USA und China: Der unausweichliche kriegerische Konflikt?

Seite 2: Amerikanische Kriegstheorien: "China kann nicht friedlich aufsteigen"

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Im Jahre 2010 verkündet der Vordenker des Council on Foreign Relations John Mearsheimer, dass ein Krieg gegen China unausweichlich ist. Mearsheimer ist einem breiteren Publikum bekannt geworden durch seine harsche Kritik am vermeintlich verhängnisvollen Einfluss der "Israel-Lobby" auf die US-amerikanischen Eliten.

Im Gegensatz zu seinem Buch über die Israel-Lobby stützt Mearsheimer beim Thema China seine Kriegstheorie nicht auf Fakten, sondern nur auf Vermutungen: China umwirbt seine Nachbarn auf diplomatische Weise - das müsse ja nicht immer so bleiben! China hat sich bis jetzt in die amerikanische Weltordnung loyal eingefügt - auch das muss ja nicht immer so bleiben, argumentiert Mearsheimer.

Die Chinesen könnten es den Amerikanern nachmachen, indem sie eine eigene Monroe-Doktrin verkünden, und die Amerikaner aus dem asiatischen Meeresraum verjagen. Aber: " … Indien, Japan, Singapur, Südkorea, Russland, Vietnam und auch Australien werden den USA helfen, Chinas Macht einzudämmen (to contain). Um es klar zu sagen: China kann nicht friedlich aufsteigen".

Gerade die von Mearsheimer erträumte Neuauflage von Kennans Containment-Strategie gegen die Sowjetunion, jetzt gerichtet gegen China, dürfte durch neuere Entwicklungen obsolet geworden sein. Zum einen haben die USA Putins Russland geradezu in die starken Arme Chinas getrieben. Der neue philippinische Präsident Duterte wiederum nannte US-Präsident Obama einen "Hurensohn", erinnerte an die Gräueltaten, die die USA auf den Philippinen zwischen 1898 und 1908 anrichteten, und reiste prompt nach Beijing.

Und die 2015 noch amtierende südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye erschien auf der Ehrentribüne bei der großen Parade in Beijing anlässlich des Sieges über Japan 1945, sehr zuvorkommend begrüßt vom chinesischen Präsidentenehepaar Xi.

Japan dürfte allerdings angesichts der nuklearen Eskapaden des nordkoreanischen Operettenpräsidenten Kim in seinem bislang unumstößlichen Pazifismus schwer erschüttert werden. Andere neu gewonnene Freunde in der Region wie z.B. Burma sind längst wieder an die Seite Chinas zurückgekehrt.

Vier Szenarien von RAND

Eine Studie des Think-Tanks Rand Corporation aus dem Jahre 2016 spielt vier verschiedene Szenarien eines möglichen Krieges der USA gegen China ganz pragmatisch durch. Rand ist die Denkfabrik der US-amerikanischen Rüstungsindustrie.

Die im Papier vorgetragenen Gedanken erinnern ein wenig an jene Überlegungen, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg in den Führungen der jeweiligen Streitkräfte entwickelt wurden: Wann muss ein Erstschlag erfolgen, bevor der Feind uns mit seiner Aufrüstung überholt haben wird?

In dem Maß, in dem der militärische Vorsprung abnimmt, können sich die USA immer weniger sicher sein, dass ein Krieg mit China nach Plan ablaufen wird.

Rand Corporation

Vier Szenarien malen die Schreibtisch-Strategen aus: Erstens einen Krieg, der kurz und heftig ist; zweitens ein Krieg kurz und "mild"; drittens langdauernd und heftig und viertens ein Krieg langdauernd und "mild". In jedem der beschriebenen Fälle ziehen die Chinesen (noch) den kürzeren, was heißen soll: Die Verluste sind in jedem Fall für die USA geringer als für China.

Wenn es auch geringere Verluste für die USA sind, wird der Schaden für die USA auf jeden Fall heftig sein. Auch der innere Zusammenhalt der US-Gesellschaft wird möglicherweise von allen bisher zitierten Autoren zu optimistisch eingeschätzt. Hält die "Heimatfront" wirklich noch zusammen?

Angesichts der immer offener auftretenden Desintegrationserscheinungen in der Gesellschaft der USA sind Zweifel angebracht. Das veranlasst auch eine Reihe von neueren Publikationen aus den USA, Wege zur Vermeidung eines Krieges gegen China nachdrücklicher als bisher zu verfolgen.

Darüber wird noch zu sprechen sein.