Umfrage zu Gewalt gegen Frauen in der Kritik: wird jungen Männern unrecht getan?
Zweifel an schockierenden Ergebnissen: Die Befragten wurden für ihre Teilnahme bezahlt. Auch aus anderen Gründen wird die Belastbarkeit der Daten hinterfragt.
Die Meldung hat nicht nur Feministinnen schockiert – auch für manche Männer war es ein Anlass zum Fremdschämen: Ein Drittel der jungen Männer zwischen 18 und 35 Jahren soll Gewalt gegen Frauen befürworten. 34 Prozent gaben demnach in einer Umfrage der Hilfsorganisation "Plan International" an, dass sie gegenüber Frauen "schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen". 33 Prozent fänden ist es dann auch akzeptabel, wenn ihnen "bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht".
48 Prozent sollen sich in der Umfrage zum "Spannungsfeld Männlichkeit" außerdem homophob geäußert haben – es stört sie demnach, wenn Männer ihre Homosexualität in der Öffentlichkeit zeigen. Mehr als die Hälfte soll die traditionelle Rollenverteilung in Beziehungen gutheißen – also das Modell des männlichen Haupt- oder Alleinverdieners und der vor allem für den Haushalt zuständigen Partnerin.
Als "ungeheuerlich und beschämend für das männliche Geschlecht" bezeichnete Niedersachsens Sozialminister Andreas Philippi (SPD) die Umfrage-Ergebnisse am Montag laut einem NDR-Bericht. Die evangelische Theologin Margot Käßmann nannte die Ergebnisse "zutiefst deprimierend".
Inzwischen wurden allerdings Zweifel an den am Wochenende veröffentlichten Ergebnissen laut. Die Umfrage soll vom 9. bis 21. März als standardisierte schriftliche Online-Befragung stattgefunden haben.
Damit beauftragt war laut "Plan International" das Marktforschungsinstitut Moweb, das demnach 1.000 Männer und 1.000 Frauen zu verschiedenen Aspekten des "Spannungsfelds" befragte – darunter auch zum Thema Gewaltanwendung. Alle Befragten waren demnach bei Moweb registrierte Nutzer, die für die Teilnahme an Umfragen eine finanzielle Vergütung erhalten.
Dies ist einer der Gründe, warum die Belastbarkeit der Daten nun angezweifelt wird: Renommierte Meinungsforschungsinstitute wie Allensbach, die Forschungsgruppe Wahlen oder Civey bezahlen ihre Befragten nämlich nicht.
Irritationen um Geschlechtsangaben
Hinzu kommt, dass die Teilnehmenden als Geschlecht auch "divers" angeben konnten – laut einem Bericht des Nachrichtenportals von T-Online gab "Plan International" auf Anfrage an, diese 13 Teilnehmenden hätten den Fragebogen der Frauen erhalten. Als "divers" betrachten sich allerdings nicht nur Menschen, in deren Geburtsurkunde "weiblich" steht oder biologisch intersexuelle Menschen, die von Kindheit an unter der binären Geschlechterordnung leiden. Es können auch biologisch männliche Personen sein.
Manche Feministinnen würden hier einwenden, dass, wer mit männlichen Geschlechtsorganen geboren und die meiste Zeit seines Lebens männlich "gelesen" wurde, auch als Mann sozialisiert ist – und daher auch eher männliche Sichtweisen wiedergibt oder manche "Frauenprobleme" gar nicht beurteilen kann. Queerfeministinnen würden da zum Teil widersprechen.
Teilnehmende mit der Geschlechtsangabe "männlich" auswählten, wurden zudem grob nach ihrer sexuellen Orientierung unterteilt. Nur Heterosexuelle (nach eigenen Angaben 91 Prozent der teilnehmenden Männer) erhielten dann Fragen zu ihrem Verhältnis zu Frauen, Homosexuellen wurden entsprechende Fragen zu männlichen Partnern gestellt.
Von insgesamt 2.000 Fragebögen seien 104 fehlerhaft ausgefüllt worden und nicht in die Ergebnisse eingeflossen – allerdings annähernd gleich viele von Männern und Frauen. Angaben von 949 Frauen (bzw. aus Fragebögen für Frauen) und 947 Männern flossen demnach in das Ergebnis ein.
Teils unklar, ob Wunschvorstellung oder Ist-Zustand abgefragt wurde
Hinzu kommt, dass bei Fragen nach traditionellen Rollenmustern in Beziehungen zum Teil unklar blieb, ob nach dem Ideal der Teilnehmenden gefragt wurde – oder nach einem Ist-Zustand, der sich aufgrund äußerer Umstände so ergeben hat. Etwa, weil nach der Geburt eines Kindes das höhere Gehalt des Mannes unverzichtbar war.
Zudem sollten Aussagen auf einer Skala von "trifft auf mich überhaupt nicht zu", "trifft auf mich eher nicht zu", "trifft auf mich eher zu" und "trifft auf mich voll und ganz zu" bewertet werden.
Mehr als 50 Prozent der jungen Männer "befürworten" laut Umfrageergebnis die traditionelle Arbeitsteilung – aber "nur" 40 Prozent wollen demnach auch, dass ihre Partnerin eigene Bedürfnisse zurückstellt, um ihnen den Rücken freizuhalten.
Manche Fragen werfen zudem weitere Fragen auf: Wenn jeder zweite junge Mann keine Partnerin möchte, die schon viele Sexualpartner hatte, kann dahinter eine misogyne Vorstellung von der entwerteten "Schlampe" stecken – aber eben auch die Angst, mit anderen, erfahrenen Männern verglichen zu werden und dabei schlecht abzuschneiden.
63 Prozent der jungen Männer gaben nämlich auch an, dass sie sich oft mit anderen messen und sich anstrengen würden, um unter den Besten zu sein. Ebenso viele stimmten aber der Aussage zu, dass sie sich manchmal in ihrem Inneren traurig, einsam oder isoliert fühlen. Ob dann das Konkurrenzverhalten gegenüber anderen Männern freiwillig oder zwanghaft ist und somit auch ein Grund für Einsamkeitsgefühle und fehlende Freundschaften, wurde nicht geklärt.
Fest steht: Konkurrenzverhalten als solches wird gesellschaftlich gefördert. Schlagworte wie "freier Wettbewerb" und "Wettbewerbsfähigkeit" sind durch bürgerliche Parteien und Medien positiv besetzt, wenn es um die deutsche Wirtschaft geht und werden im Kleinen auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen. Nur messen sich Männer mit Männern zum Teil sehr anders als Frauen mit Frauen.
Denkbar ist jedenfalls auch, dass Teilnehmende, die nicht sicher waren, wie manche Fragestellung zu verstehen ist und hinterher interpretiert wird, das Ausfüllen der Fragebögen abgebrochen haben.