USA vor China-Sanktionen?
Auf dem Strategic Economic Dialogue stehen die chinesisch-amerikanischen Handelsbeziehungen zur Debatte, US-Parlamentarier drängen auf Handelssanktionen gegen China
US-Finanzminister Henry Paulson eröffnete den Strategic Economic Dialogue (in China Daily) am Dienstag mit der Ansage, den Worten müssten Taten folgen. Jetzt würden unbedingt Ergebnisse benötigt werden, um die Anti-China-Stimmung zu dämpfen. Woraufhin die chinesische Vizepräsidentin Wu Yi die Amerikaner umgehend davor warnte, China für das US-Handelsdefizit verantwortlich zu machen. Es sei absolut inakzeptabel, Handelsangelegenheiten zu politisieren. Jedes Land solle versuchen, seine inländischen Probleme im Inland zu lösen.
In Washington drängt das US-Parlament indes immer stärker auf Sanktionen. Steven Roach, der Chefökonom von Morgan Stanley, wird seit Jahren zu Senatsanhörungen geladen, um seine Stellungnahme zur Frage der Unterbewertung der chinesischen Währung abzugeben. Noch nie sei er mit seiner Meinung so wenig durchgedrungen wie bei den drei Anhörungen in diesem Jahr. Die Schwächen der US-Industrie und die seit zehn Jahren stagnierenden Median-Einkommen verlangen nach einem Sündenbock. Angesichts des Handelsdefizits gegenüber China (im Vorjahr 233 Milliarden USD) sehen Demokraten wie Republikaner diesen in der künstlich unterbewerteten chinesischen Währung.
Roach selbst ist freilich strikt gegen die geforderten Handelsbeschränkungen, die der Kongress am liebsten auch gleich auf Japan ausdehnen möchte. Roach erläuterte, dass die niedrige Sparquote der USA Schuld an der Misere sei und dass Sanktionen katastrophale Folgen haben würden:
Indes fahre der Kongress „mit Volldampf in Richtung Anti-China-Protektionismus“, beobachtet Roach. Dessen natürliche Gegner: Händler, Geschäftsleute, hohe Beamten und Geldpolitiker wiegen sich blasiert in Sicherheit und meinen: „In the end, America always does the right thing.” Immerhin seien die USA letztlich der Bannerträger von Globalisierung und Freihandel, und dieses allen amerikanischen Prinzipien entgegenstehendes Vorgehen sei nicht einmal Senat und Kongress zuzutrauen.
Roach gibt Sanktionen hingegen eine Chance von 60 Prozent. Was Roach als Wall Street-Ökonom dabei am meisten aufregt, ist, dass die Finanzmärkte für dieses gravierende Risiko keinerlei „Prämie“ angesetzt haben. Folglich müsste es an den Märkten zu umso schwereren Verwerfungen kommen, sollte es tatsächlich umgesetzt werden.
Finanzminister Paulson, der China als Chef der weltgrößten Investmentbank Goldman Sachs mehr als vierzig Mal besucht hat und als Freihändler und China-Kenner gilt, berichtet hingegen, eine seiner schwierigsten Aufgaben sei, die chinesische Führung davon zu überzeugen, dass Kongress und Senat unabhängig von der Regierung entscheiden würden. Wenigstens dabei wollten ihn die Senatoren und Kongressabgeordneten bei ihrem Treffen mit Wu Yi am Mittwoch behilflich sein. Paulson muss den Chinesen freilich auch Widersprüche innerhalb der Regierung erklären. So habe er von einer neuen Regelung des Handelsministeriums, die höhere Zölle auf China-Importe grundsätzlich ermöglicht, erst im März erfahren als sie umgesetzt wurden und etwa Hochglanzpapier mit einem hohen Zoll belegten. .
Als Paulson letzten September vom ersten „Strategischen Wirtschaftsdialog“ aus Peking zurückkam, konnte er dem führenden Demokraten Charles Schumer und die Republikanerin Lindsey Graham, die soeben dabei waren, parteiübergreifend einen 27,5%igen Zoll auf chinesische Waren zu organisieren, noch zu einer Verschiebung der Abstimmung überreden. Im US-Parlament erwogen werden derzeit unter anderem die Hunter-Ryan Bill (H.R. 782), worin Währungsmanipulationen als staatliche Subvention betrachtet werden, gegen die auf breiter Basis WTO-kompatible Handelssanktionen eingesetzt werden könnten. Gut voran im parlamentarischen Prozess kommt zudem die Davis-English Bill (H.R. 1229), die die Ausnahmen von Handelsregeln streichen würde, die derzeit Nicht-Marktwirtschaften wie China eingeräumt werden.
Dass schon die am 18. Mai von der Chinesischen Nationalbank (BOC) verfügte Erhöhung der höchstzulässigen täglichen Schwankungsbreite des Yuan um von 0,3 auf 0,5 Prozent ausreichen wird, um das Parlament zu beschwichtigen, bezweifelt Roach. Protektionistische Maßnahmen zusammen mit der Spekulationsblase in China und den hohen Dollarbeständen in den Golfstaaten ergeben für ihn jedenfalls eine explosive Mischung.
In den drei Jahren, seit die USA in dieser Angelegenheit verbal massiv Druck auf China ausüben, haben die Bemühungen jedenfalls nicht viel bewegt. Bloomberg zufolge stieg der Yuan letzte Woche um 0,1 Prozent auf 7,6686 zum Dollar und hat seit dem Juli 2005, dem Ende der absolut fixen Dollarbindung, nur 7,9 Prozent zugelegt. Würde der Devisenmarkt allerdings den Preis bestimmen, sei eine 30prozentige Aufwertung zu erwarten, schätzt z.B. Michael Woolfolk, Währungsanalyst der Bank of New York Co.
Kein Zweifel besteht allerdings auch daran, dass der niedrige Yuan tatsächlich einen erheblichen Beitrag zum chinesischen Boom leistet. Regierung und Notenbank warnen fast schon täglich vor den Übertreibungen und bekämpfen die schlimmsten Exzesse mit Zinserhöhungen und höheren Reserveverpflichtungen.
Ein Blick in die Zahlungsbilanz zeigt, dass fast der gesamte Zuwachs an Fremdwährungsreserven im Vorjahr aus dem Leistungsbilanzüberschuss resultiert. Die ausländischen industriellen Investitionen von rund 60 Mrd. USD und die stark gestiegenen Zuflüsse in den chinesischen Aktienmarkt werden in der Kapitalbilanz hingegen bis auf 10 Mrd. USD von chinesischen Auslandsinvestitionen ausgeglichen. Diese wurden bisher aber von den großen Staatsbanken und staatlichen Unternehmen durchgeführt und nur der geringste Teil davon ging bislang in Beteiligungen, die Mehrheit in Anleihen und in die offiziellen Reserven der Notenbank. Seit Montag ist es den Chinesen nun erlaubt, über Investmentgesellschaften ausländische Aktien zu erwerben, was der US-Forderung nach einer Öffnung Chinas entgegenkommt. Gerade eben hat China auch bewiesen, es mit der Diversifizierung seiner Dollar-Guthaben ernst zu meinen und hat sich über eine staatliche Investmentgesellschaft mit drei Milliarden Dollar bei dem New Yorker Private Equity Fonds Blackstone beteiligt.
Umgekehrt können ausländische Übernahmen in China nach wie vor jederzeit behindert werden, wenn es um die „ökonomische Sicherheit“ oder um „wichtige“ Unternehmen geht. Das dürfte mit ein Grund für den geringen Bestand an US-Direktinvestitionen von 24 Mrd. USD sein, während in der EU 952 Mrd. USD, in Japan 80 Mrd. USD oder in Kanada 217 Mrd. USD investiert sind. Immerhin wurde am 21. Mai gestattet, dass Ausländer nun auch Minderheitsbeteiligungen an den großen staatlichen Unternehmen und im Finanzsektor eingehen dürfen.