USA: Immer mehr Schusswaffen, aber weniger Besitzer
Nach einer Studie besitzen 3 Prozent der Amerikaner die Hälfte aller privaten Schusswaffen, im Hintergrund steht eine wachsende Angst vor anderen Menschen
Dass die USA mit Schusswaffen überschwemmt sind, ist lange bekannt. Während die einen strengere Regeln fordern, um die von Schusswaffen in den USA endemisch ausgehende Gewalt zu reduzieren, propagieren die anderen das angeblich von der Verfassung garantierte Recht auf Schusswaffen und die Überzeugung, dass die Bewaffnung der Menschen die Gesellschaft sicherer mache. 2013 haben mehr als 21.000 Menschen Schusswaffen benutzt, um sich selbst zu töten. 11.200 Menschen wurden nach den CDC mit Schusswaffen ermordet. Nach Angaben des Gun National Archives wurden 2015 13.472 Menschen durch Schusswaffen, davon 332 bei Mass Shootings - getötet, ohne Selbstmorde, und 27.018 verletzt.
Eine Studie von Wissenschaftlern der Harvard- und Northeastern-Universität, deren Ergebnisse geschäftstüchtig, jedenfalls aufmerksamkeitsökonomisch von den Wissenschaftlern vor der wissenschaftlichen Publikation in den Zeitungen The Trace und The Guardian veröffentlicht wurden, macht darauf aufmerksam, dass die privaten Schusswaffen höchst ungleich verteilt sind. Obgleich nach der Studie 55 Millionen oder 22 Prozent der Amerikaner Schusswaffen besitzen, ist über die Hälfte der privaten Schusswaffen in den Händen von nur 3 Prozent der Amerikaner. Die Hälfte der Schusswaffenbesitzer hat nur eine Waffe oder zwei. Die Schätzungen über die Verbreitung und die Zahl von Schusswaffen in den USA gehen allerdings weit auseinander, zudem ist der Kauf von Schusswaffen in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Auch andere Umfragen haben einen Rückgang der Waffenbesitzer und eine Zunahme der Besitzer von vielen Waffen konstatiert, auch wenn sie den Anteil der Waffenbesitzer und der Haushalte mit Waffen höher schätzen.
Alleine seit 1994 haben die Amerikaner um die 70 Millionen Schusswaffen dazu gekauft, ein Zuwachs um 38 Prozent. Nach Schätzungen gibt es in den Privathaushalten jetzt um die 265 Millionen Schusswaffen. Davon sind 111 Millionen Kurzwaffen, die meisten halbautomatischen Pistolen, 71 Prozent mehr als 1994. Aber wie Besitz, Einkommen und Vermögen sind diese auch höchst ungleich verteilt. 3 Prozent oder etwa 10 Millionen besitzen allein 133 Millionen Schusswaffen, was bedeutet, sie haben durchschnittlich 17 angehäuft. Auch unter den Waffenbesitzern gibt es eine Minderheit von 14 Prozent, die 10 und mehr Waffen angehäuft haben. Dabei ist auch auffällig, dass die Zahl derjenigen, die Schusswaffen besitzen, in derselben Zeit von 25 Prozent auf 22 Prozent gesunken ist.
Zurückgegangen ist ebenfalls der Anteil der Männer - und das massiv von 43 Prozent im Jahr 1994 auf jetzt 32 Prozent, während der der Frauen, die Schusswaffen erworben haben, von 9 auf 12 Prozent gestiegen ist. Nach den Wissenschaftlern haben diese eher eine Kurzwaffe, also Revolver oder Pistolen, die vornehmlich dem Zweck der Selbstverteidigung dienen soll. Die Wissenschaftler verweisen allerdings auf Studien, nach denen die Aufbewahrung einer Schusswaffe im Haus nicht die Sicherheit für Frauen erhöht, sondern im Gegenteil das Risiko für Suizid und Mord ansteigen lässt. 300.000-600.000 Schusswaffen würden jährlich gestohlen und gelangen auf den Schwarzmarkt, was auch nicht für höhere Sicherheit sorgen dürfte.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die starke Zunahme des Waffenbesitzes von einer wachsenden Angst oder Unsicherheit ausgeht. Die Furcht vor anderen Menschen sei der primäre Grund für den Besitz von Schusswaffen in den USA. Dabei ist die Angst nicht begründet durch das tatsächliche Anwachsen der Gewalt. Sie ist in den USA ebenso wie in vielen anderen Ländern zurückgegangen. Möglicherweise spielt die Angst vor Terroranschlägen und Amokläufen, die große Medienresonanz erfahren, eine Rolle. Daneben heizen die Schusswaffenlobby und die Konservativen die Stimmung an, indem sie weitere Lockerungen für den Waffenbesitz und das (öffentliche) Tragen von Schusswaffen fordern, was angeblich die Sicherheit stärken soll, während gleichzeitig die Angst vor Zuwanderern und Revolten geschürt wird und die Menschen meinen, sie müssten noch schnell welche erwerben, bevor womöglich doch schärfere Waffengesetze kommen. Im Süden der USA ist jedenfalls die Angst am höchsten
"Wenn ich unsere Umfrage ansehe, dann sehe ich eine Bevölkerung in Angst", so Deborah Azrael von der Harvard School of Public Health und eine der leitenden Autoren der Studie. "Sie kaufen Kurzwaffen, um sich gegen die Bösen zu schützen, sie lagern die Waffen schussbereit wegen der Bösen und sie glauben, dass ihre Schusswaffen sie sicherer machen." Bei einer Umfrage gaben bei Mehrfachnennung mit 63 Prozent die meisten an, sie hätten Schusswaffen als Schutz vor anderen Menschen angeschafft, 1994 hatten das erst 46 Prozent genannt. 40 Prozent nennen die Jagd als Grund, 30 Prozent das Sammeln von Waffen, 28 Prozent Sport, 20 Prozent Schutz vor Tieren und 40 Prozent andere Gründe. Rechnet man jedoch Jagd und Sport zusammen, dann liegt die Freizeitanwendung noch knapp vor der Angst vor anderen Menschen.
Schusswaffenbesitzer sind überwiegend weiße Männer, im Alter von 30 Jahren und mehr, mit einem Highschool-Abschluss und einer College-Ausbildung, allerdings keinen vollen Hochschulabschluss. Gewehrbesitzer sind meist weiße Männer, die in ländlicher Umgebung leben, keine Kurzwaffen besitzen und die Waffen für die Jagd oder den Sport verwenden. Bei den Kurzwaffen ist das Profil anders. Hier ist der typische Besitzer jemand, der eine Waffe zur Selbstverteidigung erworben hat: eine Frau, ein Nicht-Weißer und ein Wohnsitz in einer Stadt, die meisten sind aber immer noch weiße Männer. In der Altersstufe der 18-29-Jährigen ist der Schusswaffenbesitz mit 13 Prozent am geringsten, bei den 30-44-Jährigen liegt er schon bei 21 Prozent, jeweils ein Viertel der 45-59-Jährigen und der Über-60-Jährigen besitzt eine Schusswaffe. Mit dem Alter wächst die Angst.
Der typische Schusswaffenbesitzer gehört also weder der Unterschicht an, noch ist es ein Schwarzer oder ein Latino. 50 Prozent der Schusswaffenbesitzer haben ein Jahreseinkommen von 60.000 US-Dollar und mehr, ein Viertel von mehr als 100.000 US-Dollar. Während 25 Prozent der Weißen eine Schusswaffe besitzen, sind es bei den Schwarzen nur 14 und bei den Latinos 16 Prozent. Wenig verwunderlich bei der Nation, die sich immer wieder im Krieg befindet, die etwa 1,5 Millionen aktive Soldaten und fast eine Million Reservisten besitzt und in der 22 Millionen Veteranen leben, ist, dass 44 Prozent der Veteranen Schusswaffen besitzen. Schwer bewaffnet ist neben dem Militär auch zunehmend die Polizei (USA: Riskante Begegnungen mit der Polizei).