US-Politiker wollen die .kids-Domain mit einem Gesetz durchsetzen

Sollte die Initiative Erfolg haben, wäre das nicht nur Zeugnis für eine offensive Hegemonie der USA, sondern womöglich auch der Anfang der Balkanisierung des Internet

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Die Entscheidung der ICANN über die Zahl und die Art der neuen TLDs ist in vielen Hinsichten umstritten. Neues Ungemach zieht jetzt mit einem Gesetzesvorschlag von zwei Abgeordneten des US-Kongresses herauf, die die Einrichtung einer inhaltlich kontrollierten .kid-TLD fordern und auf das Recht pochen, dass die US-Regierung auch in Zukunft die ICANN kontrollieren soll.

Der Demokrat Edward Markey und der Republikaner John Shimkus, die den Gesetzesvorschlag "Dot Kids Domain Name Act of 2001" in den Kongress eingebracht haben, werfen der ICANN vor, unverantwortlich gehandelt und nicht auf die Bedürfnisse der Öffentlichkeit reagiert zu haben. Man habe der Organisation eine Chance gegeben: "Sie haben es nicht gemacht, und ich bin nicht gewillt, noch länger zu warten", sagte Shimkus. Die TLD .kids wurde zwar bei der ICANN diskutiert, aber schließlich als zu problematisch verworfen.

Bekanntlich soll die von der US-Regierung eingesetzte ICANN autonom als internationale Organisation, in der neben Vertretern der Industrie auch gewählte Repräsentanten des "Internetvolks" sitzen, vornehmlich das globale Domain Name System (DNS) verwalten und so die Integrität des Internet aufrecht erhalten. Gleichwohl untersteht die ICANN kalifornischem Recht und hat sich das amerikanische Wirtschaftsministerium vertraglich das Recht gesichert, dass von ihm die Entscheidungen gebilligt werden müssen. Stand diese Abhängigkeit von ICANN bislang schon unter Beschuss, so dürfte die Kritik, sollte die Gesetzesinitiative Erfolg haben, an Schärfe zunehmen.

Für Markey freilich ist alles in Ordnung. Man helfe doch nur der ICANN dabei, einen "demokratischen transparenten Prozess" zu schaff, durch den Domains ausgewählt werden. Inwiefern es demokratisch ist, wenn amerikanische Abgeordnete der Internetgemeinschaft aufgrund der Macht über die Organisation vorschreiben, was sie zu machen hat, bleibt, wahrscheinlich wegen des alles überstrahlenden moralischen Auftrags, allerdings im Dunkel. Bestärkt wird nebenbei in dem Gesetz noch einmal, dass das Wirtschaftsministerium weiterhin die ICANN kontrollieren soll und der Einführung neuer TLDs zustimmen muss.

Nach dem Gesetz soll die .kids-Domain ein "Hafen für Inhalte" sei, der "positive Erfahrungen von Kindern und Eltern, die das Internet benutzen, fördert, eine sichere Online-Umgebung für Kinder schafft und mithilft zu verhindern, dass Kinder anstößigen Inhalten im Netz ausgesetzt sind." Nicht weiter ausgeführt soll der geschützte Internethafen auch noch anderen Zwecken dienen. Um den Hafen rein zu halten, soll ein unabhängiges Komitee schriftliche Kriterien für diejenigen formulieren, die hier eine Domain registrieren wollen. Festgelegt werden soll im Einzelnen, welchen inhaltlichen Beschränkungen die .kids-Domaininhaber unterworfen sind. Die inhaltliche Regulierung soll in Zusammenarbeit mit Elternorganisationen geschehen, regelmäßig müssten auch Kontrollen stattfinden, um die Einhaltung der Kriterien zu überprüfen. Um das Risiko für mögliche rechtliche Probleme bei der Ausgrenzung oder technischen Blockierung von Inhalten zu senken, sollen diejenigen, die im guten Glauben handeln, dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn Inhalte von der Verfassung geschützt sind.

Eines der offensichtlichsten Probleme ist natürlich dabei, was für Minderjährige "anstößig" sein soll. Im Gesetz gilt gelten "alle Mittelungen, Fotos, Bilder, grafische Bilddateien, Artikel, Aufzeichnungen, geschriebene Darstellungen oder andere Inhalte jeder Art" als anstößig, die obszön sind. Anstößig ist auch, was eine durchschnittliche Person nach heutigen Vorstellungen für Minderjährige so sieht. Überdies jede Art der direkten Darstellung eines "wirklichen oder simulierten sexuellen Akts oder Kontakts", eine Darstellung der Genitalien oder der "postpubertären" weiblichen Brüste. Ausgenommen ist, was als Ganzes einen ernsthaften literarischen, künstlerischen, politischen oder wissenschaftlichen Wert für Kinder besitzt. Das ist ein weiter Spielraum, der sicher viele Auslegungen möglich machen wird, zumal es sich ja um eine internationale Domain handelt und die ganze Welt nicht denselben Vorstellungen wie die Amerikaner folgt.

Markey meint, die kids-Domain könne so etwas wie ein geschützter "Spielplatz" werden, auf dem die Kinder unbedenklich surfen können. Damit sie dort nicht verfolgt, ausgenützt oder anderweitig belästigt werden, soll Generalstaatsanwalt Ashcroft zusammen mit dem Wirtschaftsministerium geeignete Maßnahmen und Aktionen entwickeln, um das zu verhindern. An sich wäre insgesamt der Schritt nicht weit, ein vom Internet getrenntes kids-Netz zu errichten. Dann könnte man noch weitere geschlossene Netze wie etwa .sex entwickeln.

Just eine solche Fragmentierung wird auch von manchen schon gefordert, um das Internet sauber und sicher zu machen. Mehr Internets seien wünschenswert, so unlängst Clyde Crews vom Cato Institute, um so die Grenzen wieder einzuführen und nationale Rechtsprechungen zu gewährleisten. Natürlich sollten die Netze auch privat sein, weil damit eine zentrale Kontrolle unnötig wäre und jedes "Splinternet" seine eigenen Regeln aufstellen könne. Nicht mehr gesetzliche Regulation, sondern viele Netze (mit eigenmächtig aufgestellten Regeln). Natürlich ist das alles für die Nutzer gut: "Das Internet benötigt Grenzen, hinter denen die Nutzer den zerstörerischen politischen Lösungen der Kämpfe entgehen können, die sich dem nicht in Privatbesitz, sondern im öffentlichen Besitz befindlichen Internet verdanken. Widerstreitende gesetzgeberische Visionen in einem Cyberspace, der von Exhibitionisten im einen Extrem und von Möchtegern-Bewohnern von abgeschlossenen Siedlungen im anderen bevölkert wird, offenbaren die grundlegende Wahrheit, dass nicht Jeder mit jedem Anderen verbunden sein muss."

Die Balkanisierung löst alle Probleme, erhöht die Optionen, schützt die Rechte und beendet alle Konflikte in Freiheit. Wenn das alles so schön wäre, dann wäre bereits die plurale Welt der Nationalstaaten das Paradies ....