USA: Kampf um Deutungshoheit über Pandemie-Politik

Biden muss sich weiter mit dem mächtigen Trump-Lager bei den Republikanern auseinandersetzen; das große Problem ist Impfskepsis und Impfmüdigkeit

Das Corona-Virus geht weltweit in die nächste Runde, so auch in den USA. Die Zahl der Neuinfektionen stieg im 14-Tage-Vergleich um 172 Prozent (Stand 24.7.2021). Während die Delta-Variante für stark ansteigende Fallzahlen sorgt, führen Republikaner und Demokraten einen medienwirksamen Kampf um die Deutungshoheit über die amerikanische Pandemie-Politik und ihre politischen Folgen.

Joe Bidens Präsidentschaft begann Anfang dieses Jahres damit, eine Vielzahl größerer Aufgaben anzugehen, von denen einige viel Zeit brauchen werden. Doch obwohl die Biden Regierung sich sofort frisch ans Werk gemacht hat, einige größere Fehler der Trump-Ära auszubügeln, kann man wahrscheinlich nicht auf grundlegende Reformen hoffen.

Auch sollte man sich von dem Glauben verabschieden, Präsident Biden wäre eine Art Anti-Trump, dem an nicht mehr gelegen sei, als dessen teilweise rassistische Gesetzgebung rückgängig zu machen. So hat die Regierung Biden zum Beispiel kein Problem damit, die Trumpsche Immigrationspolitik im Wesentlichen beizubehalten, reduziert natürlich um eben jene Aspekte, die zu allzu hässlichen Bildern (wie etwa die von Kindern in Käfigen) führen.

Die neue Regierung steht einerseits vor riesigen Herausforderungen, anderseits erweist es sich als leichte Übung für den Präsidenten, sich im Vergleich zu Trump als seriös, menschlich und kompetent darzustellen. Denn die Regierung Trump war nicht nur inkompetent und offen korrupt, sondern auch verschiedentlich geradezu grotesk grausam.

Allerdings profitiert Biden wohl nirgends so sehr vom politischen Kurs seines Vorgängers wie im Umgang mit der Covid-Pandemie. Denn angesichts des Umstands, dass Trump vor allem dadurch von sich reden machte, dass er die Pandemie herunterspielte und etwa vorschlug, Desinfektionsmittel zu spritzen, er generell die Meinung von Expert:innen ignorierte, wenn sie nicht zu seiner eigenen passte, fällt es leicht, manches Nützliches an seiner Corona-Politik zu vergessen.

Die Impfstoff-Politik

Zum Beispiel, dass unter der Regierung Trump fast zwei Dutzend Fabriken auf die Herstellung von Impfstoffen umgestellt wurden und dass der "Defense Production Act" über 18 Mal angewandt wurde, um diese mit den nötigen Ressourcen zu beliefern.

Biden hat auf diese Infrastruktur aufgebaut, auch wenn man seinem Kabinett einen etwas geschickteren Umgang mit den Pharmakonzernen - zumindest mit Pfizer - unterstellen kann. Trump hatte ihnen zeitweise unterstellt, durch einen unnötig langwierige Zulassungsprozess des Impfstoffs seine Wiederwahl verhindern zu wollen.

Viel wichtiger aber für Bidens erfolgreiche Pandemiebekämpfung ist ein bedingungsloser "America First"-Kurs bei der Impfstoffverteilung, den er, ähnlich wie die aktuelle Migrationspolitik, von seinem Vorgänger geerbt hat, was aber dank neuem "Messaging" langfristig kaum jemanden zu stören scheint. Sowohl unter Trump als auch unter Biden waren Hersteller als Gegenleistung die staatliche Unterstützung dazu verpflichtet worden, vorerst alle Impfdosen an den amerikanischen Staat zu verkaufen.

Der sogenannte "Impfstoffnationalismus" ist kein ausschließlich amerikanisches Phänomen, wie das UK seit Austritt aus der EU ausreichend bewiesen hat. Allerdings sollte man sich die Einigkeit der aktuellen und vergangenen Regierung in ihrem nationalistischen Kurs vor Augen führen, wenn derzeit mal wieder eine Debatte zwischen Republikanern und Demokraten hinsichtlich Bidens Covid-Politik medienwirksam inszeniert wird.

Wenn Agenten an die Türen Ungeimpfter klopfen

Wie so oft in der amerikanischen Politik geht es in besagtem Konflikt hauptsächlich um Wahlkampf und weniger um tatsächlich unterschiedliche politische Ansätze. So bezieht sich die Kritik der Republikaner vor allem auf die Art und Weise, mit der die demokratische Regierung nun Impfskeptiker überzeugen möchte, sich doch noch die erste oder zweite Dosis verabreichen zu lassen.

Beispielsweise warnte der Abgeordnete Jason Smith aus Missouri vor Bidens neuer Kampagne, die beinhalten soll, dass "Agenten im KGB-Stil an die Türen ungeimpfter Amerikaner klopfen". Andere Republikaner wie der Abgeordnete Madison Cawthorn scheinen Angst zu haben, die Vertreter der Regierung der Demokraten würden bei dieser "Tür zu Tür"-Kampagne die Waffen und die Bibeln gleich mitnehmen.

Wie schon in der Debatte um "Schusswaffengesetze" schüren die Republikaner Ängste vor einem starken Staat und pochen auf einen sehr amerikanischen, individualistischen Freiheitsbegriff, der mehr die Freiheit des Einzelnen und weniger das Allgemeinwohl im Fokus hat. Die Widersprüchlichkeiten in solchen Narrativen sind mal mehr, mal weniger offensichtlich.

Niedrige Impfquoten bei Trump-Anhängern

Diese Argumentationsweise zeigt sich auch am Beispiel Fox News: In Trumps Lieblingsshow Fox and Friends verglich Brian Kilmead ungeimpfte Personen mit Klippenspringern, die sich aus eigenem Entschluss in Gefahr begeben würden und ihn bitte nicht zwingen sollten, eine Maske zu tragen. Als sein Co-Moderator Steve Doocy ihn darauf hinwies, "99 Prozent der Covid-Toten seien ungeimpft gewesen", antwortete Kilmead: "Das ist deren eigene Entscheidung gewesen."

Bei solch gefährlichen und menschenverachtenden Äußerungen darf man sich schon fragen, was genau das konservative Sprachrohr Fox News seinen Zuschauern mitteilen möchte. Denn wie eine Erhebung im April zeigte, scheinen die Landkreise mit den niedrigsten Impfraten auch diejenigen zu sein, in denen sehr viele Unterstützer:innen des ehemaligen Präsidenten Donald Trump leben.

Das Weiße Haus jedenfalls zeigt sich über diese Form der Meinungsmache so besorgt, dass es sich schon seit einiger Zeit in Gesprächen mit Fox News bezüglich dessen Covid-Berichterstattung befindet.

Die Haltung vieler Republikaner:innen und ihrer Medienvertreter scheint also vor allem die eigenen Wähler zu gefährden, was wiederum die Frage aufwirft, warum viele konservative Politiker so verbissen an dieser Form der Kritik festhalten. Einige von ihnen wie Senator Tommy Tuberville geben sich einfach nur beleidigt, dass die Biden Administration der harten Arbeit ihrer Vorgänger nicht genug Tribut zollt - womit sie vielleicht sogar insofern recht haben, als die Regierung der Demokraten wahrscheinlich wenig Interesse daran hat, Ähnlichkeiten mit der Politik ihrer Vorgänger zuzugeben.

Abgesehen davon scheinen aber auch noch andere Kräfte am Werk, die viele Republikaner:innen davon abhalten, sich klar für Impfungen auszusprechen. Denn unabhängig davon, wie sehr sie selbst wirklich an Verschwörungstheorien glauben, scheinen sich viele Parteimitglieder gezwungen zu sehen, deren Anhänger nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen.

Wahlkampf

Klar, Trump-Loyalisten wie Marjorie Taylor Greene scheint die Verbreitung noch der abgedrehtesten Verschwörungstheorien leichtzufallen; doch auch sie wirkte nervös, als sie nach ihrem persönlichen Impfstatus gefragt wurde und verwies auf etwas unglückliche Art auf ihr Recht auf Geheimhaltung.

Der Grund für die etwas undurchsichtige Position der Republikaner scheint im Wahlkampf zu liegen. Denn der hat bereits begonnen und der Kandidat steht fest: Donald Trump. Eben jener Ex-Präsident, der über seine gesamte Präsidentschaft hinweg nicht nur wenig unternommen hat, um gegen Verschwörungstheorien in seiner Wählerschaft vorzugehen.

Vielmehr hatte er auch regelmäßig auf den sogenannten "deepstate" verwiesen, um Probleme mit der eigenen Covid-Politik zu erklären. Was bleibt den Republikanern also anderes übrig, als einen Ton anzuschlagen, der eben jenen Wähler:innen Raum für ihre absurden Überzeugungen lässt.

Das Problem ist, so lässt sich kaum sinnvolle Politik gegen die Ausbreitung der Pandemie machen. Dabei wären gerade konservative Befürworter bitter nötig, um die vorwiegend konservative ungeimpfte Bevölkerung zu erreichen. Für Biden hingegen ist es politisch nicht sinnvoll, Kontinuitäten in seinem Kurs zur Politik seines Vorgängers zuzugeben, selbst wenn dies einige Republikaner vielleicht überzeugen würde, ihn zumindest zeitweise in seiner Impfpolitik zu unterstützen.

Doch beide Seiten stehen sich weithin unversöhnlich gegenüber. Daran haben nicht ausschließlich die Republikaner Schuld. Denn der aktuelle Präsident bezieht seine politische Stärke primär daraus, dass er im Vergleich zu Trump nur menschlicher und kompetenter wirken kann, egal wie viele Menschen an Covid sterben oder an den Grenzen warten.