USA: Wann stehen die Wahlergebnisse fest?

Telegraf aus dem Wisconsin Historical Museum in Madison. Foto: Public Domain

Außer über ihren Präsidenten entscheiden die Amerikaner heute auch, über wie viel Macht dieser Staatschef in den nächsten zwei Jahren verfügt

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Bei der ersten amerikanischen Präsidentschaftswahl stand das Ergebnis nicht schon nach dem ersten Wahltag fest. Das lag schon alleine daran, dass sie vom Montag den 15. Dezember 1788 bis zum Samstag den 10. Januar 1789 dauerte. Später machte es eine bessere Infrastruktur möglich, dass landesweit an einem Tag gewählt wird. Seit 1845 ist das der Dienstag nach dem 1. November. Im Jahr davor hatte Samuel Morse zwischen Washington und Baltimore die erste Telegrafenleitung in Betrieb genommen, mit der Ergebnisse über längere Strecken deutlich schneller übermittelt werden konnten als zu Pferde oder mit der Eisenbahn, die in den USA seit 1827 fuhr.

Rückkehr der Langsamkeit

Zeitungen wetteiferten darum, ihren Lesern als erste aussagekräftige Additionen dieser Ergebnisse zu präsentieren, was zur Beschleunigung beitrug. Manchmal überschlugen sie sich dabei auch: Die Chicago Tribune erklärte am 3. November 1948 voreilig den Republikaner Thomas E. Dewey zum Sieger und sicherte sich so einen gut sichtbaren Platz in der Geschichte der Falschmeldungen in Leitmedien.

Anfangs zeichnete man Stimmzettel in den USA meist mit seinem Namen, was das Fälschen von Ergebnissen deutlich erschwerte. Geheime Wahlen setzten sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durch. Ende des 20., bei der Wahl zwischen George W. Bush und Al Gore, brachten sie so viel Unklarheit mit sich, dass sich der Wahltag und das sicher feststehende Ergebnis wieder voneinander entfernten: Erst im Dezember 2000 entschied der Supreme Court, dass nun nicht mehr nachgezählt und George W. Bush Präsident wird.

Fällt das Ergebnis knapp aus, könnte es 2020 ebenfalls länger dauern und einer Supreme-Court-Entscheidung bedürfen, bis feststeht, wer die USA zwischen Januar 2021 und Januar 2025 regiert. Raum für mögliche Klagen bietet diesmal unter anderem der wegen der Corona-Pandemie ungewöhnlich hohe Anteil von Wählern, die für ihre Stimmabgabe kein Wahllokal aufsuchen (vgl. USA: Aktivisten sollen sich "nicht zwischen Wähler und Urne stellen").

Filterblasenoffenbarungen, Glaubensbekenntnisse und Wunschzettel

Donald Trump ließ heute auf Twitter durchblicken, dass er vor allem die Wahlrechtslage in Pennsylvania als missbrauchsanfällig ansieht. In diesem wichtigen Schlachtfeldstaat steht möglicherweise erst am Samstag fest, für wen seine 20 Wahlleute im Wahlkollegium stimmen werden. Briefwahlstimmen werden dort nämlich auch dann noch berücksichtigt, wenn sie drei Tage nach dem Wahltermin eingehen. Darauf, dass Donald Trump mit einer möglicherweise wahlentscheidenden Rolle Pennsylvanias rechnet, deuten auch seine Wahlkampfaktivitäten hin: Gestern landete er in der vom Rust-Belt-Effekt besonders stark getroffenen Stahlstadt Scranton und twitterte, Joseph Biden sei ein "Cheerleader für NAFTA und Chinas Beitritt zur WTO" und habe das letzte halbe Jahrhundert damit zugebracht, Grenzen zu öffnen und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.

Kommen sowohl Biden als auch Trump auf exakt 269 Wahlmänner, die im Kollegium für sie stimmen, entscheidet im Januar das Repräsentantenhaus, von dem heute alle 435 Sitze zur Wahl stehen. Im Senat sind es 35 von 100 - davon werden aktuell 23 von Republikanern und zwölf von Demokraten gehalten. Wie die neue Zusammensetzung des Kongresses aussehen wird, ist ebenso offen wie die Antwort auf die Frage, wer Präsident wird. Von den Umfragen dazu gibt es so viele sich widersprechende, dass sie im Grunde nicht viel mehr als Filterblasenoffenbarungen, Glaubensbekenntnisse und Wunschzettel sind.

Volksabstimmungen über Psilocybinpilze und graue Wölfe

Deshalb ist auch unklar, über wie viel Macht der alte oder neue US-Präsident bis zu den nächsten Halbzeitwahlen verfügen wird: Nur dann, wenn seine Partei sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus eine Mehrheit hat, kann er mit Gesetzen "durchregieren". Ist das Repräsentantenhaus in den Händen der gegnerischen Partei, muss er auf Verordnungen zurückgreifen oder Kompromisse suchen. Ein noch größeres Problem hat ein US-Präsident, wenn seine Partei im Senat keine Mehrheit hat. Denn der Senat muss nicht nur Supreme-Court-Richter bestätigen, sondern auch die wichtigen Kabinettsposten. Hat in diesem hundertköpfigen Gremium keine Partei eine Mehrheit, bekommt der Vizepräsident eine zusätzliche Stimme, die das Patt auflöst.

Außer über ihren Präsidenten, den Kongress und regionale und lokale Ämter und Kammern dürfen die Amerikaner heute in 32 Bundesstaaten auch direkt über insgesamt 120 politische Fragen entscheiden: In 14 davon geht es um Wahlrechts- und Politikfinanzierungsänderungen, in 19 um Steuern, in vier um die Legalisierung von Marihuana als Genussmittel und in zweien um die Zulassung von Marihuana als Arzneimittel. Weitere Themen sind unter anderem Psilocybinpilze und graue Wölfe in Colorado. Mit letzteren sind nicht die türkischen Nationalisten gemeint, die in Frankreich gerade verboten werden, sondern die ebenfalls gefährlichen Raubtiere, die diesen und anderen Gruppen als Symbol dienen (vgl. Das Totemtier des Sozialdarwinismus).

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