Ukraine-Krieg: Ernüchterung über teure deutsche Helsing-Drohne

KI-generiertes Bild.
Deutsches Rüstungs-Start-up: Warum seine Drohnen umstritten sind. Analyse von Erwartungen und Realität in einer Branche, die sehr viel Geld bekommt.
Die Drohne des Herstellers Helsing hat für großes Aufsehen in der Branche gesorgt. Ihr Einsatz im Ukraine-Krieg erhöht die Aufmerksamkeit für das Produkt eines deutschen Rüstungsunternehmens, das vor der Zeitenwende noch keiner kannte, und nun ein Schwergewicht ist.
Die Drohne ist leicht; sie ist aus Speerholz gefertigt. Die Ausstattung ist der Trumpf: avancierte KI-Software. Das Preisschild: angeblich 16.700 Euro. Nicht angemessen, heißt es jetzt.
Wie Bloomberg in einem ausführlichen Bericht darlegt, fällt die Beurteilung der Fronteinheiten im Ukraine-Krieg ernüchternd aus.
Die Spitzentechnologie aus Deutschland entspricht demnach offenbar nicht den hochgesteckten Erwartungen, und das bei einem Preis, der laut Analysen anscheinend das Siebenfache des eigentlichen Einkaufwerts übersteigen könnte.
Diese Diskrepanz zwischen großen Versprechen und der Realität auf dem Schlachtfeld wirft ein Schlaglicht auf das deutsche Rüstungs-Start-up Helsing, das in nur drei Jahren zum wertvollsten Verteidigungstechnologie-Unternehmen Europas mit einer Bewertung von fünf Milliarden Euro aufgestiegen ist.
Während das Unternehmen, wie der Spiegel berichtet, bereits von einem "Drohnenwall" an der Nato-Ostflanke träumt, mehren sich die kritischen Stimmen zu Leistung und Preis ihrer Produkte.
Hintergrund des Unternehmens
Von der Software hat sich das Unternehmen schnell in Richtung Hardware weiterentwickelt. Drei Deutsche gründeten im Jahr 2021 das Rüstungsunternehmen Helsing in der Überzeugung, dass moderne Kriegsführung moderne Technologie erfordert.
Wie die Wirtschaftswoche berichtet, hat sich Helsing in nur drei Jahren zu einem Schwergewicht in der europäischen Verteidigungsindustrie entwickelt.
Das Unternehmen startete als reine Softwareschmiede. Im Zentrum stand, wie Telepolis bereits schrieb, die Entwicklung von KI-Systemen für militärische Anwendungen.
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Bloomberg berichtet, das ursprüngliche Ziel sei gewesen, eine Software mit künstlicher Intelligenz zu entwickeln, die Sensordaten von militärischem Gerät verarbeiten und integrieren kann – eine Art KI-Gehirn für Waffensysteme und Entscheidungsfindung auf dem Schlachtfeld.
Beträchtliche Finanzspritze
Der Großteil der Anfangsfinanzierung kam von Spotify-Gründer Daniel Ek, der über seinen in Stockholm ansässigen Fonds Prima Materia 100 Millionen Euro investierte. Diese beträchtliche Finanzspritze ermöglichte es Helsing, rasch zu expandieren und bereits im ersten Jahr Büros in Frankreich und im Vereinigten Königreich zu eröffnen.
Innerhalb kurzer Zeit erreichte das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von knapp fünf Milliarden Euro, was es zum wertvollsten europäischen Rüstungs-Start-up macht.
Pikanterweise arbeitete Mitbegründer und Co-CEO Gundbert Scherf zwei Jahre lang im Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen, der heutigen Präsidentin der Europäischen Kommission.
Diese Verbindungen zahlen sich anscheinend aus. Die Bundeswehr hat, wie die Fachpublikation Hartpunkt berichtet, erst letzte Woche zwei Verträge zum Kauf von Loitering Munition für umfassende Tests abgeschlossen.
Obwohl die Hersteller nicht offiziell genannt wurden, geht Hartpunkt mit Verweis auf gleich mehrere gut unterrichtete Quellen davon aus, dass es sich um Helsing mit der HX-2 und Stark mit der OWE-V handelt.
Helsing-Drohnen: Hohe Versprechen, fragwürdige Realität
Das Geschäftsmodell des Rüstungs-Einhorns scheint simpel: Laut Bloomberg hat das Unternehmen einen Deal mit dem ukrainischen Start-up Terminal Autonomy geschlossen, um deren Sperrholzdrohnen mit der eigenen KI-Software "Altra" auszustatten.
Die Wirtschaftswoche präzisiert, dass es sich dabei um eine Vereinbarung zur Modifikation von 4.000 Billig-Drohnen handelt. Diese umgerüsteten Drohnen wurden dann als HF-1 bezeichnet. Es ist eine Drohne mit Tiefdecker-Konfiguration, die optisch an ein großes Modellflugzeug erinnert.
Die eigentliche Stärke dieser Drohnen soll in der Software liegen. Laut des ukrainischen Fachbogs Defence Express ermöglicht die KI-Technologie von Helsing, dass die Drohne auch dann ihr Ziel erreicht, wenn die Verbindung zum Bediener abreißt.
Modell HX-2
Das von Helsing selbst entwickelte, neue Modell, die HX-2, orientiert sich an typischen Merkmalen von Lenkflugkörpern, ist aber mit erkennbar größeren, X-förmigen Flügeln und vier elektrischen Propellerantrieben ausgestattet.
Das Systemgewicht wird mit 12 kg angegeben, die maximale Geschwindigkeit mit bis zu 220 km/h. Sie ähnelt der russischen Lancet-Drohne, insbesondere der neuen Izdeliye 55 Variante von Zala.
Im Februar verkündete Helsing laut Wirtschaftswoche, dass das Unternehmen in der Lage sei, 1.000 HX-2-Drohnen pro Monat herzustellen und plane, 6.000 davon in die Ukraine zu liefern.
Das deutsche Verteidigungsministerium teilte jedoch auf Anfrage von der Wirtschaftswoche mit, dass es noch keine verbindliche finanzielle Zusage für eine solche Bestellung gegeben habe.
Kritik aus der Ukraine: Leistungsprobleme
Was auf dem Papier und in Pressemitteilungen beeindruckend klingt, sieht in der Realität des ukrainischen Schlachtfelds offenbar anders aus. Bloomberg berichtet von wachsender Kritik an den Helsing-Drohnen direkt von der Front.
Am 21. März 2025 veröffentlichte ein ukrainischer Soldat und bekannter Militärblogger, Oleksandr Karpyuk, auf Facebook eine ausführliche Beschwerde über eine mit der Software von Helsing ausgestattete Drohne. Er schrieb, dass der Sprengsatz der Drohne "Mist" sei und auf einem "sehr primitiven Zielsystem" beruhe.
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Ein ehemaliger Nato-Beamter gab laut Bloomberg an, die ukrainischen Streitkräfte hätten berichtet, dass die HF-1-Drohnen mehr Probleme aufwiesen als vergleichbare Modelle. Eine weitere Person, die die Drohne in der Ukraine im Einsatz gesehen hat, beschrieb die Software laut Bloomberg als fehlerhaft und sagte, die Soldaten kämen nur schwer mit ihr zurecht.
Besonders kritisch äußerte sich Oleksandr Yarmak, Stabsfeldwebel in der Unmanned Systems Force, der auf Drohnen spezialisierten Abteilung der ukrainischen Armee. Seine Einheit erhielt laut Wirtschaftswoche Mitte Februar etwa 120 HF-1-Drohnen.
Der Stabsfeldwebel gab demnach zu Protokoll, dass die Drohnen zwar über ein "recht gutes Zielsystem" verfügten, aber seiner Meinung nach keine nennenswerten technischen Fortschritte im Vergleich zu preisgünstigeren einheimischen Drohnen böten.
Helsing: Kritik "nicht repräsentativ"
Es gibt jedoch auch positivere Stimmen. Maxim Sheremet, der Gründer von Dronarnia, einem Kiewer Labor für unbemannte Luftfahrtsysteme, räumte laut Bloomberg ein, dass es "in der Tat Probleme" mit Helsings Altra-Software gebe, diese aber dennoch "sehr effektiv" sei. Die HF-1-Drohnen würden im Einsatz in einer Reichweite von bis zu 75 Kilometern funktionieren.
Helsing selbst betont, wie Bloomberg berichtet, dass die Kritik an seiner Software nicht repräsentativ für die allgemeine Kundenerfahrung sei. Das gesamte Nutzerfeedback aus mehr als hundert Einsätzen sei äußerst positiv.
Simon Brünjes, Helsing-Vertriebschef, führt laut Wirtschaftswoche an, dass ukrainische Beamte die Zielerfassungssoftware von Helsing als "erstklassig" bezeichnet hätten und Soldaten an der Front nicht immer das gesamte Bild sähen.
Die Preisfrage: Überteuerte Technologie?
Neben der Leistungsfähigkeit steht vor allem die Preisgestaltung von Helsing in der Kritik. Die Wirtschaftswoche berichtet, dass ukrainische Soldaten den Preis der HF-1-Drohne auf 16.700 Euro pro Stück beziffern.
Oleksandr Yarmak äußerte sich deutlich: "Wir reden hier über ein Produkt, das aus billigen Komponenten besteht und als Spitzentechnologie vermarktet wird. Das kann ich Ihnen versichern, denn ich habe sie zerlegt."
Seiner Einschätzung nach sei ein solches Produkt höchstens 2.200 Euro wert.
Bloomberg fügt hinzu, dass zwei weitere Personen, die mit den Drohnen von Helsing vertraut sind, angaben, dass das Unternehmen einen ungewöhnlich hohen Aufpreis für seine Software verlange, was pro Gerät Tausende Euro an zusätzlichen Kosten verursache.
Im vergangenen Sommer hatte Terminal Autonomy, bei dem Helsing die Sperrholz-Drohne einkauft, auf seiner Website sein Produkt für 1.800 Euro ohne die Software von Helsing angeboten – eine Angabe, die inzwischen entfernt wurde.
Preispolitik unter Verdacht – eine Einschätzung
Helsing ist in bemerkenswert kurzer Zeit zu einem Schwergewicht in der europäischen Verteidigungsindustrie aufgestiegen. Mit einer Bewertung von fünf Milliarden Euro und ambitionierten Plänen für KI-gesteuerte Drohnentechnologie hat das Unternehmen große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die operative Realität scheint, wie es die zitierten Berichte nahelegen, offenbar hinter den Versprechungen zurückzubleiben.
Die HF-1-Drohnen, die für rund 16.700 Euro pro Stück verkauft werden, basieren demnach auf einer Billig-Plattform, die Terminal Autonomy noch im vergangenen Sommer für lediglich 1.800 Euro anbot. Dies legt die Vermutung nahe, dass Helsing eine einfache Sperrholzdrohne mit einer teuren Softwarelösung veredelt und zum fast zehnfachen Preis weiterverkauft.
Diese Preispolitik reiht sich ein in ein problematisches Muster, das auch in anderen Bereichen der europäischen Rüstungsindustrie zu beobachten ist.
Eine aktuelle Studie des Royal United Services Institute (RUSI) mit dem Titel "Winning the Industrial War" zeigt, dass die Preise für Artilleriemunition in Europa von ursprünglich 800 bis 3.000 Dollar auf 6.000 bis 8.000 Dollar pro Schuss gestiegen sind, während russische Hersteller vergleichbare Munition für unter 1.000 Dollar produzieren.
Ähnlich wie bei diesen Munitionspreisen steht auch bei Helsing der Verdacht im Raum, dass dem deutschen Steuerzahler Waffen zu stark überhöhten Preisen verkauft werden – ein Muster, das Fragen nach Effizienz oder gar Korruption im europäischen Verteidigungssektor aufwirft.