USA und Russland: Annäherung durch Terrorbekämpfung?
Putin dankt Trump telefonisch, nachdem mit Hilfe von CIA-Informationen ein Anschlag in einer Kirche in Sankt Petersburg verhindert werden konnte
Das russische Präsidialamt hat bekannt gegeben, dass der Inlandsgeheimdienst FSB letzte Woche fünf Personen in Untersuchungshaft nahm, die unter anderem im Verdacht stehen, einen Selbstmordanschlag in der Kasaner Kathedrale in Sankt Petersburg geplant zu haben. Bei Durchsuchungen von Räumen der aus dem Nordkaukasus und aus Zentralasien stammenden Verdächtigen wurden neben großen Mengen Sprengstoff auch Waffen, Munition und Vorrichtungen zum Bau von Bomben sichergestellt.
Weil der FSB den angeblich in Verbindung zum islamischen Staat (IS) stehenden mutmaßlichen Terroristen durch Informationen auf die Spur kam, die er vom US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA erhielt, bedankte sich der russische Staatspräsident Wladimir Putin gestern telefonisch bei seinem Amtskollegen Donald Trump und versicherte ihm, dass man eventuelle russische Geheimdiensterkenntnisse über geplante Anschläge in den USA nach Washington weiterleiten werde. Außerdem bat Putin Trump, auch dem CIA-Chef Mike Pompeo explizit seine Dankbarkeit zu übermitteln.
Trump: "Terroristen eine Niederlage beibringen, wo immer sie sich aufhalten"
Trump meinte zu Putin, die USA seien froh, dass sie dabei helfen konnten, einen großen Terroranschlag zu vereiteln und viele Menschenleben zu retten. Außerdem wies er darauf hin, wie wichtig eine Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder sei, "um Terroristen eine Niederlage beizubringen, wo immer sie sich aufhalten".
Im April hatte Trump Putin angerufen, und nach einem Terroranschlag auf die U-Bahn von Sankt Petersburg kondoliert, bei dem elf Menschen ums Leben kamen und 51 weitere verletzt wurden. Bereits damals bot Trump seinem russischen Amtskollegen die "vollständige" Unterstützung des US-Sicherheitsapparats im Kampf gegen Dschihadisten an. In den Jahren davor hatte es in Russland immer wieder schwere Terroranschläge gegeben: 2011 starben auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo 35 Menschen, 2010 in der Moskauer U-Bahn 40, 2009 in einem Zug zwischen Moskau und Sankt Petersburg 28 und auf einer Polizeiwache in Inguschetien 40, 2008 in einem Bus in Nordossetien zwölf und 2004 in einer Schule in Beslan sogar 330 - darunter viele Kinder.
Lawrow: "Leider kein Entgegenkommen seitens der US-Regierung"
Putin und Trump waren sich gestern darin einig, dass die Anti-Terror-Zusammenarbeit ein Beispiel dafür ist, was für positive Auswirkungen es haben kann, wenn die USA und Russland zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit hatte in den letzten Jahren unter anderem wegen des Ukraine-Konflikts gelitten - so sehr, dass Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, am Samstag im Münchner Merkur diagnostizierte, er halte "die Lage" für "geostrategisch gefährlicher, als sie es seit dem Ende der Sowjetunion je war".
Am Tag darauf sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow dem russischen Föderationsrat, Russland sei "für eine konstruktive Zusammenarbeit mit Washington offen", sehe aber "leider kein Entgegenkommen seitens der US-Regierung". Die "Situation auf der koreanischen Halbinsel" bezeichnete er als "sehr beunruhigend" und meinte, alle "Versuche, ein militärisches Szenario zu provozieren, in der Hoffnung, eine Lösung der Krise durch Gewalt zu erreichen, w[ü]rden zu einer Katastrophe führen."
Dreistellige Milliardenverluste durch Sanktionen
In Syrien, wo die IS-Dschihadisten der Einschätzung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach spätestens Ende Februar ihre letzten Stellungen räumen müssen, sucht Lawrow zusammen mit den Staatsführungen der Regionalmächte Türkei und Iran eine "politische Lösung auf Grundlage der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates", die eine Wiederherstellung der (faktisch nicht mehr gegebenen) territorialen Integrität des Landes, das Ausarbeiten einer neuen Verfassung und Wahlen unter UN-Aufsicht vorsieht. Bezüglich der Ukraine gibt er sich eher pessimistisch und fordert die Regierungen des Westens dazu auf, Druck auf die Staatsführung in Kiew auszuüben, damit sich diese an die Minsker Vereinbarungen hält.
Die "von der Brüsseler Bürokratie entfesselten Sanktionsspirale" fügte dem russischen Außenminister nach der europäischen Wirtschaft schweren Schaden zu. Kurz vorher war eine Schätzung des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft bekannt geworden, die von Verlusten in dreistelliger Milliardenhöhe ausgeht. 40 Prozent davon betreffen dem Kieler Instituts für Weltwirtschaft nach deutsche Unternehmen. Geschäftsführer Michael Harms hatte dazu gemeint: "Dass wir diesen hohen Preis dauerhaft zahlen, ohne dass es echte Fortschritte im Friedensprozess gibt, führt zu einer wachsenden Frustration in der Wirtschaft." Der EU-Gipfel in Brüssel verlängerte die Sanktionen trotzdem bis Ende Juli 2018.