Überwachungsunion Europa
Europol will flächendeckende Abhörstruktur für Mobilkommunikation
Die Begehrlichkeiten der österreichischen Behörden, ihre Abhörbefugnisse auf kaltem Wege auszuweiten, sind keineswegs ein europäischer Einzelfall. Wie ein internes Dokument der Europol, das Telepolis vorliegt, beweist, sind derzeit massive Bestrebungen der europäischen Polizeibehörden im Gange, das im Aufbau befindliche Iridium-System in den Abhörgriff zu bekommen.
Das "Enfopol 98" betitelte Dokument der Gruppe "Polizeiliche Zusammenarbeit" vom 3. September 1998 betrifft die "Überwachung des Telekommunikationsverkehrs" und bezieht sich in erster Linie auf sogenannte satellitengestützte persönliche Kommunikationssysteme (S-PCS), aber auch auf das Internet. Zur vereinfachten Beschlussfassung durch den Rat der Europäischen Union wurde der Wunschzettel der Europapolizisten gleich als "Entwurf einer Ratsentschliessung" abgefasst. Für den umfassenden Zugriff auf die paneuropäische Satellitenkommunikation via Iridium und anderer MSS-Dienste (Mobile Satellite Services) bieten sich deren terrestrische Gateway-Stationen, als jeweils "gemeinsamer und einfacher Standort für Überwachungslösungen" an.
Die auf insgesamt vierzig Seiten gelisteten Forderungen der "gesetzlich ermächtigten Behörden", wie es im Enfopol-Papier stereotyp heisst, lassen sich relativ einfach mit dem Wort "alles" zusammenfassen. Von der "Zeichengabe für Bereitzustand" angefangen, sollen schlicht "alle von der überwachten Einrichtung erzeugten Signale" zugänglich gemacht werden, sowie sämtliche technischen Dienste und Daten, die damit in Beziehung stehen: Anrufumleitungen, Konferenzschaltungen, Voice Mail und andere. Sogar an ein- oder ausgehende Verbindungen, die nicht zustande kommen, wurde gedacht. All diese Daten wollen die "gesetzlich ermächtigten Behörden" auch sofort.
"Die verbindungsrelevanten Daten sollten innerhalb von Millisekunden nach dem Anrufereignis...verfügbar sein... um die Korrelation von Anrufereignis mit Anrufdetails zu erlauben."
Auch wenn sich "durch die globale Topologie des MSS... die Übergabe der verbindungsrelevanten Daten mehr verzögern" kann als bei "terrestrischen zellularen drahtlosen Diensten." Spätestens an diesen Passagen im Paragraphen 2 des Enfopol-Papiers wird klar, dass die Pläne der Europolizei nicht ohne gravierende Eingriffe in die Netzwerkstopologie verwirklicht werden können.
Schon bei GSM-Netzen, an denen sich der Forderungskatalog der Europolizisten orientiert, ist eine Bereitstellung dieser Daten in Echtzeit nur unter erheblichem technischen Mehraufwand möglich. Die Auswertung der Übertragungsprotokolle aller einzelnen Relaystationen zum Zweck der Vergebührung dauert selbst bei einem im Vergleich zum Iridium System winzigen, nationalen GSM-Betreiber "um die acht Stunden", wie Klaus Steinmaurer von der österreichischen MaxMobil anmerkt. Der Hinweis in den "Einführungen zum Thema Internet", dass es bereits formale Zustimmungen auf Regierungsebene durch die USA, Australien und Kanadas gebe, die Enfopol-Anforderungen bei nationalen Regelungen zu übernehmen, unterstreicht einen schwerwiegenden Verdacht der STOA-Komitees der EU.
In ihrem aufsehenerregenden "Appraisal of the Technologies of Political Control", Paragraph 7.4.2 bezieht sich das technische Komitee der Union auf ein "EU-FBI Global Telecommunications Surveillance System", das unter der sogenannten "dritten Säule" (third pillar) des Maastricht- Vertrages zur Zusammenarbeit im Bereich Polizei und Justiz etabliert werden soll. Ein diesbezügliches "memorandum of understanding" mit der Aktennummer ENFOPOL 112 10037/95, das von allen EU-Staaten unterzeichnet wurde, wird bis heute geheimgehalten. Hintergrund für diese weit reichenden Überwachungswünsche ist die Befürchtung europäischer Geheimdienste, die durch das militärische Echelon-System erlangte Kontrolle über die analoge Satellitenkommunikation im digitalen Zeitalter zu verlieren.
Erich Moechel ist Herausgeber des Newsletters q/depesche.