USA: Wirtschaftswachstum ermöglicht Stadtflucht
Gibt es auch außerhalb der Metropolen gute Arbeitsplätze, wandern Menschen ab
Dass die Einwohnerzahl von Detroit von 1,8 Millionen auf weniger als 700.00 zurückging, ist schon länger bekannt, und hat viel mit Freihandel und dem Niedergang der amerikanischen Autoindustrie zu tun (vgl. Schrumpfende Städte und Geordnetes Schrumpfen von Städten). Inzwischen verzeichnen aber auch Metropolregionen wie Chicago und New York mehr Abwanderung als Zuwanderung aus anderen US-Bundesstaaten.
2015 wanderten in diesen 23,7-Millionen-Einwohner-Ballungsraum, zu dem unter anderem New Jersey, Connecticut, das untere Hudson Valley und Long Island gerechnet werden, 181.551 Amerikaner zu, aber 187.034 ab. Aufgrund von Zuzügen aus dem Ausland ergab sich trotzdem noch ein kleiner Nettozuwachs. 2016 waren es 160.324 und 223.423. Die Zuwanderung aus dem Ausland sorgt auch dafür, dass New York City trotz starker binnenamerikanischer Abwanderung mit einem Bevölkerungszuwachs rechnet, der mit 0,1 Prozent allerdings deutlich geringer sein wird als die in der ersten Hälfte der 2010er Jahre gemessenen 0,5 Prozent.
Auf den ersten Blick paradoxe Erklärung
Eine Erklärung, die Ökonomen für diesen Trend liefern, ist auf den ersten Blick das Gegenteil dessen, womit die Abwanderung aus Detroit begründet wird: dass die US-Wirtschaft wächst. Auf den zweiten Blick wird klar, dass dieses Wachstum dafür sorgt, dass es zunehmend nicht nur in den Ballungsräumen, sondern auch anderswo Arbeitsplätze und zahlungskräftige Kunden gibt.
Dieses Anderswo hat gegenüber New York häufig Vorteile: Niedrigere Mieten und Grundstückspreise zum Beispiel. Weniger Kriminalität (auch wenn dieses Argument eher für die Drill-Rap-Hauptstadt Chicago als für New York City greift, das bei der Anzahl der Morde unlängst von der Drill-Rap-Vizekapitale London überholt wurde). Und häufig auch weniger bundesstaatliche und kommunale Steuern, die nicht nur Gewerbebetriebe, sondern auch Arbeitnehmer zahlen müssen.
Steuerreform dürfte Trend verstärken
Dass die im Dezember verabschiedete Steuerreform die Absetzbarkeit dieser bundesstaatlichen und kommunalen Steuern von den Bundessteuern einschränkt (vgl. USA: Kongresskammern einigen sich auf Steuerreform), dürfte den Trend zur Abwanderung aus oft von Demokraten regierten Hochsteuerregionen wie New York in Städte ohne eigene Einkommensteuer wie Houston noch verstärken: Alleine 2018 wird die Änderung geschätzte 3,4 Millionen New Yorker Geld kosten.
Für die Erklärung, dass solche Steuern eine Rolle spielen, spricht auch, dass nicht nur in Houston, sondern auch in anderen Metropolregionen in Florida und Texas die Einwohnerzahlen steigen. Das Orlando-Daytona-Beach-Gebiet nahm beispielsweise zwischen 2011 und 2017 um 217.104 Einwohner zu. Hier spielt wahrscheinlich auch ein besseres Wetter eine Rolle, das Nordstaatler dazu verlockt, ihren Ruhestand in Florida zu verbringen.
Auch Schönwetterbundesstaat Kalifornien betroffen
Allerdings wandern auch aus dem Schönwetter- aber Hochsteuerbundesstaat Kalifornien Einwohner ab. 2016 zogen 142.932 Kalifornier mehr in andere US-Bundesstaaten als umgekehrt. Im Vergleich zu 2015 eine Steigerung um 11 Prozent. Viele davon zog es in den nördlichen Nachbarn Oregon mit seiner Metropole Portland. Für die obere Mittelklasse, die den Großteil der Umzügler stellt (vgl. Die Flucht der Weißen in den USA), rückten vor allem Migranten aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern nach.
Die Binnenabwanderung wird auch in den an Angebot und Nachfrage orientierten Preisen des Umzugsserviceanbieters U-Haul sichtbar: Während dort ein Umzug von Dallas nach Los Angeles für 1.232 Dollar zu haben ist, kostet er in umgekehrter Richtung durch die viel höhere Nachfrage 2.558 Dollar. In den U-Haul-Top-Ten der Staaten, in die mehr Amerikaner hin- als wegziehen, finden sich nach dem Spitzenreiter Texas auch die Südstaaten Florida, South Carolina, Tennessee, North Carolina und der Rocky-Mountains-Staat Colorado mit seiner Metropole Denver. Staaten aus denen es viele Amerikaner wegzieht, sind neben Kalifornien, New York und New Jersey, Michigan, Illinois, Pennsylvania und Massachusetts.
Gegenläufige Entwicklung in Deutschland
In Deutschland verläuft die Entwicklung bislang noch gegenläufig: Hier wachsen die Metropolregionen weiterhin, was viel mit der mangelnden Internetversorgung auf dem Land zu tun hat (vgl. Telekom empfiehlt bei Empfangsproblemen Smartphoneumstellung auf 2G). Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass in Ballungsräumen wie München, Hamburg und Berlin die Mieten und Grundstückspreise weiter stark steigen, während sie in Oberfranken oder im Harz sinken.
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