Umweltschützer planen Gemeinschaftsklage gegen EU-Taxonomie
"Erdgas und Atom sind nicht grün." Aber Atomkraft und Gas wurden von der EU-Kommission als nachhaltig und klimafreundlich eingestuft. Greenpeace und andere Umweltschutzorganisationen halten dies für einen "Rechtsbruch".
Auch diese Premiere wäre ein Zeichen der Zeitenwende: Es dürfte bald zu einer ersten Gemeinschaftsklage verschiedener Umweltschutzorganisationen auf europäischer Ebene kommen. "Anwälte der Erde und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) haben zusammen mit anderen Umweltgruppen offiziell ein juristisches Verfahren" eingeleitet, das den EU-Taxonomie-Beschluss im Visier hat, wie der Bund informiert.
Dass die EU-Kommission entschieden hat, Investitionen in Gas- und Atomenergie über die Taxonomie mit einem grünen Label zu versehen, stößt diversen Umweltschutzorganisationen übel auf.
"Der Vorschlag, Gas und Kernkraft grün zu labeln", stamme direkt aus der Feder der EU-Kommission. Die sei der Meinung, "dass Investitionen in klimaschädliche und fossile Gas- sowie riskante Atomkraftwerke den ökologischen Wandel unterstützen", schreibt Greenpeace. Die Organisation sieht darin einen klaren "Rechtsbruch", den die Organisation "nicht hinnehmen wird".
Neben acht Greenpeace‑Büros in verschiedenen Ländern kündigen neben dem Bund auch der WWF und andere Organisationen eine gemeinsame Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg an.
Die Umweltorganisationen fordern von der EU-Kommission, den ergänzenden delegierten Rechtsakt aufzuheben. Darüber verkomme die Taxonomie "zu einem Greenwashing-Instrument für die Gas- und Atomindustrie". Innerhalb der geforderten Frist ist der Widerspruch von Greenpeace, flankiert von zwei neuen Expertisen zu Gas und Atom, bei der Kommission in Brüssel eingegangen.
Die hat nun bis zu 22 Wochen Zeit, um auf den sogenannten Request for Internal Review zu reagieren. Der Beschluss der EU-Kommission über den sogenannten Delegierten Rechtsakt, stehe "im Widerspruch zur Taxonomie-Verordnung selbst", argumentiert Greenpeace. Für den WWF-Deutschland erklärt Matthias Kopp:
Die Glaubwürdigkeit des Instruments Taxonomie ist schwerlich zu halten, wenn Technologien wie Gas gegen klare wissenschaftliche Einschätzungen als nachhaltig eingestuft werden. Ein Rahmen, der hin- und her gebogen wird, taugt nicht als eindeutige Grundlage für die klare Steuerung der Erwartungen im Markt, bei Anbietern und für die Kapitalflusslenkung. Mit einem Erfolg dieses rechtlichen Schrittes besteht die Chance, die politische Einflussnahme zu tilgen und dem Instrument Stärke zurück zu geben.
Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance, WWF-Deutschland
Umstritten sind die Regeln vor allem deshalb, da auch beim Verbrennen von Gas klimaschädliches Kohlendioxid entsteht. Dazu kommt, dass bei der Förderung und dem Transport von sogenanntem Flüssiggas, das wegen des Ukrainekrieges in der EU verstärkt zum Einsatz kommen soll, nach Angaben von Experten viel Methan freigesetzt wird.
"Methan ist ein 120 Mal schädlicheres Treibhausgas als CO2", erklärt Robert Howarth, Professor für Umweltforschung an der Cornell University in Ithaca.
In der Atomfrage wird einem Gutachten des EU Joint Research Centre (JRC), auf das EU-Kommission ihre Taxonomie-Entscheidung stützt, unter anderem vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), ein vernichtendes Urteil ausgestellt.
Den JRC-Gutachtern werden "schwerwiegende methodische Mängel" vorgeworfen. Es würden "Schlussfolgerungen getroffen", deren "fachliche Herleitung an zahlreichen Stellen nicht nachvollzogen werden kann", erklären BfS und BASE. So seien Auswirkungen schwerer Unfälle auf die Umwelt – die es in der Atomindustrie schon mehrfach gegeben habe - "nicht in die Bewertung der Taxonomie-Fähigkeit der Kernenergienutzung einbezogen".
Die ungelöste Entsorgungsfrage für Hunderttausende Jahre blieb wie andere große Probleme praktisch komplett unberücksichtigt.
"Wir sagen nein, zu einem fossilen Lock-in. Erdgas und Atom sind nicht grün, auch wenn die EU-Kommission dies auf Druck aus Paris und Berlin so festgelegt hat", erklärt die Bund-Geschäftsführerin Antje von Broock: "Der Krieg gegen die Ukraine und die Abhängigkeit von Russland zeigen, dass fossiles Erdgas keine Lösung ist. Die Klimakrise macht trotz der gegenwärtigen Situation keine Pause, deshalb müssen wir heute auch an morgen denken."
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