US-Großmanöver am Persischen Golf
Politisch soll vor allem Iran und Nordkorea eine deutliche Botschaft vermittelt werden
Am 30. Oktober 2006 begann ein größeres Manöver der USA und verbündeter Nationen am Persischen Golf unter der Übungsannahme des Abfangens und Durchsuchens eines Schiffes, das Komponenten für ein Kernwaffenprogramm enthalten könnte. Die Proliferation Security Initiative (PSI) der USA bildet den entsprechenden taktischen Rahmen. Politisch soll damit sowohl Iran als auch Nordkorea eine deutliche Botschaft vermittelt werden. Die Übungsannahme geht davon aus, eine vermutete Lieferung nuklearwaffenfähiger Komponenten mit militärischen Zwangsmaßnahmen zu unterbinden. Unabhängig davon gibt es seit Wochen Spekulationen über eine erhöhte maritime Truppenkonzentration der USA in der Region des Persischen Golfs noch vor den Wahlen zum Kongress am 7. November 2006. Militärmanöver im Persischen Golf sind zur Zeit, gleich welche politische Absicht dahinter stehen mag, ein Indiz für eine potenzielle Eskalation.
Nachdem Iran kürzlich eine zweite Kaskade von 164 Gaszentrifugen zur Anreicherung von Uran in Betrieb genommen hat und seine Nuklearforschung weiter ausbauen möchte, nachdem die europäische Diplomatie in Bezug auf die Einhegung des iranischen Nuklearprogramms bereits als gescheitert betrachtet werden kann und Israels Regierung permanent den Druck auf die Bush-Regierung erhöht hat, das iranische Nuklearprogramm notfalls auch mit militärischen Mittel „zu lösen“, stellt jede Truppenkonzentration in der Region des Persischen Golfes eine eminente Gefahr für eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte militärische Eskalation dar. Aus allen bisher bekannt gewordenen Planspielen für einen möglichen Angriff auf Iran lässt sich erschließen, dass neben Luftstreitkräften eine maritime Truppenkonzentration dazu erforderlich wäre.
Hundreds of US and allied war ships foregathered in the strategic seas of the Middle East and India in the last days of October 2006 for two primary missions: To prepare for a US-led military strike against Iran which has stepped up its uranium enrichment program with a second centrifuge project - undeterred by the prospect of UN sanctions; and measures to fend off palpable al Qaeda threats to oil targets.
Mitteilung von Debka
Bei aller Vorsicht, die gegenüber Meldungen von Debka durchaus angebracht ist, auch hinsichtlich der Übertreibung, es handle sich um „Hunderte von Schiffen“, hatten sich schon seit Wochen die Hinweise verdichtet, dass es noch vor den Wahlen zum U.S. Kongress am 7. November 2006 zu einer erhöhten Truppenkonzentration am Persischen Golf und zu Militärmanövern dort kommen würde. Bereits Mitte September spekulierte das Time Magazin über ein mögliches Angriffsfenster noch vor den Wahlen. Angeblich war ein Marschbefehl für Minenräumkräfte in die Region des Persischen Golfes erteilt worden, eine Behauptung, die sich jedoch nicht bestätigte. Darüber hinaus gab die Rotation von Flugzeugträgergruppen weiteren Anlass zu der Spekulation, dass es zu einer Massierung von Kräften in der Region kommen könnte. Die USS Enterprise befindet sich im Operationsgebiet der 5. U.S. Flotte nachdem sie zuvor bei Kampfeinsätzen in Afghanistan und im Irak teilgenommen hatte.
Mit Sicherheit befand sich die Enterprise mit ihrem Flottenverband am 23. Oktober 2006 noch im Hafen von Jebel Ali in der Nähe von Dubai am Persischen Golf.
Die Eisenhower Kampfgruppe verließ angeblich einen Monat früher als geplant ihren US-Heimathafen am 1. Oktober und am 28. Oktober den Hafen von Limassol auf Zypern mit unbekanntem Ziel, wobei davon ausgegangen werden kann, dass die Fahrt durch den Suezkanal und das Rote Meer zum Persischen Golf führt.
Ebenso befindet sich nach mehreren Berichten auch der Nachrichtenagenturen der U.S. Navy die Kampfgruppe USS Boxer auf dem Weg in den Persischen Golf.
Bereits am 3. Oktober 2006 ließ der Pressedienst der U.S. Navy wissen, die USS Boxer sei neu armiert worden und bereite sich mit ihren Begleitschiffen auf das Auslaufen in die Region des Persischen Golfes vor.
Am 23. Oktober hieß es, der Flottenverband (LHD 4 Expeditionary Strike Group) befände sich auf dem Weg zum Persischen Golf: „USS Boxer (LHD 4) Expeditionary Strike Group (BOXESG) navigated through the Strait of Malacca Oct. 16 while transiting towards the Persian Gulf in support of the global war on terrorism.”
Diese Nachricht wurde sodann am 27. Oktober wiederum vom Pressedienst der U.S. Navy widerrufen, mit dem Verweis darauf, der Flottenverband beteilige sich gemeinsam mit indischen Marineeinheiten an dem Manöver „Malabar“ vor der indischen Südwestküste.
Die ebenfalls von Debka am 20. Oktober aufgestellte Behauptung, dass sich auch die Iwo Jima-Kampfgruppe (Iwo Jima Expeditionary Strike Group) im Persischen Golf befinde, wurde insofern bestätigt, als der Presse-Dienst der U.S. Navy am 11. Oktober von einem Besuch des Generals John Abizaid, des Oberkommandierenden des U.S. Central Command (Centcom) in der Region des Persischen Golfes berichtete. General Abizaid wäre im Fall eines Angriffs auf Iran der Oberkommandierende.
Mögliche kriegsauslösende Faktoren
Abseits aller Debatten über die politische Unvernunft, eine potenzielle Bedrohung durch das iranische Nuklearprogramm mit militärischen Mitteln „lösen“ zu wollen, ist vollkommen klar, dass eine derart massierte Truppenkonzentration in der Region mit
- zwei Flugzeugträgergruppen
- zwei amphibischen Angriffsverbänden mit mindestens einer Heli-Plattform
- zahlreichen Lenkwaffenkreuzern und -Zerstörern, die diesen Verbänden zugeteilt sind
ein ausreichendes Vorort-Potenzial für einen Luftangriff auf Iran darstellen könnten. Allein das Vorhandensein dieser Einheiten muss noch überhaupt nichts bedeuten. Wie jedoch William Arkin zu Recht schon im April 2006 feststellte, gehen die intensiven Kriegsplanungen der Bush-Regierung bereits auf das Jahr 2002 zurück. Als kriegsauslösende Faktoren identifizierte nicht nur Arkin jede Form von Provokation, die sich zwischen U.S. und iranischem Militär oder Paramilitär ergeben könnte, so etwa
- eine geringfügige militärische Auseinandersetzung von US-Kommandoeinheiten im Iran mit iranischem Militär;
- ein „Grenzkonflikt“ zwischen Irak und Iran;
- der Einfluss des Iran auf die schiitischen Milizen im Südirak und im Raum Bagdad;
- ein neuerlicher Terroranschlag in den USA;
- schiitische motivierte Anschläge im Irak;
- die Passierbarkeit der Straße von Hormus.
Bis jetzt ist nicht klar, ob es eine hintergründige politische Absicht zur Durchführung dieser Manöver gibt. Die Rhetorik der Bush-Regierung ist derzeit gegenüber Iran schaumgebremst, das Disaster im Irak nimmt immer schlimmere Formen an und Nordkorea bereitet womöglich einen erneuten Nukleartest vor, vielleicht gar auch am Wahltag?
Sehr deutlich jedoch ist das genaue Timing. Die Vorlaufzeit für diese Manöver betrug Monate, wenn man es auch nur kurzfristig als Drohkulisse gegenüber Iran oder Nordkorea deuten mag. Ohne allzu alarmistisch erscheinen zu wollen, die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Eskalation zwischen der Bush-Regierung und dem Mullah-Regime war noch nie so hoch wie heute.
Georg Schöfbänker ist Politikwissenschafter und betreibt das Österreichische Informationsbüro für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle in Linz.