"Überfüllt mit Ausländern ..."

Der Holocaust-Leugner David Irving beschwert sich nach seiner Entlassung über die österreichischen Haftbedingungen und will ein UNO-Gericht für Menschenrechte anrufen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der in Österreich wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilte Brite David Irving wurde nach dreizehn Monaten Haft vorzeitig entlassen. Kaum in London angekommen, gab er wieder seine umstrittenen Thesen zum Besten. Auch sollten seiner Meinung nach alle deutschen und österreichischen Historiker boykottiert werden. Darüber hinaus beklagt sich Irving über die Haftbedingungen in der Alpenrepublik. Der Publizist, der unter anderem die Existenz der Gaskammern in Auschwitz anzweifelte, will deshalb weitere Gerichte beschäftigen.

Der umstrittene britische Autor David Irving war 2005 auf dem Weg zu einer Veranstaltung einer rechten Studentenverbindung, wo er als Redner auftreten sollte, festgenommen worden. Gegen ihn bestand in Österreich bereits seit 1989 ein Haftbefehl. Der Vorwurf der österreichischen Behörden damals: Irving hätte in zwei Vorträgen am vorsätzlichen Massenmord an Juden und an der Existenz von Gaskammern in Auschwitz gezweifelt. Das fällt unter das sogenannte Verbotsgesetz, das 1947 beschlossen wurde. Es regelte die Auflösung der NSDAP und angeschlossener Verbände. Darüber hinaus wurde nationalsozialistische Wiederbetätigung unter Strafe gestellt. Verstöße dagegen wie eben die Leugnung des Völkermords an Juden unter dem NS-Regime werden bis heute mit Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren geahndet.

Irving wurde in Österreich der Prozess gemacht und Februar 2006 zu drei Jahren Haft verurteilt. Der heute 68-jährige Brite ging in Berufung. Nach dreizehn Monaten Gefängnis, stand er erneut vor dem Richter und dieser ließ Milde walten. Ernest Maurer, der Vorsitzende des Berufungssenats, setzte die Strafe herab. Die restlichen zwei Jahre wurden Irving auf Bewährung erlassen. In der Urteilsbegründung führte Maurer an, dass es sich um einen "außerordentlich lang zurückliegenden Tatzeitraum" handle. Außerdem müsse der bisher „untadelige Wandel des Angeklagten" gewürdigt werden, zitieren die österreichischen Medien den Richter.

Kritik am Richter

Für Kopfschütteln sorgte das Urteil bei den Grünen, der Israelitischen Kultusgemeinde und der SPÖ. Aber auch wichtige Medien nahmen die Ausführungen des Richters mit Befremden auf. Ernest Maurer war vor wenigen Jahren von der rechtspopulistischen FPÖ für ein Amt im Stiftungsrat des österreichischen Rundfunks vorgeschlagen worden. Diverse Medien werfen ihm vor, auf dem rechten Auge ein wenig trüb zu sehen, mit Journalisten hingegen nicht sonderlich zimperlich umzugehen. Gleich zwei seiner Urteile gegen österreichische Medien wurden vor gar nicht allzu langer Zeit vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zurück gewiesen. Im Fall Irving hatte die Staatsanwältin die Beibehaltung der ursprünglich verhängten Strafhöhe gefordert. Irving sei ein „Idol der Szene“, was die Berge an Fanpost, die er während der Untersuchungshaft erhalten hätte, zeigen würden.

Irvings während des ersten Prozesses dargelegte und vom Richter gewürdigte „Einsicht“ dürfte tatsächlich aus taktischen Erwägungen erfolgt sein. Denn sofort nach seiner Abschiebung aus Österreich bekräftigte er einige seiner Thesen erneut. Bei seiner Ankunft in London sagte er, er fühle keine Notwendigkeit, noch länger Reue für seine Meinung zum Holocaust zu zeigen. Allerdings räumte ein, dass er sich bei Auschwitz geirrt hätte, beziehungsweise er missverstanden worden wäre. Allem Anschein nach will Irving trotz allem mit seiner krausen Art der Geschichtsschreibung weiter machen. Wie die BBC berichtet, forderte Irving auch einen „Boykott aller deutschen und österreichischen Historiker, so lange in diesen Ländern der Historiker eingesperrt werden“. Dass er im akademischen Sinn kein Historiker ist, da er seine diversen Studien alle abgebrochen hat, scheint ihm dabei entfallen zu sein. Abgesehen davon wurde er nicht wegen einer Profession verurteilt, sondern wegen Wiederbetätigung.

Österreich verhängte - ebenso wie Deutschland bereits 1993 - eine unbefristete Ausweisung über Irving. Einreiseverbote bestehen auch in Australien, Italien, Kanada, Neuseeland und Südafrika. Der Geschichtsrevisionist zeigte sich immer wieder unbeeindruckt von Kritikern. Irving zog 1996 sogar gegen die amerikanische Religionswissenschaftlerin Deborah Lipstadt und den Verlag Penguin Books vor Gericht. Lipstadt hatte ihn in einem Buch als einen der gefährlichsten Holocaust-Leugner bezeichnet. Irving warf ihr Verleumdung vor, verlor aber den Prozess vor einem britischen Gericht. Gutachter wiesen ihm damals Verfälschungen von Quellen nach. In der Urteilsschrift wird er als Rassist, Lügner und Antisemit bezeichnet.

Märtyrer-Inszenierung

Der ständig um Aufmerksamkeit ringende Irving kann es auch nach seiner Ausweisung aus Österreich nicht lassen, sich in den Mittelpunkt zu drängen. Obwohl seine Bücher schon lange nur mehr im Eigenverlag erscheinen, zumal sich nach der Entlarvung vieler Verfälschungen kein Verleger mehr fand, kokettiert er mit Medienpräsenz und dem Image als „Märtyrer der Meinungsfreiheit“. Mit ständig wechselnden Ansichten über die Judenvernichtung (die im Kern aber nicht wesentlich gescheiter werden) spannt er die Journalisten vor die Karre ebenso wie die Justiz.

Jetzt war es ihm im österreichischen Gefängnis nicht fein genug. Deshalb will er die Alpenrepublik vor ein „UN-Gericht für Menschenrechte“ zitieren, berichtet die österreichische Nachrichtenagentur apa. (Weshalb sich ausgerechnet der UN-Menschenrechtsrat für ihn zuständig fühlen sollte, geht leider nicht eindeutig aus der Meldung hervor). Bei seiner Ankunft in London Heathrow sagte Irving jedenfalls gegenüber Journalisten, er habe mehr als vierhundert Tage in Österreichs ältestem Gefängnis in Einzelhaft verbracht, weil er vor 17 Jahren eine bestimmte Meinung vertreten habe. Dass er sehr wohl über den Haftbefehl in Österreich Bescheid wusste und sich des öfteren damit brüstete, trotzdem unentdeckt ab und zu in das Land gereist zu sein, erwähnte er nicht. Er hätte durch die Verhaftung in Österreich alles verloren, sogar sein Haus in England, beklagte Irving bei seiner Ankunft in London. Er mokierte sich über das österreichischen Gefängnis, in dem er inhaftiert war und blaffte naserümpfend in ein Mikro: „full of foreigners...“.