USA sanktionieren russische Forschungsinstitute
Darunter ist auch ein Institut des Verteidigungsministeriums, das an der Entwicklung des Corona-Impfstoffs Sputnik V beteiligt ist. Wirtschaftskrieg um das Geschäft mit dem Impfstoff?
Die US-Regierung betreibt weiterhin mit Sanktionen einen Wirtschaftskrieg. Zuletzt sprach das Bureau of Industry and Security (BIS) am 27. August gegen 60 Firmen und Institutionen neue Export Administration Regulations (EAR) aus. Die Sanktionen sind weniger hart als die vom Finanzministerium verhängten und sollen eine Zusammenarbeit verhindern. Ein großer Teil sind chinesische Firmen, die wegen der Mitwirkung am Ausbau der chinesischen Territorialansprüche im Südchinesischen Meer bestraft werden, und russische staatliche und militärische Forschungsinstitute. Die Wirtschaftssanktionen werden damit begründet, dass es "einen vernünftigen Grund gibt anzunehmen", dass sie dem chemischen und biologischen Waffenprogramm angehören und/oder wie das State Scientific Research Institute of Organic Chemistry and Technology für das Militär arbeiten sollen. Letzteres ist nun ein ziviles Institut, hat aber zu Sowjetzeiten Nowitschok mit entwickelt. Dabei ist aber auch das 48. Zentrale Forschungsinstitut, das den russischen Impfstoff mitentwickelt hat und in dem die ersten Tests an Menschen erfolgten.
Nicht sanktioniert wurde das zivile Gamaleja-Instituts für Epidemiologie und Mikrobiologie, das mit dem 48. Zentralen Forschungsinstitut den Corona-Impftstoff entwickelt hat. Russland wurde damit das erstes Land, das im globalen Wettlauf mit Sputnik V einen Corona-Impfstoff mit dem Adenovirus als Vektor für das Spike-Protein registriert hat, noch vor China und Kuba. Damit sind die USA abgeschlagen, obgleich Präsident Donald Trump, um seine Wiederwahl fürchtend, alles darauf setzt, dass vor dem Wahltag ein Impfstoff in den USA auf den Markt kommt. Dabei geht es auch darum, welche anderen Länder den Impfstoff verwenden und in Lizenz produzieren wollen. Russlands Vorpreschen wird andere Länder unter Druck setzen, die Sicherheitsvorkehrungen und Tests möglichst schnell hinter sich zu bringen, um mitspielen zu können.
Phase 1 und 2 der klinischen Tests waren am 1. August abgeschlossen worden. Angeblich löste der Impfstoff eine starke Immunantwort aus, keine der Testpersonen sei nach der Impfung mit Covid-19 infiziert worden. Putin behauptete, dass sich eine seiner Töchter bereits impfen hat lassen. Von sich selbst sagte er dies, meines Wissens nach, allerdings nicht. Phase 3 läuft mit 40.000 Testpersonen seit 24. August. Die Massenproduktion soll im September beginnen. Nach den Corona-Notverordnungen kann die russische Bevölkerung mit Sputnik V geimpft werden. An dem Impfstoff interessiert zeigen sich u.a. die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Indonesien, die Philippinen, Brasilien, Mexico, Venezuela oder Indien. Russland entwickelt mit einem zivilen Forschungszentrum für Virologie und Biotechnik noch einen weiteren Impfstoff, der im September registriert werden soll.
Auf die Sanktionen reagierte Kreml-Sprecher Peskow. Er bezeichnete die Sanktionen der meist militärischen Forschungsinstitute als "Sanktionstheater des Absurden". Washington mache sich abhängig von Sanktionen, die sanktionierten Forschungsinstitutionen hätten nichts mit chemischen oder biologischen Waffen zu tun: "Das ist absoluter Unsinn. Und wenn die wissenschaftliche Forschung eines der Institute zugrundelegt, können wir nicht ausschließen, dass dies ein weiteres Beispiel eines offenen, nicht-kompetitiven Kampfes ist."
Nun kann man glauben oder auch nicht, dass die sanktionierten Forschungsinstitute nicht Teil eines chemischen und biologischen Waffenprogramms sind. Die USA legen dafür aber auch keine Beweise vor, sondern munkeln nur, dass sie das vermuten, weil es Gründe dafür gebe, die aber nicht verraten werden. Das 48. Zentrale Forschungsinstitut des Verteidigungsministeriums könnte natürlich auch mit biologischen Waffen zu tun haben und gleichzeitig einen Impfstoff mitentwickeln. Militärlabors auch im Westen entwickeln ja stets nur Mittel, wie sich biologische Waffen abwehren oder behandeln lassen, müssen aber diese vorrätig haben und auch entwickeln, wie sich das etwa bei den Anthrax-Anschlägen 2011 herausstellte oder bei dem Skripal-Anschlag, da das Militärlabor Porton Down auch Nowitschok in Besitz hatte, um es identifizieren zu können.
Donald Trump hat den MAGA-Wettlauf zur Entwicklung eines Impfstoffs mit dem Manhattan-Projekt verglichen. Da ging es freilich darum, wer zuerst eine Atombombe baut - und sie auch anwendet, um einen Massenmord zu begehen. Putin war da etwas glücklicher, mit Sputnik V an den Wettlauf ins All zu erinnern, auch wenn die Sowjetunion den damals im Kalten Krieg letztlich verloren hat, auch wenn sie erst einmal die Nase vorne hatte.
Die FDA, die amerikanische Zulassungsbehörde für einen Impfstoff, kam unter Druck von Trump, der eine "Operation Warp Speed" verordnete, und versprach prompt, einem Impfstoff von AstraZeneca auch ohne die erforderlichen Tests die Genehmigung in einem Gesundheitsnotstand zu erteilen.
Trump hat 12 Milliarden US-Dollar in Vereinbarungen mit den Pharmakonzernen Moderna, Sanofi, GlaxoSmithKline und Johnson & Johnson investiert, um den USA - also auch sich im Wahlkampf - die Verfügung über Impfstoffe im Sinne von America First zu sichern.
Wie soll man die Sanktionen gegen die russischen Forschungsinstitute also bewerten? Sind sie eine Reaktion auf den möglichen Giftanschlag auf Nawalny? Oder geht es um die Verfügung über einen Impfstoff, also um ein milliardenschweres Geschäft, das auch dazu dienen kann, andere Staaten abhängig zu machen?