aber in Individualgesprächen ausgehandelte Zugeständnisse, die sich im Wahlkreis gut verkaufen lassen, um einen Abgeordneten oder Senator umzustimmen. Das könnte auch im Fall des von Paul als "Obamacare 2.0" geschmähten American Health Care Acts (AHCA) geschehen, der kurz vor der Abstimmung noch mit zusätzlichen 75 Milliarden Dollar an Subventionen und mehr Handlungsfreiheit für die Bundesstaaten bei der Armenkrankenversicherung Medicare ausgestattet wurde. Weil die republikanischen Abweichler aus ganz verschiedenen Gründen gegen den Entwurf sind, und weil manche mehr und andere weniger staatliche Beteiligung fordern, ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich zumindest einige von Ersteren dadurch ihre Meinung ändern.

Finden sich nicht genügend Republikaner, die dafür stimmen, kann ein Einpeitscher versuchen, Demokraten zu überzeugen. Das geht entweder mit den oben geschilderten Geschenken für den Wahlkreis - oder mit der Warnung, dass bei einem Scheitern ein Entwurf kommt, der den Wünschen der fiskalkonservativen Republikaner näher steht und Versicherungsverträge überhaupt nicht mehr bezuschusst, wie Paul das fordert.

Versicherungspflicht fällt weg, Kontraktionszwang bleibt

Inhaltlich orientiert sich der aktuelle Entwurf des AHCA an vorangegangenen Äußerungen Trumps, der einige Teile von Obamacare gut und erhaltenswert und andere schlecht findet: Zu den für schlecht befundenen zählt die Versicherungspflicht, die mit dem AHCA wegfallen soll. Die Strafen für Verstöße gegen diese Versicherungspflicht lagen bei zwei Prozent des Haushaltseinkommens und mindestens 325 Dollar pro Person.

Weil die Kosten für Krankenversicherungen in der Vergangenheit stark stiegen - alleine im letzten Jahr um bis zu 25 Prozent - hatten zahlreiche Amerikaner mit anderen finanziellen Verpflichtungen trotz der Versicherungspflicht auf die Krankenversicherung verzichtet, die sie sich (subjektiv oder objektiv gesehen) nicht mehr leisten konnten (vgl. USA: Krankenversicherungsbeiträge steigen um bis zu 25 Prozent [6]).

Zwei zentrale Obamacare-Elemente die Trump seinen eigenen Angaben nach "sehr gut" gefallen, sollen dagegen erhalten bleiben: Das Verbot der Ablehnung von Versicherungswilligen wegen Vorerkrankungen und die Mitversicherung von Kindern bei ihren Eltern bis zum 26. Lebensjahr. Damit Bürger das nicht ausnutzen, und sich erst dann versichern, wenn sie krank werden, räumt der Entwurf Versicherungen das Recht ein, um ein Drittel höhere Prämien zu verlangen, wenn ein Kunde in den letzten 63 Tagen oder länger unversichert war.

Für die religiösen Wähler hat man die Regel eingefügt, dass die Steuernachlässe nur für solche Versicherungen geltend gemacht werden können, die keine Abtreibungen abdecken. Außerdem soll die Armenkrankenkasse Medicaid nicht mehr für Behandlungen in Kliniken von Planned Parenthood oder anderen Organisationen zahlen, die Abtreibungen anbieten.


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https://www.heise.de/-3661736

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Republikaner-legen-Entwurf-fuer-Obamacare-Ersatz-vor-3646113.html
[2] https://twitter.com/mmurraypolitics/status/844255035873775616
[3] http://www.breitbart.com/big-government/2017/03/21/exclusive-rand-paul-easily-35-no-votes-paul-ryans-obamacare-2-0-predict-pull-bill-start/
[4] https://www.washingtonpost.com/powerpost/trump-arrives-on-capitol-hill-to-sell-house-gop-health-care-package/2017/03/21/e8ede3d2-0e2b-11e7-9b0d-d27c98455440_story.html
[5] http://www.focus.de/finanzen/doenchkolumne/sein-lieblingsspruch-ihr-seid-alle-entlassen-eu-parlamentspraesident-schulz-unser-groesster-wichtigtuer-in-bruessel_aid_937381.html
[6] https://www.heise.de/tp/features/USA-Krankenversicherungsbeitraege-steigen-um-bis-zu-25-Prozent-3374183.html