Das große Geschäft: Europa will viel Gas aus den USA beziehen
Liefermenge des besonders umweltschädlichen Fracking-Gases soll in den kommenden Jahren auf 50 Milliarden Kubikmeter jährlich steigen
Wer vom derzeitigen Krieg in der Ukraine profitiert, schält sich immer deutlicher heraus. Telepolis hatte schon vor Ausbruch des Krieges aufgezeigt, dass es eher die USA und nicht Russland sind, die von den hohen Energiepreisen profitieren, da die USA mit Abstand der größte Öl- und Gasproduzent weltweit sind.
Indes die USA beim Öl trotz allem noch auf Importe angewiesen sind und wegen des von US-Präsident Joe Biden verhängten Importstopps für russisches Öl inzwischen sogar wieder bei den früheren Bösewichten Iran und Venezuela einkaufen wollen, sieht es beim Erdgas ganz anders aus.
Für das viele Fracking-Gas sucht der weltgrößte Produzent nach großen Abnehmern für den teuren und, was Klima und Umwelt betrifft, besonders schmutzigen Brennstoff. Da sich Europa nun unabhängig machen will von russischem Gas, hat man hier einen großen Abnehmer gefunden. "Wir engagieren uns dafür, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen komplett herunterzufahren", sagte Biden auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag. Die dankte dem US-amerikanischen Volk für die Unterstützung, um "uns nun von russischem Gas unabhängig zu machen".
Biden sicherte zu, noch im laufenden Jahr mehr als 15 Milliarden Kubikmeter zusätzliches Flüssiggas (LNG) aus den USA mit Schiffen nach Europa zu liefern. Die USA sichern sich mittelfristig einen großen Abnehmer. In den kommenden Jahren soll die LNG-Menge sogar auf 50 Milliarden Kubikmeter jährlich ausgeweitet werden.
Schon in den letzten Monaten hatte die USA immer mehr Flüssiggas nach Europa geliefert und monatlich neue Rekorde aufgestellt. Im Januar und Februar wurden schon etwa drei Viertel des US-Gesamtvolumens von 7,3 Millionen Tonnen nach Europa verschifft. 2021 importierte die EU eine Rekordmenge von 22 Milliarden Kubikmetern Flüssiggas (LNG).
Seit 2018 haben sich die europäischen LNG-Importe aus den USA mehr als verdoppelt. Sollten tatsächlich in einigen Jahren 50 Milliarden Kubikmeter aus den USA geliefert werden, dann würden aber auch nur etwa ein Drittel der derzeitigen Gasimporte aus Russland ersetzt werden. Bisher hat die EU etwa 155 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aus Russland importiert, das sind etwa 40 Prozent des in der EU verbrauchten Gases.
Ob die Steigerung auf 50 Milliarden Kubikmeter möglich ist, ist eher zu bezweifeln, da dafür die Infrastruktur nicht besteht. Schiffe und Regasifizierungsanlagen lassen sich wie Pipelines nicht aus dem Boden stampfen. Dass Spanien ein Pipeline-Projekt gestoppt hatte, um Katalonien vor den Kopf zu stoßen, fällt der EU dabei ebenfalls auf die Füße. Denn eigentlich sollte schon in diesem Jahr von den vergleichsweise vielen Regasifizierungsanlagen in Spanien Gas in den Norden geleitet werden können. Das wird nun frühestens 2024 möglich.
Biden und die Kommissionspräsidentin haben viel von Versorgungssicherheit und zudem von "sauberer Energie für die Zukunft" gesprochen. Natürlich wird nichts dazu gesagt, dass die USA damit das große Geschäft machen. Zudem handelt es sich bei Fracking-Gas um alles andere als um eine saubere Energie, auch wenn sich gerade der grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz dafür mächtig ins Zeug legt.
Dass ausgerechnet auch Habeck auf den dreckigen Flüssiggas-Zug reitet, ist an Dreistigkeit für die angebliche Umweltpartei kaum noch zu überbieten. Einen klimaschädlicheren Energieträger muss man vermutlich mit der Lupe suchen.
Auf den fatalen Treibhausgasfußabdruck von LNG machte der Methan-Experte Robert Howarth, Professor für Umweltforschung an der Cornell University in Ithaca, New York, aufmerksam. Er erklärte auf einer von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Deutschen Umwelthilfe gemeinsam veranstalteten Webkonferenz:
Methan ist ein 120 Mal schädlicheres Treibhausgas als CO2.
Howarth führte aus, dass bei der Produktion und Transport von Fracking-Gas mindestens 3,2 Prozent der enthaltenen Methanmenge in die Atmosphäre gelange und er hält sogar sechs Prozent für möglich.
Zudem müssten zur Verflüssigung 20 Prozent des Schiefergases verbrannt werden, dazu kommt der lange See-Transport. Der Treibhausgasfußabdruck von LNG sei damit sogar größer als der von Kohle. Deshalb fordert der Methan-Experte, dass man die LNG-Infrastruktur in Europa nicht weiter ausbauen solle, doch das Gegenteil treiben die Grünen gerade voran.