Umweltzerstörung in der Osttürkei

Seite 2: Ein rissiges Atomkraftwerk am Mittelmeer im Bau

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In Mersin wird von der russischen Firma Rosatom gegenwärtig das Akkuyu-Kernkraftwerk gebaut. Rosatrom ist nach Informationen der Zeitung Cumhurriyet jene Firma, die die Katastrophe von Tschernobyl zu verantworten hat. Schon 2018 warnten die Ingenieure des Kernkraftwerks vor gravierenden Mängeln. Beim Wohnungsbau herrschten strengere Kriterien als beim Bau dieses Atomkraftwerkes, berichteten leitende Beamte und Angestellte des Kernkraftwerkes.

Wohnungsbauprojekte würden drei- oder viermal überprüft, aber hier gäbe es kein Personal, das solche Kapazitäten und das Wissen habe. Es ginge einzig darum, dass 2023 der Atommeiler ans Netz gehe, trotz Warnungen von Umweltschützern und Experten.

Im Mai berichteten Ingenieure von Rissen im Betonfundament des Meilers. Die türkische Atombehörde TAEK dementierte, die Risse seien längst beseitigt worden. Experten widersprechen den Meldungen der Atombehörde. Nach der Reparatur seien neue Risse entstanden, sodass das Betonfundament der Kernreaktoren komplett neu gegossen werden musste.

Die Mitarbeiter des Atommeilers monierten, das die russische Firma nicht mit seriösen Ingenieuren arbeite. Es gäbe in Akkuyu nicht genügend Ingenieure, die das Thema wirklich beherrschten. Schon in der Projektphase habe es Probleme gegeben, berichten Mitarbeiter. Das Atomkraftwerk wurde ohne Kenntnis der geographischen und lokalen Gegebenheiten in Russland entworfen.

Die Pläne wurden aus Zeit- und Kostengründen von russischen Vorlagen kopiert. Daher ist die Anlage ist so konzipiert, dass sie nicht von den extrem kalten Wetterbedingungen Russlands beeinflusst wird.

Nun entsteht diese Anlage aber in einem Gebiet, wo eher extrem warme Wetterbedingungen den Betrieb beeinflussen. Und Geologen erklärten schon vor dem Baubeginn, dass die vorhandenen Bodenverhältnisse nicht für ein Atomkraftwerk geeignet seien - der Boden könne aufgrund seiner filigranen geologischen Beschaffenheit die Anlage nicht tragen. Vom Boden entnommene Proben zeigten, dass die Bodenstruktur locker sei. Unkontrollierte Gesteinseinbrüche seien unvermeidlich, das könne man in der Region schon an den Straßenrändern sehen.

Im Prinzip könne man ein AKW auch in einem solchen Gebiet bauen, sagen die Experten. Allerdings könne man AKW-Pläne aus einer anderen Region nicht mit "Kopieren / Einfügen" übernehmen. Der eingangs erwähnte Ingenieur, der die Risse in den Fundamenten bekannt gegeben hatte, sagte:

"Der Grund für diese Risse ist, dass der vorhandene Untergrund nicht tragfähig ist, weil er ständig in Bewegung ist. Im Laufe der Zeit entstehen dadurch zwangsläufig Risse. Wie das Fundament unter diesen Bedingungen den Reaktor tragen kann, ist unbekannt. Zudem kommt nach wie vor aus den neuen Fundamenten Meerwasser, sie sind voller Meerwasser. Trotzdem werden sie versuchen, den Plan umzusetzen, der nicht für diesen Untergrund geeignet ist..."

Es gäbe noch zahlreiche weitere Beispiele für die Umweltzerstörung und das mangelnde Umweltbewusstsein in der Türkei. Die AKP-Mafia ist momentan dabei, sich schnell noch die letzten lukrativen Bonbons zuzuschanzen, denn die Proteste gegen die Absetzung der HDP-Bürgermeister erfassen mittlerweile die gesamte Türkei. Ob Erdogans Plan aufgeht, steht in den Sternen.

Im Moment plant er nach seinem Palast in Ankara, seinem Amtssitz in Istanbul und seiner Sommerresidenz am Mittelmeer seine vierte Residenz in Ostanatolien bei Bitlis. Ob die Bevölkerung angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise dies noch akzeptieren wird, bleibt abzuwarten.

Kritik an seinen größenwahnsinnigen Ideen kommt mittlerweile auch aus dem Lager der AKP. So bekam er mächtig Gegenwind aus der konservativen Ecke rund um den ehemaligen Ministerpräsidenten Davutoglu, der indirekt ankündigte, die kriminellen Machenschaften der Regierung rund um die Anschläge in Ankara, Suruc etc. aufdecken zu wollen. Das Parteiausschlussverfahren gegen Davutoglu kam nicht überraschend.