US-Militäreinsatz im Irak: "ein langfristiges Projekt"

Laut US-Präsident Obama wird "das Problem" nicht innerhalb von Wochen gelöst werden

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Es ist schon bemerkenswert, wie die Angaben über die Dauer des US-Einsatzes von Präsident Obama binnen kürzester Zeit nachkorrigiert werden. Gestern erklärte bei einer Pressekonferenz vor seinem Sommerurlaub, dass das "Problem nicht innerhalb von Wochen gelöst werden" könnte, sondern ein "langfristiges Projekt" zu erwarten sei. Das könnte daran liegen, dass es den US-Streitkräfte erst jetzt durch die direkte militärische Verwicklung in den Kampf mit den IS-Milizen dämmert, mit welchem Gegner man es zu tun hat.

Einen Hinweis darauf liefert die Aussage eines US-Vertreters, die in einer irakischen Veröffentlichung wiedergegeben wird. Daraus geht hervor, dass die Schnelligkeit und taktische Raffinesse, mit der die IS-Kämpfer auch unter Beschuss vorgehen, das US-Militär offensichtlich beeindruckt. Das verlange ein gewisses Niveau für die eigenen militärischen Reaktionen.

Die bisherigen "zielgerichten Aktionen" des US-Militärs, Beschüsse von Konvois der IS und einzelnen Stellungen durch Raketen, werden zwar hier und da als effektvoll geschildert und die Zusammenarbeit mit den kurdischen Einheiten gerühmt, aber von einem Durchbruch, was die Bedrohungslage der verfolgten Jesiden und anderen Minderheiten (es sollen auch Schitten darunter sein und Turkmenen) angeht, sowie kurdischer Orte, die von IS-Einheiten bedrängt werden, kann im Großbild nicht die Rede sein.

Hilfe von syrischen Kurden

Die Lage der geflüchteten Jesiden bleibt weiter verzweifelt, wie der Reporter Matthew Barber, der sich in Kurdistan aufhält, in mehreren Kurznachrichten eindringlich schildert. Darin heißt es unter anderem, dass die IS den gefangenen Jesiden - man schätzt die Zahl auf mehrere Hundert, darunter viele Frauen - ein Ultimatum zur Konversion gestellt haben, mit der bekannten Alternative, umgebracht zu werden.

Hilfe kam anscheinend von syrischen Kurden, Kämpfern der YPG, die dabei mithalfen, einen Fluchtweg für die in die Berge bei Sindschar Geflüchteten, nach Syrien, in die Region Rojava zu eröffnen.

Laut einem Bericht der New York Times konnte nach Schätzungen zwischen 15.000 und 20.000 Jesiden auf der Flucht geholfen werden.

Dass insgesamt über 580.000 Flüchtlinge seit Wochen in den Kurdengebieten Zuflucht vor den IS-Dschihadisten gesucht haben, führt vor Augen, wie schwierig die Lage in den Grenzgebieten Syriens und Irak ist. Die Grenzübergänge stehen hauptsächlich unter Kontrolle der IS, wie auch nach wie vor die Straßenzugänge zu den Bergen bei Sindschar.

Erfolge der IS

Die IS meldete in den letzten beiden Tagen militärische Erfolge im syrischen Raqqa, wo IS-Milizen die letzte Militärbasis der syrischen Armee eingenommen haben - und beim Damm oberhalb von Mosul. Tagelang hieß es, die kurdische Peshmerga hätte doch noch Kontrolle über den Staudamm, doch wurde auch von kurdischer Seite am Wochenende bestätigt, dass IS die Kontrolle übernommen habe.

Die die größte Staumauer des Landes ist, wie in sämtlichen Berichten erwähnt wird, nicht nur wichtig für die Stromerzeugung und die Wasserversorgung, sondern auch eine taktische Waffe, mit der Katastrophen ausgelöst werden können.

Schwierigkeiten bereiten dem US-Kommando aber nicht nur, die militärstrategisch geschickt vorgehenden IS-Kampfeinheiten, sondern auch, dass der offizielle Beginn militärischer Einsätze der USA gegen den IS dort als Kriegserklärung aufgefasst wird, die zu einer stärkeren Mobilisierung von Rekruten und Sympathisanten führt und die IS-Strategie auf gezielten Anschlägen gegen US-Einrichtungen und Staatsbürger erweitert.

Womit die USA tiefer in das längst grenzüberschreitenden kriegerische Schlamassel in Syrien und im Irak gezogen werden. Dass Obama sich zu Luftangriffen gegen den IS entschlossen hat, lag nicht zuletzt auch daran, dass sich in der kurdischen Stadt Arbil ein US-Konsulat befindet.

Die vom Westen unterstützten syrischen Rebellen und die sunnitischen Stämme

Wie schwer die Grenzziehungen in den Vielfronten-Konflikten sind, erkennt man nicht nur handfest an der Auflösung der Landesgrenzen zwischen Syrien und dem Irak, sondern auch an den Loyalitäten von verbündeten wie Gegnern. So berichtet der Autor Hassan Hassan, der sich seit längerem schon mit dem bewaffneten Gruppen befasst, die gegen Syriens Regierung kämpfen, davon, dass auch "Rebellen-Gruppen", die von den USA im Kampf gegen Assad finanziell und organisatorisch unterstützt wurden, nun zur IS überlaufen, bzw. Bündnisse geknüpft haben oder knüpfen.

Dazu kommen - laut US-Geheimdiensten - andere Überläufer aus Qaida-nahen Gruppen - wie sehr es die Attraktivität, die von militärische Stärke des IS ausgeht, und neben fanatisierten Dschihadisten auch sunnitische Stämme in die Anhängerschaft des Kalifats bringt, mit einer Gegenbewegung zu schaffen bekommt, die sunnitische Stämme von der IS abfallen lässt, ist noch völlig offen.

Möglicherweise kann die irakische Regierung da Zeichen setzen, in dem sie sich den Sunniten gegenüber öffnet, wie dies Obama fordert, doch hatte sich der noch amtierende Premierminister Maliki bislang gegen den Druck erwehren können. Nun soll am Montag über den neuen Premierminister abgestimmt werden, die Chancen stehen nicht schlecht, dass es der alte bleibt - trotz Druck aus Washington und Teheran.