US-Kreditkarten auf Subprime-Kurs?

Die Kreditkartenfirmen waren in den letzten Jahren ähnlich großzügig wie die Hypothekenbanken

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Während Hypothekenbanken erst seit Kurzem in großem Stil Erfahrung mit „Subprime-Kundschaft“ machen, sind US-Kreditkartenfirmen seit mehr als 20 Jahren an Kreditnehmer mit schlechter Bonität gewohnt. Dass derzeit aber selbst die bessere Kundschaft („Superprime“) auf Zahlungsschwierigkeiten stößt, zeigt der aktuelle Quartalsbericht von American Express.

Die Ratingagentur Fitch geht jedenfalls davon aus, dass die Ausfallraten bei Kreditkartenschulden sich bald ihren historischen Höchstständen annähern oder diese überschreiten werden. Bereits im 2. Quartal mussten die Banken laut der Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods mit durchschnittlich rund 6,5 Prozent aber bereits fast doppelt so hohe Abschreibungen vornehmen, wie im Vorjahresquartal. Denn immerhin waren die Kreditkartenfirmen – nachdem 2005 die Regeln für Privatkonkurse erheblich verschärft wurden –ähnlich großzügig gewesen, wie die Hypothekenbanken. Das wurde ihnen leicht gemacht, denn so wie die US-Hypothekenbanken behielten sie die Kredite großteils nicht in den eigenen Büchern, sondern verwandelten sie in marktfähige Anleihen um sie an Investoren zu verkaufen.

Derzeit läuft der Absatz dieser Anleihen freilich recht zäh. So konnten diesen Juli laut Bloomberg insgesamt gerade einmal ein Volumen von 2,1 Mrd. USD abgesetzt werden, gegenüber 6,8 Mrd. USD im Vorjahresmonat – und das auch zu schlechteren Konditionen. So hatte American Express letzten Freitag zwar derartige Anleihen im Volumen von einer Milliarde Dollar verkaufen können, musste dafür aber um bis zu einem Viertel Prozentpunkt höhere Renditen anbieten als noch vor einem Monat. Dementsprechend gab auch die größte US-Bank Citigroup am 4. August bekannt, bei der Verwandlung von Kreditkartenschulden in Anleihen - womit sie in den drei vorangegangenen Jahren insgesamt 3,5 Mrd. Dollar an Gewinnen eingefahren hatte - im 2. Quartal 176 Millionen Dollar verloren zu haben.

Laut Bloomberg managt die Citigroup weltweit rund 202 Mrd. USD an Kreditkartenschulden, von denen rund 111 Mrd. USD in Anleihen verpackt und an Finanzinvestoren verkauft wurden. Nach einer Meldung an die Finanzaufsicht vom 1. August hatte Citigroup ihren Bestand von 9 Mrd. USD an zur Strukturierung anstehenden Krediten jedenfalls deutlich abwerten müssen und kämpft zudem mit Absatzproblemen. Gegenüber dem Jahresende 2007 seien die Delinquenzen der diesen Anleihen zugrundeliegenden Kredite zudem um 16 Prozent angestiegen und hätten einen Betrag von 2,16 Mrd. USD erreicht. Allerdings bewegen sich die Zinsen auf Kreditkartenschulden oft in der Gegend von 15-30 Prozent, was sie einerseits besonders interessant für Anleihen-Strukturierungen macht und ihnen anderseits erlaubt, selbst bei noch höheren Kreditverlusten noch immer Gewinne zu erzielen. Außerdem haben die Kreditkartenfirmen schon vor mehr als 20 Jahren damit begonnen, Kredite an Kunden mit schlechter Bonität auszureichen, wodurch sie ein wenig besser mit den nun auftretenden Verlusten umgehen können sollten, als die Hypothekenbanken, die das in großem Stil erst seit wenigen Jahren machen. Angesichts der Kaufzurückhaltung der Investoren verschärfen derzeit dennoch die meisten Kreditkartenfirmen ihre Vergabestandards und reduzieren die Kreditrahmen, was den Kreditkartenfirmen zudem hilft, sich auf Kosten der Kunden für die Kreditausfälle schadlos zu halten.

Die Verzinsung eines Karten-Debits hängt überwiegend vom Rating („Credit Score“) des Kunden ab, und dieses wiederum zu rund einem Drittel davon, über welchen Kreditrahmen der Kunde verfügt und wie weit dieser ausgenutzt wird. Im Zuge der Kreditkrise werden nun reihum die Limits gekürzt, wobei der verfügbare Rahmen oft auf Null reduziert wird. Werden die Kreditkartenschulden dann nicht reduziert, verschlechtert sich der Credit Score des Kunden und es können höhere Zinsen vorgeschrieben werden.

Widersprüchlich sind indes die Angaben zur aktuellen Kreditkartennutzung. So ergab eine Umfrage zwar, dass 37 Prozent der Befragten ihre Karten angesichts der angespannten finanziellen Verhältnisse nun weniger nutzen würden. Die Kreditkartenfirmen melden jedoch schon seit längerem, dass die Nutzung insbesondere gegen Monatsende ansteige, weil dann zunehmend auch normale Einkäufe wie z.B. Lebensmittel mit Karten und auf Kredit bezahlt würden.

Am schwersten von finanziellen Schwierigkeiten betroffen dürften bislang jedenfalls die Kleinbetriebe sein. So gab die auf Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten spezialisierte Kreditkartenfirma Advanta am Montag bekannt, im 2.Quartal satte 8,4 Prozent ihrer Forderungen abgeschrieben zu haben, nach 6,4 Prozent im 1. Quartal und nur 3,6 Prozent im Vorjahresquartal. Laut der Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods liege die Delinquenzrate bei Kreditkartenschulden aber auch insgesamt schon bei rund 6,5 Prozent, was fast schon das Ausfallsniveau der Subprimekredite erreicht.

Wie das aktuelle Quartalsergebnis von American Express aber zeigt, ist inzwischen aber auch das „Super-Prime“-Segment mit bislang bester Bonität in Schwierigkeiten geraten. Denn auch Amex, das seine Karten vor allem an besonders wohlhabende Kundschaft verteilt und dies oft auch ohne Kreditlimit, verzeichnete zuletzt einen starken Anstieg der Ausfälle. Laut Amex-Chief Executive Kenneth Chenault hätte sich die Lage jedoch erst im Juni dramatisch verschlechtert, so dass Amex im 2. Quartal mit 5,3 Prozent seiner Forderungen fast doppelt so hohe Abschreibungen vornehmen musste wie im Vorjahresquartal.

The scope of the economic fallout was evident even among our longer term, superprime Cardmembers.

Amex-CEO Chenault

Verschuldung der US-Amerikaner auf Rekordhöhe

Das alles ist nicht weiter verwunderlich, denn immerhin war das Einzige, wozu Präsident Bush die US-Amerikaner nach den Attentaten von 9/11 aufforderte, ungehemmt weiter zu konsumieren, wodurch inzwischen 70 Prozent des US-BIP auf den privaten Konsum entfällt. Das Ergebnis ist durchaus besorgniserregend: 1920 sparte der durchschnittlicher US-Haushalt inflationsbereinigt jährlich 1.200 USD und hatte 4.400 USD an Schulden. 2008 dürften die US-Haushalte laut Fed rund 400 USD zur Seite legen und der Schuldenstand sich im Schnitt auf 118.000 Dollar belaufen.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im letzten Sommer sind die Kreditkartenschulden um weitere 60 Mrd. USD angestiegen. Der Nettozuwachs bei den zuvor dominierenden Eigenheimhypotheken, die zwischen 2003 und 2006 jeweils um zwischen 856 und 1030 Mrd. USD Dollar angestiegen waren, hatte sich laut Flow of Funds-Statistik der Fed 2007 hingegen bereits auf rund 700 Mrd. USD verringert und 2008 auf Jahresbasis auf nur noch rund 350 Mrd. USD halbiert.

Insgesamt hatten US-Konsumenten laut der US-Notenbank Fed Ende Mai rund 962 Mrd. USD an Kreditkartenschulden. Inklusive Leasing sowie Raten- und Bankkrediten erreichen die Konsumentenkredite derzeit 2.570 Mrd. USD, während die Hypothekenschulden zum Jahresende 2007 von der Fed mit 10.530 Mrd. USD angegeben werden. Und während im April – offenbar aufgrund der Steuergeschenke durch die Bundesregierung – die aushaftende Kreditkartenschulden leicht zurückgegangen waren, lag die Expansion im Mai auf Jahresbasis schon wieder bei sieben Prozent - und damit weit über allen anderen von der Fed erhobenen Privatkredit-Kategorien.