Realitätsverlust: Trumps ungebrochener Einfluss auf die US-Republikaner
Der Ex-Präsident, der sich nicht von der Macht trennen wollte, hatte nie eine landesweite Mehrheit. Das "Wahlmännersystem", von dem er profitierte, hat einen rassistischen Ursprung
Am 3. November 2020 wurde Joe Biden mit historisch hoher Wahlbeteiligung und 7,1 Millionen Stimmen Abstand zu seinem Vorgänger Donald Trump, zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Die Republikanische Partei scheint dem nunmehr zum Ex-Präsidenten gewordenen Trump aber trotz dieser schweren Wahlniederlage auch vier Monate nach dem Machtwechsel mehrheitlich weiter hörig zu sein und unterstützt ihn in seinem Glauben, der Wahlsieg sei ihm gestohlen worden.
Früh zeichnete sich ab, dass die Machtübergabe, in US-Medien oft als wichtige demokratische Tradition beschrieben, dieses Mal nicht ohne einen gewissen Widerstand und neue Tabubrüche Trumps über die Bühne gehen würde. So war der Präsident schon vor der Wahl der Frage ausgewichen, ob er eine Niederlage akzeptieren würde. Den meisten Bürgerinnen und Bürgern müsste klar gewesen sein, dass es von diesem Präsidenten keine "Concession Speech", kein Eingeständnis der Niederlage geben würde. Allerdings überbot das Ausmaß des kollektiven Realitätsverlusts von Trump, seinen Untergebenen, Anhängern und letztendlich auch der Republikanischen Partei jede Vorstellung.
Und doch hatte es bei genauer Betrachtung einige Warnzeichen gegeben: Eine politische Bewegung, die aus falschem Stolz heraus Fakten und Tatsachen verkennt und zudem entschlossen ist, sich in einem Führerkult um Trump zu ergehen, hat konsequenterweise auch wenig Interesse an demokratischen Werten und Abläufen.
Das FBI hatte vor dem Mob gewarnt
Dennoch kam der sogenannte "Sturm auf das Kapitol" am 6. Januar überraschend. Natürlich nicht für das FBI: Die Behörde hatte vorab mehrmals, aber scheinbar nicht vehement genug auf die Möglichkeit eines solchen "Aufstandes" hingewiesen. Dennoch hatte die Kapitol-Polizei den Eindringlingen kaum etwas entgegenzusetzen. Auch viele Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner konnten nicht fassen, was da im Allerheiligsten ihrer Demokratie vor sich ging.
Trotz der verhältnismäßig laschen Reaktion der Ordnungskräfte auf die gewalttätigen und teilweise bewaffneten Demonstranten, - man war besorgt gewesen wie ein Einsatz der Nationalgarde auf die Öffentlichkeit wirken würde - , schien es eine Zeit lang so, als hätte Trump es sich mit dem größten Teil der Republikanischen Partei verscherzt. Kurz zuvor hatte er seine Anhänger in einer Rede dazu aufgefordert, zum Kapitol zu marschieren, um die Zertifikation der Wahlergebnisse zu stören.
Doch die Konsequenzen blieben aus. So stimmte etwa Senator Mitch McConnell, obwohl er Trump vor und nach dem Amtsenthebungsverfahren direkt für die Ereignisse am 6. Januar verantwortlich gemacht hatte, in dem Impeachment-Prozess für einen Freispruch und festigte damit Präsident Trumps Position in der Partei.
Innerparteiliches Angstregime
Auch als Trump später - im Grunde bis heute - keine Anzeichen machte, die Wahlergebnisse vom 3. November 2020 zu akzeptieren, gab es kaum Republikaner, die es wagten, dem Irrsinn zu widersprechen. Ihre Angst ist nicht unberechtigt, denn wer sich mit Trump anlegt, bekommt es mit dessen Anhängern zu tun. So wollte der Mob am 6. Januar schließlich sogar Trumps Vizepräsident Mike Pence lynchen, der sich "erdreistet" hatte bei der Bestätigung der Wahlergebnisse anwesend zu sein.
Wer sich innerhalb der Partei gegen Trump stellt, muss auch ein halbes Jahr nach dessen Amtsverlust mit Konsequenzen rechnen. Selbst die Kongressabgeordnete Liz Cheney, Tochter des berüchtigten Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney, musste feststellen, dass die Partei Trump weiter treu ergeben ist. Cheney ist Anhängerin des ultrakonservativen Flügels der Republikanischen Partei. Dennoch hielt sie es, zumindest seit den Ereignissen am 6. Januar, für nötig, Trump hinsichtlich seiner Interpretation der Wahlergebnisse zu widersprechen. Kurz darauf wurde sie ihres Amtes als "Chair of the House Republican Conference" enthoben.
Ihre Nachfolgerin, Elise Stefanik, gilt als fest auf den Ex-Präsidenten eingeschworen. Der ganze Vorgang zeigt beispielhaft das Verhältnis namhafter Republikaner zu Trump und seinen demokratiefeindlichen Äußerungen auf.
So war zum Beispiel der Fraktionschef der Republikaner, Kevin McCarthy, aufgrund eines versehentlich eingeschalteten Mikrofons während eines Auftritts bei "Fox and Friends" zu hören, wie er Liz Cheney aufs schärfste kritisierte und ankündigte, gegen sie vorzugehen. "Fox and Friends" ist übrigens Donald Trumps Lieblings-Fernsehshow. Überraschend ehrlich hingegen reagierte Senator Lindsey Graham, der während eines Interviews mit dem Sender Fox News erklärte, er würde Liz zwar persönlich mögen, aber sie glaube eben, die Republikanische Partei könne mit Trump nicht wachsen. Er selbst gehe davon aus, dass die Republikanische Partei ohne Trump nicht wachsen könne.
"Popular Vote" nie gewonnen
Nun, "wachsen" ist hier möglicherweise der falsche Begriff, denn Präsident Trump verabschiedete sich mit historisch schlechten Umfragewerten aus dem Weißen Haus, verstärkt noch durch seine Rolle bei dem "Pseudo-Putschversuch" am 6. Januar.
Warum glauben Republikaner wie Senator Graham also, nicht ohne Trump auszukommen? Um dieser Frage nachzugehen, empfiehlt es sich, klar in den Blick zu nehmen, dass die letzten beiden republikanischen Präsidenten, also George Bush Jr. und Trump, die sogenannte "Popular Vote" nie gewonnen haben. In beiden Fällen hätten die demokratischen Kontrahenten das Rennen gemacht, käme es schlicht und einfach auf die landesweite Mehrheit an. Doch das Wahlsystem der USA blockiert an dieser Stelle.
Dank dem "Electoral College," also dem "Wahlmännersystem", einer Institution, die der Süden dem Norden aufdrängte und die den Umstand beheben sollte, dass sich Sklavenhalter unterrepräsentiert fühlten, schafften es die Republikaner 2000 und 2016 trotzdem, die Wahl zu gewinnen. Die Republikaner haben für sich beschlossen, dass der Weg zur Macht für sie kein demokratischer ist. Die Partei beschreiten ihn, indem sie eine Minderheit weißer konservativ eingestellter Wähler durch Angst an sich bindet; doch diese Wählergruppe reicht nicht für eine Mehrheit.
Damit die zukünftigen Präsidentschaftswahlen trotz des Fehlens zu ihren Gunsten ausgehen, verlassen sie sich nicht nur auf das "Electoral College". Um unliebsame Stimmen ungültig zu machen, greifen sie auch auf "Gerrymandering" zurück oder nutzen gleich die bewährte Taktik der rassistischen Wählerunterdrückung per Gesetz, vorallem in sogenannten "Swing States" wie Georgia
Diese "weiße Minderheit" existiert und hat sich voll und ganz Trump und seinem antidemokratischen Kurs verschrieben. Er sagt und steht für etwas, das Republikaner seit Jahrzehnten nur noch angedeutet haben: ein von und für Weiße regiertes Amerika. Fraglich ist allerdings, ob diese Gleichung aufgeht, denn Amerika ist immer noch eine Demokratie, wenn auch eine angeschlagene.
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