USA: Weniger Demokratie wagen!
Können die US-Demokraten unter Biden die Demokratie verteidigen? Sie scheinen sich nicht einmal einig zu sein, inwieweit das nötig ist
Die Republikanische Partei bleibt Ihrem antidemokratischen Kurs treu und verhöhnt damit Präsident Joe Bidens Kurs der politischen Eintracht. In seiner Rede am vergangenen Dienstag gab der Präsident zu, das Land befinde sich in einer demokratischen Krise - und appellierte weiterhin an die Vernunft der Republikaner.
Als die offen antidemokratische Politik seines republikanischen Vorgängers Donald Trump im Sturm auf das Kapitol am 6. Januar letzten Jahres ihren Höhepunkt fand, war wohl ein Großteil der Bevölkerung geschockt, wie leicht es den selbst ernannten Umstürzlern gelungen war, sich Zutritt zum Allerheiligsten der US-Demokratie zu verschaffen. Allerdings waren sicher auch viele der Meinung, mit Joe Bidens Vereidigung zwei Wochen später sei die Krise weitestgehend überstanden.
Doch während verschiedene Staatsorgane innerhalb und außerhalb des Kapitols noch dabei sind aufzuarbeiten, wer für diese Katastrophe verantwortlich ist - oder gemacht werden kann - ist die Republikanische Partei schon längst wieder auf Kurs.
Neuer Job für eine Abtrünnige
Ja, kurz sah es so aus, als würden sich ein paar anständige Republikanerinnen erheben, aber das Canceln von Mitgliedern des Partei-Establishments wie Liz Cheney hat gezeigt: Niemand steht über der neuen Agenda der Republikanischen Partei - und diese Agenda ist gefährlich antidemokratisch. Cheney hat übrigens einen neuen Job: in der von Demokraten geführten Untersuchungskommission zu den Ereignissen des 6. Januar - und sie fühlt sich sichtlich wohl in ihrer neuen Rolle als Rächerin der Demokratie.
Gerade weil die Republikaner in ihrem neuen Kurs so einig scheinen, ist Präsident Bidens "bipartisan" Politik der Einigung, die darauf abzielt, Gesetzesentwürfe mithilfe republikanischer Stimmen zu verabschieden, nicht nur verblendet, sondern schlicht gefährlich. Seine Rede am Dienstag war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber an die Vernunft einiger Republikanerinnen zu appellieren heißt, politische Realitäten zu verkennen. Wie schon hier bereits erwähnt, hat die Republikanische Partei eingesehen, dass sie zwar durch die Politik des Kulturkampfes und den Personenkult um Trump eine konservative weiße Arbeiterklasse an sich binden konnte, generell aber in Zukunft Probleme haben wird, Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.
Dies zeigte auch die vergangene Präsidentschaftswahl - eine Reaktion auf die Politik Trumps. Durch den "Grassroot"-Aktivismus marginalisierter Gruppen fiel das Wahlergebnis in einigen bis dato Republikanischen Staaten zugunsten der Demokraten aus, im Falle von Georgia dank mehrfachen Nachzählens sogar dreifach.
Wahlgesetze, wie sie passen
Laut Trump und den Anhängerinnen seines MAGA-Kults ("Make America Great Again"), gilt die Wahl zwar nach wie vor als "gestohlen", es ist aber kein Zufall, dass es besonders in diesen Staaten, die zumindest bis zu den Halbzeitwahlen noch von Republikanern verwaltet und repräsentiert werden, zu neuen Wahlgesetzgebungen kommt, die scheinbar ausschließlich dazu dienen, gewisse Teile der Bevölkerung vom demokratischen Prozess auszuschließen.
Das neue Wahlgesetz in Georgia im April hat zwar landesweit für einigen Unmut gesorgt. Die Medien kritisierten besonders das Verbot der Versorgung von wartenden Wahlberechtigten mit Wasser, wirklich gefährlich für die Demokratie sind aber andere Teile des Gesetzes. Wie zu erwarten, und trotz aller Kritik, zeigte sich der republikanische Gouverneur Brian Kemp öffentlich stolz darauf, ein Gesetz zu unterschreiben, das die Wahl per Post erschwert und das Eingreifen des Bundesstaats-Parlaments in den Wahlprozess erleichtert. So also sieht die Republikanische Vorbereitung auf die nächsten Wahlen aus.
Der politische Widerstand der Demokratinnen an dieser Stelle fällt verhältnismäßig schwach aus, auch wenn Präsident Biden kurz vor Einführung seiner Verachtung für die neuen Gesetze Ausdruck verlieh.
Dennoch blieben bisher die Versuche des frisch gebackenen Präsidenten, die Republikaner durch öffentliches "Shaming" zum Umdenken zu motivieren, ohne nennenswerten Effekt. Was ist auch anderes zu erwarten von einer Partei, deren Realitätsverlust so weit vorgeschritten ist, dass sie die Grenze der vertretbaren politischen Meinungen nicht bei Verschwörungsmythen um Wahlbetrug, sondern erst bei Theorien um jüdische "Space-Laser" zieht, und das auch eher unwillig.
Eine Taktik, die Biden eventuell noch einmal überdenken sollte. Denn jetzt geht es ums Ganze, nämlich um Texas. Wie der Gouverneur des "Lone-Star-States" vergangenes Wochenende auf der "CPAC Conference", betonte, ist Texas wirklich die letzte Republikanische Bastion.
Aus Sicht der Republikaner ist die Präsidentschaftswahl in der Republikanischen Hochburg viel zu knapp zu ihren Gunsten ausgegangen. Dies betonte "Lieutenant Governor of Texas" Dan Patrick, als er Konferenzbeteiligten erklärte, wenn Texas falle, sei das Land "für immer verloren", denn mit Wahlmännern aus New York und Kalifornien zusammen würde nie wieder ein konservativer Präsident gewählt werden. Er versicherte dem Publikum kurz darauf, er lasse dies "auf keinen Fall zu".
Wie auch immer dieses ominöse Versprechen gemeint ist, der Mann hat recht. Texas ist der letzte wirklich bevölkerungsreiche Bundesstaat in republikanischer Hand. Die generelle politische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigte zwar eine Verschiebung der Wählerschaft zugunsten der Demokraten, doch bei den Präsidentschaftswahlen fiel diese hinter die Erwartungen zurück.
Es kann davon ausgegangen werden, dass Republikaner diese Entwicklung in ihrem geliebten Texas trotz "guter" Wahlergebnisse eher pessimistisch stimmt. Wohingegen die gebeutelten Demokratinnen vielleicht so etwas wie Morgenluft wittern.
Flucht aus dem Senat
Daher rührt womöglich die verhältnismäßig starke Reaktion einiger demokratischer "Lawmaker" auf den drakonisch anmutenden Gesetzesentwurf. Sie flohen aus dem texanischen Senat, um diesen entscheidungsunfähig zu machen. Die acht Abgeordneten flogen nach Washington DC, um dort Präsident Biden und den Senat von der Verabschiedung neuer "Voter Protection Laws" zu überzeugen. Diese sind allerdings schwer durchzusetzen und können von dem momentan stark konservativ besetzten Supreme Court jederzeit gekippt werden, wie wir es schon 2013 erleben mussten.
Die Flucht der demokratischen "Lawmaker" hin nach Washington ist dennoch eher als Kritik am politischen Kurs des Weißen Hauses zu begreifen. Die Vertreterinnen der Demokratischen Partei in den Bundestaaten haben nicht zu Unrecht das Gefühl, Präsident Bidens sinnloses Heischen um Einigkeit mit den Republikanern gefährde Ihre Position in den nächsten Wahlen. Und das zu Recht, denn dieser hat den Machtkampf schon aufgeben und bemüht sich lieber um lächerliche kleine Hilfsprogramme, die marginalisierten Gruppen dabei behilflich sein sollen, den Anforderungen des neuen Wahlrechts gerecht zu werden.
Die Kontroverse um die neuen Wahlgesetzgebungen ist also nicht nur Ausdruck eines gespaltenen Landes und der antidemokratischen Bestrebungen der Republikaner, sondern auch von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Demokratischen Partei, wie mit diesen Problemen umzugehen ist. Während die Partei Lincolns sich daran macht, das auszuhöhlen, was von der US-Demokratie nach Trump noch übrig ist, verkennt Präsident Joe Biden seine größte Aufgabe: Er ist nicht gewählt worden, um mit Reaktionären und Verschwörungsmystikerinnen Frieden zu schließen, sondern um die älteste Demokratie der Welt vor ihnen zu schützen.
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