Über die wirkliche Nützlichkeit des WorldWideWeb und meinen Rückzug vom Internet
Wie man wirkliches Geld im Internet verdient und warum Computer Schrott sind.
Vor ein paar Tagen erhielt eine Mitteilung von irgendeiner Terri DiSisto. Es war eine Spam-Mail. Es war eine von vielen, die ich in den letzten sechs bis acht Monaten bekam, während das Internet zu einem weiteren großen Junkmail-Friedhof wurde. Multilevel Marketing, Geld Zuhause zu verdienen, Geld verdienen, wenn man dieses wunderbare Buch oder diese Erfolgsgeschichte kauft, befindet sich in scharfer Konkurrenz mit Einladungen zu Porno-Sites, die aggressiv alles anbieten, was Eltern wiederum veranlaßt, den Kindern den Zugang zum Internet zu verbieten.
Terri wird als pathologischer Spammer beschrieben. Aber bei mehr als 190000 Porno-Sites, die nackte Frauen präsentieren, und etwas mehr als 35000 Sites mit nackten Männern ist es offensichtlich, daß ihr Angebot wirklich nur Kinderkram ist.
Trotzdem ließ mir meine heutige Suche mit Infoseek deutlich werden, daß ich meine Zeit im Internet vergeude, wenn ich das schreibe, was ich schreibe, und meine Sites aktualisiere. Geld wird mit Pornographie verdient. Es gibt Bestenlisten: 5000 Sites für Frauen und 1000 für Männer. Die Nummer Eins der besten 5000 erhielt gestern mehr als 240000 Hitss. Männer-Sites sind prinzipell auf Schwule ausgerichtet, d.h. die meisten der Kunden für Männer- und Frauenpornographie sind Männer.
Ich weiß, daß ich damit nichts Neues entdeckt habe, aber es überrascht mich doch noch immer. Deswegen erstaunt es mich noch viel mehr, daß die größte kroatische Handelskette sich entschlossen hat, in ihrer Weihnachtswerbung für Lebensmittel sexuelle Inhalte zu verwenden. In Kroatien wird nämlich Einkaufen noch immer als Frauensache betrachtet, und Sexualität verkauft sich eben am besten an Männer.
Auf jeden Fall werden Videos zwischen 30 und 90 Dollar verkauft, und .ra, .jpg oder .avi Dateien kann man sich online ansehen oder herunterladen - manche kostenlos und manche erst, wenn man Mitglied geworden ist, was zwischen 20 und 100 Dollar im Jahr kostet. Das muß man mit der Anzahl der täglichen Hits zusammenbringen und dann die Einnahmen ausrechnen. Ich frage mich, wieviele Menschen auf meine Seite kommen würden, wenn ich sie auffordern würde, 100 Dollar für eine Mitgliedschaft zu zahlen ...
Terri bietet 250 Dollar für ein Video von 60 Minuten Länge von (jungen) Männern an, die gefesselt sind und von ihren Freundinnen (oder vor irgendjemanden) gekitzelt werden. Wenn man sich überlegt, daß die armen Mädchen, die an der Porth Authority zwischen 20 und 40 Dollar für wirkliches Blasen erhalten, ist das eine gute Bezahlung.
Sie sagt, sie sei eine junge Frau aus Boston, was das Bild von ihr bestätigen soll. Aber natürlich könnte sie auch, schließlich handelt es sich um das Internet, ein Hund sein. Doch wen würde das stören, wenn sie zahlt? Bislang hat sie ein paar Typen, die eingewilligt haben, daß sie ihre Videos im Netz zeigen kann, wo sie über ftp heruntergeladen werden können (Ein paar Typen vom College trieben es in ihren Schlafräumen).
Woher erhält sie aber das Geld, denn sie sagt, sie würde die Videos nicht verkaufen? Ich war mir fast sicher, daß sie ein alter reicher Kerl ist, bis ich heute ihre Stimme hörte - und sie hat wirklich die Stimme einer jungen Frau. Also muß es etwas anderes geben. Aber was geht mich das an? Ich will nur ihre 30 Dollar als Vorschuß in meinem Briefkasten der Schneckenpost sehen. Und wenn jemand will, daß ich ihm oder ihr ein Video zuschicke, bei dem ich für 250 Dollar oder mehr gekitzelt wurde, dann haben Sie keine Scham und treten in Kontakt mit mir.
Heute beschloß ich überdies, mich vom Internet zurückzuziehen. Vielleicht nicht für immer, aber zumindest für einige Monate, die ich einfach brauche, um wieder gesund zu werden.
Ich habe entdeckt, daß sich allein nur das Starten meines Computers negativ auf meine Stimmung und meine gesamte Gesundheit auswirkt. Die unaufhörlichen Probleme und endlosen Fehlermeldungen, das dauernde Neustarten und andere zeitraubende Veränderungen mit einem Pentium-Computer und Windows haben mich entnervt. Die Depression und Traurigkeit über die vielen verlorengegangenen Dateien, die Frustration mit der Funktionsweise meines Modems, mit der Leistung meines Providers (die Liste aller möglichen Fehlermitteilungen könnte ein Buch ergeben), die Nervenzusammenbrüche wegen allgemeiner Sicherheitsmängel, Systemstörungen, Mängel des Festplattenspeichers, die Angst dabei, wenn ich etwas mache, was ein bißchen komplexer als reine Textverarbeitung ist - all das erwies sich für mich als so belastend, daß ich es nicht mehr ertragen kann.
Ich weiß, daß ich dies oder jenes machen, mit der Software oder der Hardware herumspielen oder dies neu installieren oder jenes updaten kann, aber ich will nichts dergleichen mehr tun. Ich bin es müde, die Hälfte meiner Zeit damit zu verbringen, meinen Computer funktionsfähig zu machen. Das ist schlimmer, als einen 20 Jahre alten Wagen zu besitzen - und mein Computer ist kaum drei Jahre alt.
Meine Geduld ist am Ende. Ich habe keine mehr. Ich bin in der Stimmung, einen Hammer in die Hand zu nehmen und dieses Stück Abfall ein für alle Mal zu richten. Und irgendwann werde ich genau dies machen, wenn ich nicht vorher aufhöre.
Also erkläre ich hiermit, daß man von mir für einige Zeit nichts mehr hören wird. Ich werde kaum noch Email lesen, daher schicken Sie mir hoffentlich nicht viele, weil das nur die Computer von Peacenet verstopfen wird. Für mich ist es kein Vergnügen mehr, mich damit zu beschäftigen. Deswegen beschränke ich es weitgehend. Die Alternative wäre für mich, ganz aufzuhören und meinen Computer auf den Müll zu werfen.
Die Webpage wird es weiterhin geben, aber sie wird nicht mehr regelmäßig upgedated. Es wird auch die zamir.chat Mailinglist weiter geben, weil sie jetzt Gott sei Dank selbst funktioniert, und ich werde für Telepolis weiterhin alle zwei Wochen etwas schreiben, weil sie mich dafür bezahlen.
Das Ausmaß der technischen Probleme, die ich mit meinem System habe, könnten ein vollständiges Überholen verlangen, für das ich jetzt weder die Zeit noch die Energie besitze. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob das genug ist - genauso wie mein CD-ROM-Player kaputtginge, wenn der Computer seinen Geist aufgibt. Andererseits habe ich weder das Geld noch das Bedürfnis, mir ein neues System zu kaufen, schließlich ist meines nicht völlig veraltet und theoretisch völlig multimedial ausgestattet, auch wenn die multimedialen Leistungen im wirklichen Leben nur selten funktionieren. Also, freut euch, ich entlaste schließlich eure Mailboxes, zumindest von mir selbst.
Schöne Grüße
Ivo
Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer